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DIGITALE TRANSFORMATION27. April 2015

Banken: Mit Social Engineering in die Neue Zeit?

In vielen Banken wird derzeit fieberhaft nach der richtigen Strategie gesucht, um ihren Platz in der Digitalmoderne behaupten zu können. Das scheint auch nötig, denn die Herausforderungen haben in den letzten Jahren, abgesehen von der Regulierung und der anhaltenden Tiefzinsphase, mit dem Aufkommen zahlreicher FinTech-Starups und dem Einstieg der großen Internetkonzerne wie Apple und Google in Teile des Bankgeschäfts zugenommen.

von Ralf Keuper, Blogger und Kolumnist

Unter dem neuen Zauberwort “Digitale Transformation” oder schlicht “Digitalisierung” wird derzeit eine Vielzahl von Varianten diskutiert. Nur allzu oft münden diese in dem Versuch, neuen Wein in alte Schläuche zu füllen. Zwar betont man, dem veränderten Kundenverhalten gerecht werden zu wollen, lässt die Organisationskultur, den hierarchischen Aufbau davon jedoch weitgehend unberührt. Dieses Dilemma findet dann nicht selten in der Anwendung kybernetischer Prinzipien seinen Niederschlag. In seinem Beitrag Sozialingenieure im Steuerungswahn. Über das kybernetische Erbe der Macy-Konferenzen sieht Gunnar Sohn auch die Multichannel oder Omnichannel – Orientierung in dieser Traditionslinie. 

Mitarbeiter kommen in solchen Abbildungen nicht vor — sie sind Fußvolk und werden in den Schubladen der verschiedenen Abteilungen verwaltet. Und die Kommunikation zu den Kunden läuft über so genannte “Kanäle” — also was man so früher darunter verstanden hat mit klar identifizierbaren Sendern und Empfängern.

Der Ansatz des Digitalen Servicecenter gehört für mich ebenfalls dazu. Dahinter verbirgt sich noch immer der Glaube an die reibungslose Steuerung und Planung einer Organisation – nur eben mittels anderer, neuer Kanäle. 

In  seinem Text Stückwerk – Technik statt utopischer Technik beschreibt Karl R. Popper das seiner Ansicht nach ideale Vorgehen des Stückwerk-Ingenieurs:

Wie Sokrates weiß der Stückwerk-Ingenieur, wie wenig er weiss. Er weiss, dass wir nur aus unseren Fehlern lernen können. Daher wird er Schritt für Schritt vorgehen und die erwarteten Resultate stets sorgfältig mit den tatsächlich erreichten vergleichen, immer auf der Hut vor den bei jeder Reform unweigerlich auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen. Er wird sich auch davor hüten, Reformen von solcher Komplexität und Tragweite zu unternehmen, dass es ihm unmöglich wird, Ursachen und Wirkungen zu entwirren und zu wissen, was er eigentlich tut. 
Ein solches “Herumbasteln” entspricht nicht dem politischen Temperament vieler “Aktivisten”. Ihr Programm, welches ebenfalls als ein Programm der “Sozialtechnik” bezeichnet worden ist, kann man “holistische” oder “utopische” Sozialtechnik nennen. (Quelle: Karl Popper Lesebuch)

Durch die Zeilen klingt vieles von dem durch, was später durch Charles E. Lindblom als The Science of “Muddling Through” bekannt wurde.  

Jedoch ist der von Popper seinerzeit formulierte Anspruch, Ursache und Wirkung immer genau im Blick zu haben, so nicht mehr zu erfüllen. Er ist seinerseits utopisch.

Banken, die sich immer mehr in Softwarefirmen verwandeln, müssen, statt ihre Prozesse an Planung und Kontrolle mittels Social Engineering zu orientieren, dem Unvorhersehbaren mehr Raum gewähren, wie u.a. James Brian Quinn schreibt:

Innovation tends to occur in fitful, chaotic ways, with many random interactions and unexpected, often unpredictable consequences. The highly interactive, circular, self-learning steps of genetic or ecological self-organizing systems or interactive object-oriented programs seem more appropriate model of the way modern innovations occur. … Once an appropriate interactive organizational concept and software structure are in place, the innovation process can be as decentralized and time-compressed as one desires. (in: Innovation Explosion. Using Intellect and Software to Revolutionize Growth Strategies)

Ralf Keuper (Bank-, Diplomkaufmann und FinTech-Experte)
Blog-Autor Ralf Keuper ist Bank- und Diplomkaufmann. Bild: Xing
Ralf Keuper

Ralf Keuper ist Bank- und Diplomkaufmann und seit rund 15 Jahren in verschiedenen Positionen beratend im Bankenumfeld tätig. Er gehört zudem mit seinem Blog bankstil zu den Top10-Bloggern im FinTech-Bereich und berät Banken bei der digitalen Transformation sowie  FinTech-Startups bei ihrem Markteintritt. Keuper hat unter anderem als Senior Consultant Banking bei der COR&FJA AG und Senior Consultant Banking & Financing bei Steria Mummert Consulting AG gearbeitet.

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