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DIGITALISIERUNG1. Februar 2016

Drei Strategien: Zahlungs­verkehr – Türöffner für neue, erfolgreiche Geschäfts­modelle im digitalen Zeitalter

Johanna Wegner, BearingPointBearingPoint
Johanna Wegner, BearingPointBearingPoint

Die Digitalisierung ist in aller Munde. In nahezu jeder Branche weltweit spricht die Gesellschaft von Optimierung von Prozessen, Einsparung von Kosten und Erhöhung von Benutzerfreundlichkeit aufgrund der Digitalisierung. Auch in der Finanzbranche ist die Digitalisierung längst angekommen. Die Frage: Wie können Banken und Versicherer den größtmöglichen Nutzen aus der Digitalisierung ziehen?

von Johanna Wegner und
Christian Bruck, BearingPoint

Steigende Kosten wegen umsetzungsrelevanter Regulatorik. Dazu erhöhte Anforderungen an Kundensicherheit und Verbraucherschutz. Das reduziert bei Banken den Spielraum, Erträge im alltäglichen Grundgeschäft, zum Beispiel im Zahlungsverkehr, zu erzielen. Insbesondere mit der Einführung und Umsetzung der PSD (Payment Services Directive) sind Entgelte im Zahlungsverkehr rückläufig und grundsätzlich aufwandsbasiert zu erheben. Über das Thema Zinserträge (Niedrigzinsphase) wollen wir erst gar nicht sprechen.

Christian Bruck, BearingPointBearingPoint
Christian Bruck, BearingPointBearingPoint

Dennoch ist der Zahlungsverkehr, als eines der klassischen Geschäftsfelder einer Bank, für viele Marktteilnehmer heute so attraktiv wie selten zuvor und wird immer stärker als „Medium“ zur Öffnung neuer Märkte, zur Weiterentwicklung bestehender oder zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle gesehen. Woher kommt dieses verstärkte Interesse?

Zahlungsverkehr als „Datenstrom der Wirtschaft“

Neben der eigentlichen Ausführung von Zahlungen geht es immer mehr um den Zahlungsverkehr als Träger von Informationen – der Zahlungsverkehr hat sich fast unbemerkt zum infrastrukturellen „Datenstrom der Wirtschaft“ entwickelt. Die hierbei verwendeten Zahlungsverkehrsdaten, kombiniert mit weiteren Daten des Kunden aus der digitalen und realen Welt, können im Zeitalter der Digitalisierung vermehrt für die Weiterentwicklung von Produkten, Prozessen und Geschäftsmodellen relevant sein. Somit werden sowohl im Rahmen der Geschäftsanbahnung sowie während des eigentlichen Geschäftsvorgangs Informationen weitergegeben, die z.B.  für eine Produktempfehlung oder einen Produktabschluss entscheidend sein können. Heute liegen diese, mehrheitlich via Social Media-Kanälen verbreiteten, Informationen Finanzinstituten nur sehr begrenzt vor, allerdings verfügen bzw. nutzen beispielsweise ausgewählte FinTechs vermehrt diese Informationen. Die von FinTechs entwickelten Ideen liegen überwiegend an der mobilen Schnittstelle zum Kunden, in Bezug auf Zahlungsverkehr beispielsweise im Rahmen der Verwaltung von Kunden- und Kontodaten oder der Auslösung von Zahlungen. Hierbei ist allgemein festzustellen, dass eine immer engere Verzahnung von Dienstleitungsangeboten dieser FinTechs und dem klassischen Zahlungsverkehr der Payment Service Provider (PSP) wahrzunehmen ist.

Auswirkungen von PSD2 und Instant Payments

Instant-Payment-258-1610Die Verbindung dieser zwei, sehr unterschiedlichen Bereiche (teilweise rechtliche Grauzone von innovativen Social Media Diensten in Reinkultur der Digitalisierung gegenüber dem streng regulierten und standardisierten, klassischen Zahlungsverkehr) stellt die Marktteilnehmer insbesondere beim Thema Verbraucherschutz und Sicherheit vor große Herausforderungen. Eine grundlegende Basis für die Zusammenarbeit von Banken, PSPs, Händlern und FinTechs bildet die PSD2. Sie definiert die rechtlichen Grundlagen für die Zahlungsverkehrsteilnehmer im Markt neu. Die Überarbeitung der 2009 eingeführten PSD wird schlussendlich dazu führen, dass neben den Kreditinstituten auch zukünftig dritte Zahlungsdiensteanbieter (z.B. FinTechs bzw. die sog. TPPs – Third Party Provider) unter den Anwendungsbereich fallen. Unabhängig von möglichen Zusammenarbeitsmodellen ist es dringend erforderlich, auch weiterhin die Daten des Kunden gegenüber kriminellen Handlungen zu schützen. Sowohl die Stärkung des Verbraucherschutzes als auch die verstärkte Kundenauthentifizierung sind insofern folgerichtig Anforderungen, die gemäß der PSD2 umgesetzt werden müssen. Insbesondere die bereits von einigen Unternehmen angebotenen Dienstleistungen wie Kontoabruf oder Zahlungsauslösedienste fallen nunmehr unter den rechtlich abgesicherten Rahmen der PSD2.

Zur Realisierung innovativer Ideen im digitalen Zahlungsverkehrs-Zeitalter verbunden mit dem Versuch, den wachsenden Ansprüchen der Gesellschaft nach Schnelligkeit und sofortiger Verfügbarkeit gerecht zu werden, kann Instant Payments eine wichtige Grundlage bilden und die bereits zur Verfügung stehende Zahlungsverkehrsinfrastruktur noch attraktiver gestalten. Ziel von Instant Payments ist es, Zahlungen in nahezu Echtzeit innerhalb von wenigen Sekunden abzuwickeln und die Finalität sowie sofortige Verfügbarkeit zu gewährleisten. Somit soll zukünftig sichergestellt werden, dass die Zahlungsabwicklung zeitgleich mit der Erfüllung des Grundgeschäfts erfolgen wird. Dadurch werden im Zeitalter der Digitalisierung weitere Geschäftsmöglichkeiten für alle Marktteilnehmer eröffnet.

Warum sollte es in Kürze nicht möglich sein, …

hadrian/bigstock.com
hadrian/bigstock.com

… dass zum Beispiel ein Bahn-Kunde sein Wunschmenü von der Food-Kette seiner Wahl am nächsten Bahnhof direkt an die definierte Waggontür geliefert bekommt (Erkennen aufgrund vorherigen Fotoabgleichs leicht gemacht), der Kunde sofort instant per Mobiltelefon bezahlt und die bestellte Ware übernimmt. An diesem einfachen Beispiel – es werden hunderte folgen – ist schön ersichtlich, dass die sofortige Abwicklung des Zahlungsverkehrs in Verbindung mit Kunden- und ggf. Kontoinformationen im Social-Media-Bereich neue Geschäftsmodelle ermöglichen wird.

Strategische Positionierung

Der Zahlungsverkehr birgt somit viel Potenzial für neue Geschäftsideen im Rahmen der Digitalisierung, die zukünftig immer stärker vom Kundenverhalten geprägt sein wird. Als direkter Anwender neuer Produkte und Dienstleistungen wird der Kunde durch seine Nutzung oder Ablehnung des Angebots stets als Indikator für Weiterentwicklung oder Investitionsstopp gesehen werden.

Es ist davon auszugehen, dass der Kunde auch in Zukunft primär Wert auf Zeitersparnis, geringe Kosten, sofortige Verfügbarkeit, Reduzierung des Aufwands, Steigerung von Qualität aber insbesondere die Entfernung von für ihn störenden Faktoren legen wird. Erlebte und artikulierte Störeffekte sind die beste Basis für Produktinnovationen!

Wie können die Marktteilnehmer im Zahlungsverkehr diesen Anforderungen erfolgreich gerecht werden? Bringen FinTechs die Wende und wie könnten zukünftige Zusammenarbeitsmodelle aussehen? Hierbei sind verschiedene Strategien denkbar, die miteinander kombinierbar sind.

Strategie 1: Innovation

Den im Markt Beteiligten steht es offen, als Innovator in den digitalen Wandel einzusteigen und sich beispielsweise durch den Aufbau eigener innovativer Ideen, die schnell im Markt platziert werden können, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Marktteilnehmern zu verschaffen. Für alle Marktteilnehmer spielt hier beispielsweise die rasche Umsetzung von Instant Payments eine große Rolle. Eine zeitnahe Realisierung dieses Produktes wird sie einen großen Schritt voran in Richtung weitere digitale Transformation bringen. Banken kennen ihre Kunden (Know-Your-Customer) sehr gut und könnten diese Informationen mit Zustimmung des Kunden für die Entwicklung innovativer Geschäftsideen gezielt und zum Nutzen des Endkunden einbringen. Banken werden so beispielsweise ihre bisherigen Geschäftsmodelle ausweiten und neue Wege zur Erzielung von Erträgen einschlagen können.

Strategie 2: Kooperation

Eine Kooperation zwischen den Beteiligten bietet die Möglichkeit, die Vorteile mehrerer Seiten zu nutzen. FinTechs profitieren von dem bereits gefestigten Kundenstamm der Banken und diese wiederum können sich die etablierten Social-Media-Mechanismen der FinTechs für eine Weiterentwicklung von Produkten zu Nutze machen. Möglich wäre hier beispielsweise die Entwicklung weg von statischen Produkten hin zu dynamischen Mehrwertdiensten im Sinne von „Paid Content“ (Bepreisung nach Umfang und Nutzen). Diese Zusammenarbeit kann Kunden den Eindruck vermitteln, sowohl einen vertrauenswürdigen, erfahrenen und etablierten als auch dynamischeren, flexibleren und moderneren Partner an ihrer Seite zu haben. Darüber hinaus können dem Kunden im Rahmen solcher Kooperationen Produkte angeboten werden, welche individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnitten und direkt oder indirekt über seine Hausbank verfügbar sind.

Strategie 3: Konservativ

Als dritte Variante können Marktteilnehmer auch eine konservative Strategie wählen. Hierbei geht es in erster Linie um die reine Umsetzung der Regulatorik mit dem grundsätzlichen Ziel, in der digitalen Welt zu bestehen. Wer diesen Weg wählt, wird davon absehen, aktiv mit neuen Produkten und innovativen Ideen in den Markt einzutreten. Er übernimmt eine abwartende Rolle und wird den Markt beobachten.

Digitalisierung im Zahlungsverkehr – And the winner is?

Am Ende stellt sich die Frage, wer die Digitalisierung im Zahlungsverkehr nutzt, um erfolgreiche Geschäftsmodelle zu etablieren. Sehr wahrscheinlich wird der Endkunde von den aktuellen Regulierungen und technischen Weiterentwicklungen im Zahlungsverkehr profitieren. Welche Rolle werden Banken, PSPs, FinTechs, Mobilfunkunternehmen und Händler zukünftig einnehmen? Die Antwort ist offen und es können nur alle am Zahlungsverkehrsmarkt aktiv Beteiligten, Verantwortlichen und Interessierten dazu aufgerufen werden, diese Entwicklung nicht zu bagatellisieren oder gar zu ignorieren. Dafür ist der abzusehende Wandel zu massiv. Es gibt in Zukunft große Marktanteile zu gewinnen, aber auch ebensolche zu verlieren.

Die Entscheidung darüber, wer am Ende erfolgreich sein wird, trifft ganz alleine der Kunde – durch sein „like ;-)“.aj

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