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STRATEGIE1. Februar 2022

“Sollte EPI nicht kommen, muss die girocard einen eigenen Innovationspfad finden” – Oliver Hommel, Euro Kartensysteme

Oliver Hommel ist ausgewiesener Payment- und Open Banking-Experte und seit Dezember neuer Chef der Euro Kartensysteme (Website) – und damit Chef der kartengestützten Zahlungssysteme des deutschen Kreditgewerbes (DK), wie der girocard. Im Interview mit Rudolf Linsenbarth.

Oliver Hommel, Euro Kartensysteme - der Chef der girocard
Euro Kartensysteme
Herr Hommel, bitte erzählen Sie doch unseren Lesern, was macht die Euro Kartensysteme? 

Die Euro Kartensysteme ist ein Gemeinschaftsunternehmen des deutschen Kreditgewerbes. Dabei übernehmen wir als neutrale Stelle Aufgaben im Bereich der kartengestützten Zahlungssysteme im Sinne der deutschen Banken und Sparkassen. Das wichtigste Aufgabengebiet sind die verschiedenen Leistungen, die wir im Rahmen des girocard-Systems erbringen. Hier sind wir u. a. schon lange für die Dachmarkenwerbung und die PR zuständig. Zudem fördern wir die Kartensicherheit durch Aufklärung und Vernetzung, betreiben Schadensprävention. Außerdem übernehmen wir im Auftrag der Deutschen Kreditwirtschaft die Abwicklung von Schäden für das girocard-System aus Verfügungen mit ge- oder verfälschten Debitkarten über den sogenannten Basis-Pool für die Schadenserstattung. Zudem verwalten wir seit 2010 die optionalen Co-Branding-Schadenspools.

Seit 2016 kommt noch das Geschäftsfeld Business Development girocard hinzu. Das heißt wir unterstützen die Deutsche Kreditwirtschaft bei der Weiterentwicklung der girocard und kümmern uns um die Kontakte in Richtung Handel und Netzbetreiber.”

Darüber hinaus sind wir Lizenznehmer von Mastercard und können Sub-Lizenzen vergeben. Auf diese Weise ermöglichen wir Kreditinstituten, Mastercard-Zahlungsinstrumente zu emittieren und/oder Transaktionen zu akquirieren.

Welche Aufgaben reizen Sie besonders, hier als Geschäftsführer zu arbeiten?

Ich selber habe eine lange berufliche Historie im Zahlungsverkehr, besonders im Bereich Kartenzahlungen. Durch meine früheren Tätigkeiten, sowohl im genossenschaftlichen Bereich als auch bei den Sparkassen, kenne ich die girocard als wichtigste Kartenzahlungslösung im deutschen Markt und auch das Unternehmen Euro Kartensysteme gut. Mit meiner Beratererfahrung der letzten Jahre kann ich aber auch ein paar spannende Anstöße zur Fortentwicklung von außen mit einbringen. Von daher ist Euro Kartensysteme für mich ein extrem spannendes Unternehmen, für das ich gerne die Verantwortung übernehme. Ich freue mich sehr darauf, das Unternehmen in den kommenden Jahren zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterzuentwickeln.

Beim Thema Business Development girocard muss ich mal auf eine aktuelle Meldung über die GeldKarte respektive girogo kommen. Kürzlich wurde die Einstellung der beiden Produkte bis 2024 vermeldet. Kommt das nicht ein wenig spät? Im Prinzip haben doch schon alle Banken die beiden Produkte vor Jahren aus dem Portfolio genommen.

Richtig ist, dass die Zahlen für diese Produkte immer weiter zurückgegangen sind. Daher ist das jetzt nur die formale Kommunikation zur Realität. Damit wird für alle das Thema zu einem Abschluss gebracht und es gibt jetzt Planungssicherheit.

Mit der GeldKarte ist auch das Thema Altersverifikation, bspw. an Zigarettenautomaten verbunden. Das Altersmerkmal ist im Chip der Karte hinterlegt und bislang war die prüfende Gegenstelle in der Händlerkarte des GeldKarte-Systems verankert.

Allerdings arbeiten wir zusammen mit der DK ja auch zeitnah schon an einem neuen und flexibleren Altersverifikationssystem im Rahmen des girocard-Systems. Welches dann auch mit den neuen digitalen girocards im Smartphone funktioniert.”

Schauen wir jetzt auf den europäischen Kartenmarkt, von EPI der Europäischen Zahlungsinitiative gibt es unterschiedliche Signale. Aber falls EPI wirklich kommen sollte, hat die girocard dann eigentlich noch eine Zukunft und wird die Euro Kartensysteme dann noch gebraucht? Oder gehen Sie davon aus, dass EPI, wie jetzt zu hören ist, doch scheitert?

Oliver Hommel, Euro Kartensysteme
Oliver Hommel ist aus­ge­wie­se­ner Pay­ment- und Open-Ban­king-Ex­per­te und ver­fügt über mehr als 20 Jah­re Er­fah­rung in di­ver­sen Be­rei­chen des Zah­lungs­ver­kehrs. Im An­schluss an sein Stu­di­um der Volks­wirt­schafts­leh­re an der Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät Bonn star­te­te er sei­ne Kar­rie­re be­reits im Zah­lungs­ver­kehr: Beim Bun­des­ver­band der Deut­schen Volks­ban­ken und Raiff­ei­sen­ban­ken e.V. war er un­ter an­de­rem als Grup­pen­lei­ter De­bit- und Chip­kar­ten tä­tig. Wei­ter­hin be­fass­te sich Oli­ver Hom­mel wäh­rend sei­ner Zeit beim Deut­schen Spar­kas­sen- und Gi­ro­ver­band e.V. mit ge­schäfts­stra­te­gi­schen The­men in den Be­rei­chen Kar­ten­zah­lung und Di­gi­tal Pay­ments und ver­ant­wor­te­te auch das Li­zenz­ma­nage­ment.

Als Vice Chair­man, Board of Di­rec­tors der Eu­ro Al­li­an­ce of Pay­ment Sche­mes s.c.r.l. in Brüs­sel ver­trat er die In­ter­es­sen der Deut­schen Kre­dit­wirt­schaft in zahl­rei­chen na­tio­na­len und in­ter­na­tio­na­len Gre­mi­en. Vor sei­nem Ein­tritt bei Eu­ro Kar­ten­sys­te­me war er als Di­rek­tor Pay­ments bei der Ac­cen­ture, Kron­berg i. Tau­nus, tä­tig. Seit dem 1. De­zem­ber 2021 ist Oli­ver Hom­mel Mit­glied der Ge­schäfts­füh­rung der Eu­ro Kartensysteme.

Ob EPI kommt oder nicht, kann ich schwer sagen, da wir als Euro Kartensysteme hier nicht unmittelbar in die Gespräche eingebunden sind. Was allgemein erkannt worden ist: Um im Kartengeschäft relevant zu bleiben, muss man Innovationen vorantreiben.

Ich sehe EPI als einen Migrationspfad für die nationalen Kartensysteme und gemeinsames Innovationsprojekt. Sollte EPI nicht kommen, muss die girocard einen eigenen Innovationspfad finden.”

Wenn EPI kommt, hängt aber die Daseinsberechtigung einer Euro Kartensysteme nicht allein am girocard-System, im Gegenteil: Es käme zu unseren vier Geschäftsbereichen noch ein fünfter hinzu. Wir unterstützen an den unterschiedlichsten Stellen und helfen den Blick nach vorne zu richten …

– außerdem haben wir das Euro ja schon im Namen.”

Hilft der NEXO Standard bei der Weiterentwicklung und macht er EPI eventuell überflüssig?

Der NEXO Standard ist unabhängig von EPI auf jeden Fall essentiell. Hier geht es um technische Standardisierung.”

Und eine standardisierte Infrastruktur in ganz Europa ist billiger und effizienter. Deshalb ist Deutschland hier schon länger sehr aktiv. Die DK und wir als Euro Kartensysteme unterstützen NEXO vollumfänglich und sehen darin den gesetzten Standard für alle Kartenzahlungsverfahren!

Sie sagten Innovationen sind für einen Kartenzahlungsverfahren essentiell. Warum tut sich die girocard in der Weiterentwicklung so schwer? Warum unterstützt die girocard zum Beispiel immer noch nicht so einfache Dinge wie ein Becherpfand im Fußballstadion? Bei Mastercard und VISA ist so etwas schon seit Jahren ein Feature.

Sie sprechen hier eine echte Nischenanwendung an. Solche Services werden bei Mastercard und VISA zentral gebaut und können dann für jede Spezialanwendung adaptiert werden. Sicherlich müssen wir schauen, welche neuen Funktionen in Zukunft für die girocard Sinn machen – auch welche Defizite wir gegenüber anderen Anbietern noch aufzuholen haben.

Hierbei aber von einem generellen Innovationsdefizit der girocard zu sprechen, halte ich für falsch. Im Bereich Sicherheit war girocard weltweit führend bei der Einführung der Chip-Technologie.

Das ganze Thema kontaktlos wurde in Deutschland erst durch die girocard richtig befeuert. Was die Sparkassen mit der girocard bei Apple Pay gemacht haben, muss sich nicht verstecken.”

Wir haben im girocard-System eine Altersverifikation. Welche Zahlkarte auf dem deutschen Markt kann das noch?

Wie sieht es eigentlich mit dem Online Payment für die girocard aus? Kommt da noch was außerhalb von Apple Pay, oder will man das gar nicht, wegen der konkurrierenden Verfahren bei #DK?

Daran arbeiten wir mit der DK und ich bin zuversichtlich, dass wir dazu dieses Jahr etwas vorstellen werden. Grundlage dafür ist die digitale girocard im Smartphone. Wir befinden uns dabei übrigens nicht im Wettbewerb mit „giropay “, sondern entwickeln dieses Geschäftsfeld gemeinsam mit unserem Schwesterunternehmen.

Verdienen die Banken nicht mit anderen Kartenprodukten mehr Geld und können sich die Produktentwicklung gleichzeitig ersparen?

Mit der girocard lässt sich mehr Geld verdienen als mit den Kartenprodukten der Wettbewerber.”

Das klingt zwar auf den ersten Blick paradox. Die Händlerentgelte sind zwar durchschnittlich niedriger als in anderen Systemen. Andererseits sind die Abwicklungskosten noch viel niedriger, so dass unter dem Strich mehr Ertrag pro Transaktion für die Institute verbleibt. Über diese Kosteneffizienz haben wir es geschafft, ein System zu schaffen, von dem die teilnehmenden Institute und der Handel gleichermaßen profitieren.

Zudem bietet das girocard-System den Banken und Sparkassen die Chance, auch über die Zahlungsverkehrsabwicklung für die Händler zusätzlich an der Wertschöpfung zu partizipieren – etwas was bei Mastercard und VISA so nicht möglich ist.

Es gibt aber einen Punkt, wo wir aus Sicht der girocard nachsteuern müssen.

Mastercard und VISA bieten den Instituten Differenzierungsmöglichkeiten durch optionale Funktionalitäten, das muss die girocard oder ein europäischer Nachfolger in Zukunft auch liefern.”

Haben die Privatbanken die girocard nicht schon längst abgehakt?

Das wird in den Medien immer so kolportiert. Ich kenne aber kein Institut, das bisher die girocard abgeschafft hat.”

Mit der girocard haben wir in Deutschland ein starkes, eigenes Zahlungssystem, das genau auf den Markt hierzulande abgestimmt ist. Zwischen der Deutschen Kreditwirtschaft und dem Handel besteht darüber hinaus ein gewachsener, vertrauensvoller Umgang. Das wissen natürlich auch die Institute. Klar ist, dass gerade ausländische Mutterunternehmen möglicherweise eine andere Agenda haben. Hier geht es oft um eine Vereinheitlichung der eigenen Systeme und hat nichts mit einer bewussten Abkehr von girocard zu tun. Oft ist das auch ein Marketing-Thema.

Die Fragen stellte Rudolf Linsenbarth
Rudolf LinsenbarthRudolf Linsenbarth be­schäf­tigt sich mit Mobile Payment, NFC, Kundenbindung und digitaler Identität. Er ist seit über 15 Jahren in den Bereichen Banken, Consulting, IT und Handel tätig. Lin­sen­barth ist profilierter Fachautor und Praktiker im Finanzbereich und kommentiert bei Twitter (@holimuk) die aktuellen Entwicklungen. Alle Beiträge schreibt Linsenbarth im eigenen Namen.
Auch die Geno Banken stehen derzeit bei der girocard ein wenig auf der Bremse. Keine Integration in Apple Pay und noch kein veröffentlichtes Konzept für ein CoBadge nach dem Ende von Maestro und VPay.

Das nehme ich so nicht wahr. Für die Genossenschaftsbanken ist die girocard ein zentrales Instrument des Zahlungsverkehrs.

Die Nicht-Integration in Apple Pay hat eher andere Gründe und nichts mit einem mangelnden Commitment für die girocard zu tun.”

Beim CoBadge kann ich mir gut vorstellen, dass man sich für eine Lösung ähnlich wie bei den Sparkassen entscheiden wird und damit die girocard eine wesentliche Ankerfunktion im Kartengeschäft bleiben wird.

Wie sehen Sie das CoBadge insgesamt, ist das notwendig oder kann das weg?

Ich denke das ist Produktpolitik der einzelnen Institute. Ob man da jetzt Funktionen auf zwei Karten verteilt oder bündelt, entscheidet jede Bank selbst.

Wie werden Instant Payment und ein digitaler Euro (CBDC) den Kartenzahlungsmarkt verändern?

Langfristig werden beide Themen Auswirkungen auf den Kartenmarkt haben. Instant Payment ist zum einen als Abwicklungstechnologie im Gespräch. Möglicherweise kommt es aber auch als Verknüpfung mit einem Zahlungsauslösedienst für P2P, oder im E-Commerce zum Tragen. So etwas kann dann in einem zweiten Schritt auch an den POS kommen. Erfolgreiche Beispiele dafür gibt es schon in anderen Ländern. Das muss man sich auch aus Sicht der deutschen Kreditwirtschaft noch einmal genau ansehen.

Bei CBDC kommt es sehr auf die Einführung an. Welche Technologie und welche Anwendungsfälle. Das ist jedoch eine längerfristige Entwicklung.

Ich glaube aber, dass auch eine tokenisierte Währung am Ende des Tages über Karten und vor allem Smartphones abgewickelt wird.”

Ich sehe aber noch nirgendwo auf der Welt den dringenden Bedarf für eine CBDC im Massenzahlungsverkehr. Die Vorteile einer digitalen Zentralbankwährung liegen vermutlich zunächst im Wholesale- und Kapitalmarktbereich. Aus Sicht der Kreditwirtschaft ist es wichtig, sich hier rechtzeitig zu positionieren und CBDC auch durch Strukturen für digitales Giralgeld zu ergänzen.

Abschließend die Frage, wird es die girocard in 10 Jahren noch geben?

Ja, die girocard wird es in 10 Jahren noch geben!”

Herr Hommel, vielen Dank für das Gespräch!Rudolf Linsenbarth

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