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ARCHIV17. November 2020

Banco Santander übernimmt Technologie und Geschäftsbetrieb von Wirecard

Wirecard

Die spanische Santander-Bank übernimmt die Technologieplattform und den Geschäftsbetrieb des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard. Das Unternehmen kann damit seine Stellung im Payment-Markt verbessern und sein Deutschland-Geschäft ausbauen. Die Mitarbeiter können dabei weiterbeschäftigt bleiben und der Standort Aschheim soll erhalten bleiben.

In den Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wirecard AG, die Wirecard Technologies GmbH und weiterer Gesellschaften des Wirecard-Konzerns ist der europäische Kernbereich nach einem intensiven Investorenprozess verkauft worden. Dabei wird die Banco Santander die Technologieplattform des Zahlungsdienstleisters in Europa sowie alle dafür notwendigen Vermögenswerte übernehmen. Das teilte heute der Insolvenzverwalter der Wirecard mit.

Gleichzeitig werde der Großteil aller verbliebenen Wirecard-Mitarbeiter im Geschäftsbereich Acquiring & Issuing als Teil des globalen Händlerservice-Teams von Santander erhalten. Dies gelte im Übrigen auch für die Mehrzahl der Mitarbeiter der Wirecard Bank AG, die nach Vollzug der Transaktion in enger Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden geordnet heruntergefahren werden soll. Die Rede ist von rund 500 Mitarbeitern, eine weitere wohl zweistellige Zahl soll dagegen an der Abwicklung mitwirken. 

Keine Angaben wurden, wie in solchen Fällen nicht unüblich, über den Kaufpreis gemacht. Branchenexperten sprechen hier aber von rund 100 Millionen Euro, die realistisch seien. Verglichen mit den alleine strittigen und bislang fehlenden 1,9 Milliarden Euro aus den Asiengeschäften des Konzerns ist das nur ein schwacher Trost für die Gläubiger.

Wirecard-Mitarbeiter können bleiben – wenn sie das wollen

Noch steht die Transaktion unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Genehmigung und bestimmter anderer Bedingungen, man gehe aber davon aus, dass die Genehmigung bis spätestens Jahresende erteilt werde. So lange wollen Wirecard und Santander zusammenarbeiten, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.

Für den Insolvenzverwalter dürften die letzten drei Monate keine leichte Zeit gewesen sein, denn immer wieder kamen neue Skandal-Meldungen über Geschehnisse in der Vergangenheit hoch – für das Finden neuer Investoren und zur Vertrauensbildung somit keine gute Voraussetzung.

Besonders erfreulich ist, dass das Ergebnis den Mitarbeitern wieder eine positive Perspektive bietet. Damit haben wir unser Ziel erreicht, eine bestmögliche Lösung für die Mitarbeiter und die Gläubiger zu finden.

Dr. jur. Michael Jaffé, Insolvenzverwalter

Durch den Erwerb des Acquiring- und Issuing-Geschäfts von Wirecard kann die Santander ihre Wachstumspläne auf dem Gebiet der Zahlungsdienstleistungen und des damit verbundenen Händlergeschäfts in Europa beschleunigen und ihre Position hier stärken – und sie hat insbesondere ihre Stellung auf dem deutschen Banken- und Paymentmarkt verbessert. Insofern ist der Schritt ein geschicktes Investment – noch dazu, weil die Reste des Wirecard-Konzerns gut ins Portfolio passen.

Der Großteil der noch verbliebenen Wirecard-Mitarbeiter und die Technologieplattform sollen damit ein Teil des globalen Händlerservice-Teams von Santander und künftig unter der Dachmarke Getnet geführt werden. Mit der Übernahme beschleunigt Getnet seine Expansion und erweitert die Kapazitäten im E-Commerce und im multinationalen Handelsservice sowie bei anderen Zahlungsdiensten in Europa.

Einige Wirecard-Landesgesellschaften sind noch übrig

Mit dem Verkauf des Kernbereichs von Wirecard ist in für solche Prozesse erstaunlich kurzer Zeit das Insolvenzverfahren für die wesentlichen laufenden Geschäftsbetriebe abgeschlossen. Insolvenzverwalter Dr. Michael Jaffé hatte zuvor bereits die eigenständigen Tochtergesellschaften in Brasilien, Rumänien und Nordamerika erfolgreich veräußern können. Die Erlöse kommen jeweils den Gläubigern zugute. Offen sind dagegen noch weitere Investorenprozesse für einige Tochtergesellschaften unter anderem in Asien, Südafrika und der Türkei. Auch hier rechne man zeitnah mit Ergebnissen, heißt es.

All das ermöglicht zwar, dass ein Teil des Geldes gerettet wird, aber es dürfte nur ein erschreckend geringer Betrag werden, auf den die Gläubiger hier hoffen können. Dass Jaffé gerade jetzt die Sache unter Dach und Fach gebracht hat, ist aus seiner Sicht auch deswegen ein Erfolg, weil für Mittwoch die erste Gläubigerversammlung bei Wirecard auf dem Plan steht. Hier bereits konkrete Erfolge vorweisen zu können, dürfte die Gesprächsatmosphäre beruhigen, auch wenn von den Milliarden, die in den Büchern der Wirecard zu finden waren, nur wenig übrig sein wird.tw

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