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STRATEGIE26. Oktober 2015

Dr. Andreas Dombret ruft Banken zum digitalen Wandel und zur Modernisierung auf – aber mit Augenmaß

Vorstandsmitglied Dr. Andreas Dombret Frank Rumpenhorst / Bundesbank
Vorstandsmitglied Dr. Andreas Dombret
Frank Rumpenhorst / Bundesbank

Beim Bayerischen Finanzgipfel sprach Dr. Andreas Dombret (Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank) zum Thema “Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für Banken und Versicherungen” und rief eindringlich die Banken zum digitalen Wandel, zur Modernisierung und zu neuen Geschäftsmodellen auf – mit Augenmaß. Abwarten sei keine Alternative.

von Dr. Andreas Dombret

Banken können die Digitalisierung nicht länger als einen von vielen Trends abtun, deren Entwicklung man in Ruhe abwarten kann. Denn Druck entsteht nicht nur durch eine neue Erwartungshaltung bei Konsumenten und innerhalb der Branche, sondern vor allem durch neue Wettbewerber aus anderen Branchen. Man benötigt heutzutage eben kein Bankhochhaus und keine Filialen mehr, um als seriöser Finanzdienstleister wahrgenommen zu werden und seine Dienstleistungen flächendeckend anbieten zu können.

Fintechs stehen für den Angriff der “Kleinen und Schnellen”

Die große Innovationskraft der Fintechs sollten Banken neidlos anerkennen. Die Ideen sind sehr vielfältig: Kreditvermittlungsplattformen beispielsweise vermitteln Kreditsucher und Geldanleger – durch die digitale Plattform finden beide Seiten schnell und vergleichsweise günstig zueinander. PayPal, Google Wallet, ApplePay und andere bieten innovative Lösungen für den Zahlungsverkehr. Auch für die Geldanlage werden im Internet automatisierte Anlagehilfen angeboten. Ihr Wachstum ist beeindruckend: Fintechs sammeln mittlerweile weltweit pro Monat rund eine Milliarde US-Dollar an Kapital ein, und speziell in den Vereinigten Staaten finden sich viele Vorreiter.

Banken müssen einfach alarmiert sein

nicht nur angesichts einer drohenden Umverteilung der Gewinnmargen, sondern auch aus dem Wissen heraus, dass man in der schnelllebigen digitalen Welt rasch abgehängt wird, wenn man nicht rechtzeitig mit wettbewerbsfähigen Angeboten kontern kann. Um es anders zu sagen: die Bankenbranche darf sich nicht wegducken, sondern muss die Herausforderung annehmen.

Disruptiven Technologien

Und das liegt nicht nur an Fintechs und sinkenden Gewinnmargen. Eine entscheidende Bedeutung haben hierbei die sogenannten disruptiven Technologien. Disruptiv sind Technologien dann, wenn sie nicht nur einzelne Prozesse wirtschaftlicher ausführen, sondern ganze Geschäftsmodelle überflüssig machen. Als Musik in Form von kompakten Dateien über das Internet verbreitet wurde, stand eine ganze Wertschöpfungskette plötzlich im Abseits – von der Pressmaschine für CDs bis hin zum Plattenladen. Smartphones setzen gegenwärtig mit ihren hochentwickelten Linsen die Fotokameraindustrie unter Druck. Auch die Finanzindustrie muss sich mit diesen “zerstörerischen” Technologien auseinandersetzen. So können z.B. Mobile Payment-Verfahren die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen im Zahlungsverkehr angreifen.

NASDAQ setzt Blockchain bereits für einige ihrer Services ein

Eine besonders ernüchternde Wirkung für Banken wird der sogenannten “Blockchain”-Technologie zugesprochen. Durch den Einbezug des weltweiten Computernetzes ermöglicht sie, dass sämtliche Transaktionen der Finanzwelt mutmaßlich fälschungssicher, fast in Echtzeit und vor allem dezentral, d.h. potentiell ohne Wertpapierverwahrer und ohne Banken dokumentiert werden können. Jeder Mensch und jedes Unternehmen könnte also Geld, Wertpapiere oder jede andere Form von Forderung und Verbindlichkeit auf direktem Wege mit anderen Finanzakteuren abwickeln – die bestehende, aufwendige Abwicklungsinfrastruktur bei Banken, Zentralverwahrern und Zentralbanken wäre damit überflüssig. Als Lösung für das gesamte Finanzsystem wirft die Technologie also grundlegende, auch regulatorische Fragen auf. Banken forschen derweil daran, die neue Technologie unternehmensintern insbesondere für länderübergreifende Transaktionen einzusetzen.

Angesichts dieser Entwicklung ist es für Banken und Sparkassen brandgefährlich, einfach abzuwarten.

Deutsche Banken haben beim Online- und beim mobilen Zahlungsverkehr inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt und mit PayDirekt eine eigene Lösung entwickelt.

Die Digitalisierung verweist also auf den Wunsch der Kunden nach einer fairen Behandlung und Transparenz bei Bankdienstleistungen. Aber Vertrauen ist auch bei digitalen Anwendungen ein sensibles Gut: Ein Algorithmus, der bei finanziellen Entscheidungen unterstützt, muss auch tatsächlich helfen und darf den Nutzer nicht manipulieren. Die Verwendung von “Big Data”-Analysen ist nur sinnvoll, wenn dadurch nicht die Selbstverantwortung des Menschen untergraben wird. Vertrauen ist schließlich nicht programmierbar.

Ich möchte daher den Kampf zwischen innovativen, ökonomisch vielversprechenden neuen Wettbewerbern auf der einen und vermeintlich altersschwachen Banken auf der anderen Seite nicht anfachen. Im Gegenteil: Ich sehe nicht, dass das Finanzwesen vollkommen in einzelne digitale Prozesse und Dienstleistungen zerlegt werden kann. Gute Finanzdienstleistungen sind weit mehr als eine Aneinanderreihung von cleveren Algorithmen. Die Finanzwirtschaft muss eine breite Erfahrung mit der Wirtschaft und mit Finanzprodukten vorweisen und ständig aktualisieren. Und ich stimme Herrn Gerkes Feststellung zu, dass Kunden nicht für jeden Finanzservice, den sie benötigen, einen eigenen Anbieter benutzen wollen. Das begünstigt Banken, die alles aus einer Hand anbieten können. Außerdem müssen sich neue Geschäftsideen immer erst noch beweisen – statistisch gesehen scheitert ein großer Anteil neuer Ideen. Es gibt nicht das eine überlegene Geschäftsmodell des digitalen Bankings, und Fintechs stellen nicht das eine Feindbild für Banken dar: Kooperation ist genauso denkbar und wird bereits von mehreren Banken aktiv verfolgt.

Modernes Banking istein wettbewerbsfähiges Gesamtpaket zu liefern

Ich glaube gleichzeitig aber auch, dass es den Banken im Kern nicht darum gehen kann, möglichst weit vorne auf der Welle der Innovationen zu schwimmen. Stattdessen muss es ihr Interesse sein, ein wettbewerbsfähiges Gesamtpaket zu liefern.

Das setzt natürlich voraus, dass die Bankvorstände die Digitalisierung ernstnehmen. Tatsächlich aber wird die Digitalisierung meiner Meinung nach in mancher Bank und Sparkasse noch nicht einmal richtig wahrgenommen. Und dort, wo sie wahrgenommen wird, scheint es oft deutliche Reformwiderstände zu geben.

Eines muss aber klar sein: Der Wandel ist unumkehrbar und macht es erforderlich, dass Banken die Bedeutung der Digitalisierung erkennen und eine passende digitale Strategie als Antwort formulieren, um profitabel zu bleiben. In meinen Augen sollte dabei eine wichtige Rolle spielen, dass immer an die individuellen Bedürfnisse der Kunden gedacht wird und seriöse Angebote mit einem nachhaltigen Mehrwert geschaffen werden.

Total digital oder nicht: Das Finanzsystem sollten wir letzten Endes daran messen, wie gut es seine Aufgabe erfüllt, den Menschen und der Realwirtschaft zu dienen.

Ich möchte Banken und Sparkassen dringend ermutigen, die Digitalisierung mit innovativen und seriösen Angeboten mitzugestalten.

Hier ist ein Unternehmergeist erforderlich, der auf den Wandel nicht nur halbherzig und ohne Strategie reagiert, sondern ihn als Chance begreift. Banken und Sparkassen müssen sich ein Stück weit neu erfinden. Damit meine ich keine modische Fassade für alte Geschäftsideen, sondern Geschäftsmodelle, die den Bankensektor nachhaltig stabiler und widerstandsfähiger machen und die die Bedürfnisse der Kunden konsequent in den Mittelpunkt stellen.aj

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