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STRATEGIE20. Dezember 2021

BanksApi übernimmt Finhome: “Open Banking alleine liefert keine ausreichende Wertschöpfung mehr“

Müssen sich Open Banking Provider neu erfinden? In München ist man dieser Meinung – und verschmilzt den PFM-Anbieter Finhome auf Open-Banking-Dienstleister BanksApi. Das Ziel: Jagd nach Mehrwerten für FinTechs, Banken und Endkunden. Wir haben Felix Baaken (CEO BanksApi) und Reinhard Tahedl (CEO des Mutterkonzerns Finconomy) zur Strategie und Zukunftsvisionen befragt.

Herr Baaken, Herr Tahedl, Sie verkünden heute mit der BanksApi (Website) die Übernahme der finhome (Website). Was sind die Gründe, einen White-Label-PFM-Anbieter in einen Backend/API-Anbieter zu verschmelzen? Das sind doch zwei ganz unterschiedliche Dinge.

Felix Baaken, CEO BanksApi
BanksAPI

Baaken: Inzwischen sind Open-Banking-Usecases im Mainstream angekommen. Viele extrem conversion-kritische Prozesse wie im Lending und Identity basieren inzwischen auf Open Banking, ganz zu schweigen vom Payment, was ja damals sogar den Startschuss der PSD2-Zahlungsdiensterichtlinie gab. Für all diese Usecases sind reibungslose Frontends und Schnittstellen zum Endkunden notwendig –insbesondere für unsere Vision, mit Innovationen und Transparenz die finanzielle Gesundheit der Gesellschaft zu verbessern.

Tahedl: Wir glauben an die langfristige Zukunft von Open Banking und haben deshalb gleich zwei Ventures im Geschäftsfeld Open Finance an den Start gebracht. Nicht ohne Grund haben wir uns insofern Anfang 2019 entschlossen, Unternehmen mit den White-Label-Financial Home-Lösungen der finhome zu helfen, deren Endkunden einen ganzheitlichen Überblick über sämtliche Financial Services zu geben sowie die eigene Kundenschnittstelle zu sichern.

Die finhome ist seit dieser Zeit optional als digitales Frontend für BanksApi-Mandanten wie Versicherungen, Allfinanzvertriebe und Vermögensverwalter im Einsatz und nutzt die Open-Banking-Plattform samt Data Analytics.”

Mit der Transaktion erzielen wir nun Synergiepotenziale und bringen zusammen, was zusammen gehört.

Im Kern sprechen Sie gerade das Besetzens der Kundenschnittstelle an: Gehen Sie davon aus, dass die Banken nach dem Bedeutungsverlust der Filialen nun möglicherweise durch XS2A auch noch den digitalen Zugang zu den Kunden verlieren könnten?

Reinhard Tahedl, CEO Finconomy - der BanksApi-Mutterunternehmen
Reinhard Tahedl, CEO FinconomyFinconomy AG

Tahedl: So weit würde ich nicht gehen, aber der Wettbewerb um die digitale Kundenschnittstelle tobt schon seit Jahren. Man muss den Kreis auch weiter ziehen als nur XS2A, also alleine die PSD2-Schnittstellen rein für Zahlungskonten, zu betrachten. Für uns war schon immer ein ganzheitlicher Blick auf die finanzielle Situation des Nutzers essentiell, und das schließt z.B. auch Depots und Kreditkarten mit ein. Daraus lassen sich nämlich noch ganz andere Schlüsse ziehen als nur aus den Zahlungskonten.

Baaken: Das ist sogar eine notwendige Bedingung für die Erfüllung unserer Vision. Sehen Sie, ich komme aus dem “Value-Add“-Bereich. Meine erste Firma habe ich im Loyalty-Bereich gegründet, im Payment-Kontext schlussendlich weiter Value-Added Services an den Markt gebracht. Vor der BanksApi habe ich Datenprodukte auf Basis von Transaktionsdaten entwickelt, Predictive Analytics für strategisches und angewandtes Marketing.

Es ist kein Geheimnis, dass reines Open Banking mittelfristig vermutlich keine ausreichende Wertschöpfung mehr darstellen wird.”

Wir entwickeln unsere Produktlandschaft gerade weiter zu einem One-Stop-Shop für vielfältige Onboarding-, CRM- und Marketing-Usecases auf Basis von Open Banking. Wir bieten die Tools der „Großen“ für alle an, ohne dass unsere Mandanten eigenes Entwicklungsbudget mitbringen müssten – z.B. „Next-Best-Customer“: Konkrete CSV-Listen von Kunden, die aufgrund ihrer Lebens- und Finanzsituation für ein gegebenes Produkt eine hohe „Propensity to Buy” (also in Prozent ausgedrückte Kaufbereitschaft) aufweisen, weil sie z.B. ähnlich leben wie Kunden, die dieses Produkt schon haben. Das macht die Kundenansprache erheblich effizienter, bis zum berühmten „Segment of One”.

Aber für die Ansprache, ob automatisiert oder mit Human-in-the-Loop, benötigen wir letztendlich eine Endkundenschnittstelle. Und diese kann im einfachen Fall eben eine finhome-Komponente sein.”

Beinhaltet das auch die Verschmelzung auch Datenbanken und Infrastruktur? Wie werden die Systeme künftig miteinander verbunden sein?

Baaken: Wir arbeiten in den beiden Ventures schon immer wahnsinnig eng zusammen. Für uns war das in gewisser Weise ja auch “Dogfooding”, direktes Feedback zu unserer Schnittstelle von Developern innerhalb der Gruppe.

Daher sind die Systeme sowieso schon verknüpft. Außerdem setzen wir auf Microservices statt auf monolithische Infrastruktur, und die kommunizieren auch intern schon über REST-Interfaces.”

Also wird sich nur die Anzahl der Services erhöhen, es muss aber nichts Grundlegendes an der Infrastruktur geändert werden. Letztendlich hat ja finhome die gleichen APIs angesprochen wie unsere sonstigen Mandanten, inklusive der meisten unserer KI-Angebote zu Predictive Customer Analytics.

Sie besitzen nun die Backend-Schnittstelle – und damit Kontodaten, das Frontend, eine Bancassurance-Lösung plus die KI-Interpretation des Ganzen. Fehlt eigentlich nur noch, dass Sie auch das kontoführende Institut werden. Was haben Sie mit dem 360-Grad-Blick auf den Kunden vor?

Felix Baaken, BanksApi
Felix Baaken ist CEO und Co-Founder des Open-Banking-Dienstleisters BanksApi. Vor seinem Eintritt in das Unternehmen hatte Baaken als Head of Data Products KI-gestützte Mehrwertprodukte für strategisches Marketing bei einem internationalen Zahlungsdienstleister aufgebaut. Davor gründete Baaken mit der Contigua sein eigenes Unternehmen, das sich mit der Kundenbindungslösung „10stamps“ etabliert hatte.

Baaken: Zunächst einmal gilt immer: Der Nutzer sitzt immer im Fahrersitz, ganz besonders im Open Finance. Gerade in Deutschland wie inzwischen in ganz Europa haben wir durch die rigorose Ausgestaltung der DSGVO einen erheblichen Wettbewerbsvorteil – strenger Datenschutz schafft Vertrauen!

Schlussendlich gewährt schließlich nur der Nutzer selbst Einblick in seine Kontodaten mittels Eingabe der Zugangsdaten, im Banking sogar bestätigt von einem zweiten Faktor.

Das wird er [der Endkunde; Anm. d. Red.] aber nur tun, wenn er sich einen ausreichenden Mehrwert von der Anwendung verspricht.”

Ich ziehe gern den Vergleich mit Google Maps: Google weiß, wo ich wohne, wo ich arbeite, wo ich einkaufe. Aber ich nehme das in Kauf, weil Google Maps mir das wichtigste zurück gibt: Lebenszeit, die ich im Verkehr spare. Die Analogie lässt sich hervorragend in Open Banking übersetzen: Zahlungsmethoden werden nicht durch ihre Existenz erfolgreich, sondern weil sie einen Mehrwert bieten, z.B. Ratenzahlung, Treuhandfunktionen oder schnellere Abwicklung. Und auch die “Financial Homes” unserer Mandanten sind nur deshalb erfolgreich, weil sie konkrete Mehrwerte bieten.

Unser Ziel ist es, die Transparenz für den Endnutzer ganzheitlich zu erhöhen. Dazu arbeiten wir z. B. gerade an ESG-Produkten, die das Führen eines nachhaltigen Lebensstils vereinfachen. Wissen Sie z. B., welche Ihrer Einkäufe und vor allem die Firmen, bei denen Sie einkaufen, besonders nachhaltig sind, und welche noch Defizite haben?

Finconomy AG

Tahedl: Es war aus unserer Sicht außerordentlich bedeutend, die wichtigste strategische Säule der BanksApi weiter zu stärken – die Actionable Insights, die wir mittels Data-Science-Lösungen generieren.

Um diesen Datenschatz für Endkunden zu heben muss man heute dank der offenen Schnittstellen keine eigenen Konten mehr führen.”

Sie sind vor allem bekannt als Open-Banking-Dienstleister für Versicherungen und Vermögensverwalter, Unternehmen, die nicht immer berühmt sind für ihre Innovationsfreude. Haben Sie da den Anschluss an andere Branchen verpasst?

Baaken: Das kann ich nicht bestätigen, unsere Pipeline ist gut gefüllt.

Früher haben wir mit den Innovationsabteilungen gesprochen, heute mit den Fachabteilungen – Open Finance kommt auch in diesen Branchen im Mainstream an.”

Tatsächlich sind wir aber nach dem durch die Finconomy fazilitierten logischen Start im Bereich der Versicherer und Wealth Manager, auf hohes Interesse auch aus anderen Branchen gestoßen – logisch!

Der Umstand, dass ich meinen Job gewechselt habe, eine Hochzeit plane oder ein Kind bekomme, ist nicht nur für Versicherungen interessant, sondern spielt in vielen Use Cases eine Rolle, so z. B. auch im Lending, weil eben eine Partnerschaft und Kinder die Bonität beeinflussen. Hier können wir sogar erheblich mehr Datenpunkte anbieten als die traditionellen Marktteilnehmer – bis hin zur Branche des Arbeitgebers, Erkennung des Zinssatzes bestehender Kredit, Risiko meines Investment-Depots, sprich eine ideale Lösung für das Angebot von Ablösekrediten, auch als Antwort auf das oft misstrauisch beäugte rasante Wachstum von Buy-Now-Pay-Later-Krediten. Ein Use Case, den wir in Zukunft wohl häufiger sehen werden.

Herr Baaken, Sie sind seit zwei Monaten CEO der BanksApi – was haben sie bis jetzt erreicht? Und wo steht BanksApi in drei Jahren?

Baaken: Mit dem Merger der finhome auf die BanksApi ist ein weiteres Puzzleteil gesetzt.

In meinen Gesprächen mit Kunden habe ich nicht nur einmal gehört, dass, sobald die IT des Kunden ins Spiel kommt, zur Timeline schnell von 2023 oder später die Rede ist.”

Reinhard Tahedl, Company Builder Finconomy AG
Reinhard Tahedl studierte an der Universität Passau BWL und startete mit 24 Jahren mit der fundsaccess sein erstes Unternehmen. Nachdem er dieses zum Marktführer für digitale Beratungsprozesse entwickelte, etablierte er mit Co-Foundern weitere FinTechs. Mit Hilfe der Exiterlöse des digitalen Finanzassistenten treefin gründete er den B2B-Company Builder Finconomy AG, dem er verantwortlich für die Geschäftsbereiche Strategie, Business Development und Finanzen als CEO vorsteht.
Unsere Strategie ist es, schlüsselfertige One-Stop-Lösungen aus einer Hand zu bieten. Das endet eben nicht bei der Kategorisierung von Ausgaben oder Lebensereignissen, nicht mal bei den angesprochenen konkreten Empfehlungen zum “Next-Best-Customer”. In Zukunft wollen wir auch die Ansprache gestalten, wir nennen das “Impactful Action”. Das bedeutet, dass wir mit proaktiven Triggern die Anspracheprozesse in Gang setzen, also entweder entsprechende vorgefertigte CRM-Prozesse im System des Mandanten starten oder die Ansprache gleich selbst auslösen, z. B. über Push-Nachrichten in den Frontend-Lösungen.

Das Online-Marketing macht es vor, aber Finanzdaten enthalten erheblich mehr Wahrheit über mein Ausgabenverhalten als meine Surfhistorie.”

Jede Marktforschungsagentur kann bestätigen: Bei Endkunden heißt es eben nicht immer “Put your money where your mouth is”. Wir starten in Kürze eine Stand-alone-Lösung (ohne Einsatz der IT-Abteilung!) mit einem großen Versicherer, in der wir dem Kunden vor einem Beratungsgespräch einen “Finanzreport” liefern – ein detaillierter Überblick über Ausgaben, Lebenssituation, Sparrate und Risiko und Versicherungsspiegel und -bedarf. Das ist genau die Synergie aus Mehrwert für Kunde und Unternehmen, die ich mir vorstelle!

Herr Baaken, Herr Tahedl, vielen Dank für das Interview.aj

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