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MEINUNG4. Februar 2015

Banken, wie wir sie kennen, wird es in 10 Jahren nicht mehr geben

Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS BankGLS Bank
Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS BankGLS Bank

Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS Bank findet eindringliche Worte zur Lage der deutschen Banken. Er benennt in seinem Positionspapier vier Problemfelder: Image, Niedrigzins, Regulatorik, Digitalisierung & FinTechs und prophezeit, dass sich nicht nur die Bankenlandschaft in zehn Jahren dramatisch ändern wird, sondern auch, dass die Finanzierung der Realwirtschaft gefährdet sei. Aus Jorbergs Sicht wird es das klassische Bankgeschäft, wie wir es heute kennen, in naher Zukunft so nicht mehr geben.

Ein Positionspapier von Thomas Jorberg,
Vorstandssprecher der GLS Bank

Banken müssen sich neu erfinden: Ihre gesellschaftliche Akzeptanz ging verloren, die anhaltenden Niedrigzinsen erfordern ein neues Geschäftsmodell, die Regulierung lässt kaum mehr Raum für unternehmerische Entwicklung und gleichzeitig stärkt die Digitalisierung die neuen FinTechs.
Banken, wie wir sie kennen, wird es in 10 Jahren nicht mehr geben.

Akzeptanz ging verloren

Auch wenn alle Bürger fast täglich Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen, ist die Akzeptanz, wie diese erbracht werden, gesellschaftlich so gut wie nicht mehr vorhanden. Während Banken noch vor wenigen Jahren unter hunderten von Bewerbern die begehrten Ausbildungsplätze besetzen konnten, finden sie heute nur noch schwer Auszubildende. Laut GfK-Umfrage für die ING DiBa sind für 38 % der Verbraucher Kontoführungsgebühren das größte Ärgernis, und nur 7 % halten Bankgebühren für akzeptabel. Durch die Niedrigzinsphase fühlen sich viele Einlagenkunden geradezu enteignet, während Kreditzinsen nach wie vor als zu hoch empfunden werden.

Die Justiz hält Kreditbearbeitungsgebühren für unzulässig und lässt trotz dreijähriger Verjährungsfrist eine Rückforderung für die letzten 10 Jahre zu. Bei Formfehlern der Widerrufbelehrung für Baufinanzierungen kann auch noch 8 Jahre nach Abschluss eines Kreditvertrages der gesamte Vertrag widerrufen und zig Tausende von Zinsen gespart bzw. zurückgefordert werden.

Banken ruinierten in der Vergangenheit fast ganze Volkswirtschaften und kosteten den Steuerzahler Milliarden von Rettungsgeldern. Zu viele Banker haben sich selbst die Taschen voll gemacht und dabei getrickst, bestochen und manipuliert. In Europa, USA und anderswo müssen große Banken Milliardensummen für entsprechende Strafprozesse zurückstellen.
Diese Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen und macht eins überdeutlich: Die gesellschaftliche Akzeptanz für diese Art von Bankgeschäft ist langfristig gestört, wenn nicht zerstört.

Niedrigzinsen erfordern neues Geschäftsmodell

Die derzeitige Niedrigstzinsphase hat bereits einen langen Vorlauf, und es gibt keine Aussicht auf einen Zinsanstieg. Die Ursachen liegen keineswegs nur bei den Notenbanken. Zwar haben diese mit ihrer lockeren Geldpolitik die Überliquidität an den Finanzmärkten verstärkt. Die Notenbanken wären aber kaum in der Lage, den Zinssatz deutlich nach oben zu treiben, auch aufgrund der von Staaten beabsichtigen Reduzierung der Neuverschuldung. Selbst wenn eine anziehende Konjunktur für eine höhere Investitionstätigkeit sorgen sollte, würde dies nicht nachhaltig zu einem Rückgang des Überangebots an Geld führen. Die Niedrigzinsen sind insofern keine durch die Notenbanken gesetzte Rahmenbedingung, sondern das Ergebnis eines dauerhaften Überangebotes von Geld auf den Finanzmärkten. Eine massive Flucht von Anlegern in Aktien, Gold, landwirtschaftliche Flächen oder Immobilien wird nur zu einer Inflation der Preise dieser Vermögensanlagen führen, nicht aber zu einem höheren Zins. Gleichzeitig wird ein enormer Finanzierungsbedarf in Bereichen wie Soziales, Kultur, Ökologie, Forschung und Entwicklung nicht gedeckt, was wirkungsvoll zu einem Abbau der Überliquidität führen könnte.

Insofern müssen sich Banken langfristig auf ein Null- bzw. Niedrigstzinsniveau für sichere Geldanlagen einstellen. Damit verfallen unweigerlich die Zinsmargen, denn aus einem Niedrigstzins lässt sich keine auskömmliche Marge mehr erzielen. Damit steht die Bankenbranche vor der Herausforderung, dass neben den Erträgen aus Gebühren auch die Zinsmarge in Frage steht und somit das ursprüngliche Geschäftsmodell von Banken zunehmend gefährdet ist.

GLS HauptsitzGLS Bank
GLS HauptsitzGLS Bank

Regulierung verhindert Entwicklung

Nach der Finanzmarktkrise wurden erheblich schärfere Vorschriften hinsichtlich des Eigenkapitals, der Risikotragfähigkeit, der Liquidität sowie der Einlagensicherung erlassen. Neben diesen in der Öffentlichkeit diskutierten Regulierungen gab es eine nicht überschaubare Anzahl von zusätzlichen Regulierungen, so dass heute im Grunde genommen jeder Handgriff in einer Bank vorgeschrieben ist.

Dies fängt bei der Werbung an, geht über genaue Vorschriften zur Ausgestaltung von Prospekten, den Inhalt und die Dokumentation von Beratungsgesprächen, weiter über Vertragsinhalte, Schulung und Registrierung von Mitarbeitern, Überprüfung von Kundenart, Dokumentation und Höhe von Bewertungen von Sicherheiten, Art der Berechnung von Risiken, exakt vorgeschriebene Risikomodelle – nicht nur für das Kredit- und Investmentgeschäft, sondern auch für plötzliche Zinsänderungen, Image- oder IT-Probleme – Stressszenarien usw., bis hin zu genauen Vorschriften, wie Vorstand und Aufsichtsrat Strategien erstellen und überarbeiten müssen.

Dieses tiefe Misstrauen in Banken und Bankmitarbeiter führt auf der Verbraucherschutzseite wie bereits oben erwähnt dazu, dass viele der bisher erhobenen Gebühren im Bankbereich entweder ganz verboten werden oder deren Erhebung mit derart langfristigen Rechtsunsicherheiten verbunden sind, dass sie vermutlich zukünftig unterbleiben werden.

Dies spiegelt das tiefe Misstrauen von Gesellschaft, Politik und Aufsicht wider, dass Banker prinzipiell missbräuchlich, bestenfalls amoralisch handeln. Das exakte Vorschreiben der Art und Weise, wie Strategie, Prozesse und Beratung handzuhaben sind, soll sicherstellen, dass der Verbraucher und die gesamte Volkswirtschaft nicht länger geschädigt werden.
Damit werden allerdings auch notwendige unternehmerische Freiräume in der Regulatorik als Gesetzeslücken angesehen und in der Regel geschlossen. Sicherlich wird hierdurch missbräuchliches Handeln erschwert. Vertrauen zwischen Verbrauchern und Banken kann damit aber nicht zurück gewonnen werden. Im Gegenteil: Die Regulierung erschwert dabei sowohl die Entwicklung einer neuen, an sozialen und ökologischen Werten orientierten Bankarbeit als auch von selbstorganisierten Finanzierungsformen der Zivilgesellschaft. So würde das derzeit in Vorbereitung befindlichliche Kleinanlegerschutzgesetz Bürgerbeteiligungen an sozialen und ökologischen Vorhaben deutlich einschränken oder fallweise unmöglich machen. Aus ihrem Engagment für den ökologischen Landbau, regenerative Energieversorgung, freie Schulen und andere soziale und ökologische Bereiche seit über 40 Jahren weiß die GLS Bank, dass die Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung auch bürgerschaftliche Beteiligungsformen sind. Diese werden durch die laufende Regulierung fundamental gefährdet.

Nachdem die letzte Finanzmarktkrise insbesondere durch Unverantwortlichkeit in der Finanzwirtschaft verursacht wurde, steht zu befürchten, dass eine solche Überregulierung eine nächste Krise mit ausgelöst.

Ob Paypal, auxmoney, Apple Pay, Yapital, vaamo, …  oder eben neuerdings Google mit Payment per Gmail: Die Digitalisierung bringt Banken in erheblichen Zugzwang.

Digitalisierung aller Bankgeschäfte

Die zunehmende Digitalisierung stellt in besonderem Maße die Banken vor Herausforderungen, bietet aber auch erhebliche Chancen. Während es etwa in der Lebensmittel- oder Automobil-Branche nur um die Prozesse bei der Herstellung oder dem Vertrieb geht, kann der Gegenstand der Banken selbst digitalisiert werden: das Geld. Die Bargeldversorgung wird zunehmend als logistische Aufgabe außerhalb von Banken organisiert. Ansonsten sind Bankgeschäfte weitgehend digitalisierbar. Dies wird anhand von Neuentwicklungen so genannter FinTechs im Zahlungsverkehr (Paypal, Google-Pay usw.) und beim Aufbau von Plattformsystemen (Crowdfinancing u.a.) deutlich.

Entsprechende IT-Infrastrukturen erfordern zwar erhebliche Investitionskosten, bieten dann aber die Möglichkeit, zu fast null Grenzkosten eine Vielzahl an Transaktionen abzuwickeln. Ferner wird die frühere Kundennähe durch umfangreiche Kundendaten ersetzt, die sehr individualisierte Angebote möglich machen. Die in der Kundenbeziehung erfassten Daten werden von den FinTechs oder auch in Payback-Systemen zwar produktbezogen gesammelt, aber kundenbezogen ausgewertet. Auf Basis der daraus entwickelten Kunden-, Trend- und Bedürfnisprofile lassen sich individuell zugeschnittene Produkt- und Beratungsangebote zu generieren. Hiervon sind die IT-Systeme der Banken noch weit entfernt, die auf produktbezogene Auswertungen ausgerichtet sind, wenig vernetzt mit anderen Daten aus der Perspektive des Kunden.

Quelle: kotist/bigstock.com
Quelle: kotist/bigstock.com

Big Data erfordert einen anspruchsvoller Datenschutz, der erst noch zu entwickeln ist. Dabei sollten Nicht-Banken die selben Anforderungen erfüllen wie Banken.

Die Digitalisierung könnte zwar eine Chance für die Banken sein, aber aufgrund der derzeitigen Strukturen und der Regulierung stellt sie eher eine Bedrohung dar. Die wesentlichen Innovationen finden bislang weitgehend außerhalb des Bankenbereichs statt.

Finanzierung von Realwirtschaft ist gefährdet

Die vorgenannten vier Herausforderungen machen Banken nicht überflüssig, erfordern aber, dass sich das Selbstverständnis und das Geschäftsmodell von Banken völlig verändern. Selbst wenn sich nur zwei der vorgenannten vier Punkte in die geschilderte Richtung entwickeln, stehen die derzeitigen Geschäftsmodelle in Frage. Dies trifft insbesondere auf das klassische Bankmodell zu, das – im Wesentlichen finanziert durch Zinsmarge und Provision – dem Kunden alle Bankleistungen zur Verfügung stellt und damit eine unverzichtbare Basis für die Realwirtschaft darstellt.

Die größte Überlebensfähigkeit könnte ausgerechnet derjenige Teil der Finanzwirtschaft haben, der nicht der Realwirtschaft dient, wie etwa der Hochfrequenzhandel und Teile des Investmentbanking, Hedgefonds, usw. Diese Geschäftsfelder werden durch die vier genannten Herausforderungen kaum tangiert: Sie sind unabhängig von der gesellschaftlichen Akzeptanz, aufgrund ihrer fehlenden Standortgebundenheit sehr schwer regulierbar, gerade bei einem Nullzinsniveau attraktiv und schon heute weitgehend digitalisiert. Wird somit die Dominanz der Finanzdienstleister weiter zunehmen, die nicht der Realwirtschaft dienen, sondern diese sogar fundamental gefährden?

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