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BANKEN UND FINTECHS29. April 2015

Fintech reloaded – Die Bank als digitales Ökosystem

Ragne Kabanova/bigstock.com
Ragne Kabanova/bigstock.com

In seinem neuesten Paper Fintech reloaded – Die Bank als digitales Ökosystem. Mit bewährten Walled Garden-Strategien in die Zukunft fordert Thomas Dapp die Banken dazu auf, die Herausforderung durch die fortschreitende Digitalisierung ihres Geschäfts anzunehmen. Eine kritisch-inhaltliche Betrachtung.

von Ralf Keuper, Blogger und Kolumnist

Die bisherigen Maßnahmen greifen, aller Rhetorik zum Trotz, zu kurz, da sie noch immer von der Annahme ausgehen, es reiche aus, wenn die Bank an der Schnittstelle zum Kunden “digitaler” agiere:

Innovationsprozesse werden nach wie vor mit überholtem Silodenken mühsam vorangetrieben. Zudem beherrschen viele Banken noch zu wenig die globale „Sprache des Internets“. Der große Wurf wird den Banken so nicht gelingen. Der digitale Wandel fordert tiefgreifende Strukturreformen und zwar über sämtliche interne und externe Bankprozesse und -systeme hinaus.

Stattdessen gelte es, sich die digitalen Ökosysteme, die diversen Plattformen im Internet, zum Vorbild zu nehmen, die vorführen, wie die intelligente Verzahnung zwischen Software und Hardware gelingen kann:

Es sind vor allem die kaum regulierten digitalen Ökosysteme, aber auch viele Fintechs, die mit ihren Plattformen und ihren ausgefeilten Walled Garden-Strategien branchenübergreifend die Märkte erobern. Ihr Erfolgsrezept basiert auf dem harmonischen Ineinandergreifen implementierter Hard- und Software. Durch die optimale Verzahnung und die Verwendung kompatibler und interoperabler Standards/Technologien sowie angemessener Programmierschnittstellen werden wir plattformverwöhnten Konsumenten mit attraktiven Produkten und Diensten bequem, global und aus einer Hand umworben und bedient.

Als Antwort darauf täten die Banken gut daran, ein eigenes plattformbasiertes digitales Bankenökosystem, in Form eines sog. Wallet Gardens zu errichten. Eine Schlüsselstellungen nehmen dabei offene Schnittstellen, Open APIs, ein.

Im weiteren Verlauf geht Dapp intensiv auf die unterschiedlichen Herausforderungen und Szenarien ein, die das Banking schon jetzt und mehr noch in Zukunft prägen werden. Dabei bleiben auch die Stärken aber auch Schwächen der Herausforderer wie Apple, Google und Samsung nicht unerwähnt. Als geeignetes Mittel empfiehlt Dapp die Strategie des Lock In-Effekts sowie der Wechselkosten. Breiten Raum nehmen auch die Themen Sicherheit und Datenhoheit ein. Nicht fehlen darf natürlich der Dauerbrenner “Big Data”. Aber auch kognitive, selbstlernende Systeme werden erwähnt.

Besonders fasziniert hat mich das Beispiel des individuell gestaltbaren, intelligenten Finanz-Assistenten:

Im Prinzip wünscht sich der Kunde einen diskreten, aber individuell gestaltbaren und intelligenten (also selbstlernenden) Finanz-Assistenten in Form einer Applikation oder eines web-basierten Zugangs zur eigenen Hausbank, gerne auch mit Sprachsteuerung. Dieser Assistent unterstützt den Kunden in all seinen täglichen Finanzangelegenheiten mit daten- und algorithmenbasierten Diensten

Insgesamt also ein in dieser Form bisher einmaliges und wegweisendes Dokument. Kritisch anzumerken ist, wie diese Quadratur des Kreises, d.h. die Transformation der Banken in digitale Ökosysteme bzw. Walled Gardens im Netz, unter den gegebenen Bedingungen erfolgreich vollzogen werden kann. Schon der Blick auf das gemeinsame Bezahlverfahren des deutschen Kreditverbandes, Pay Direkt, lässt hier Zweifel aufkommen. Der Versuch, den Ansatz des geschlossenen Systems auf die digitale Welt zu übertragen, dürfte, auch unter Einsatz offener Schnittstellen, nur schwer gelingen, wenn der Eindruck bestehen bleibt, dass hier vorwiegend die Produkte aus eigener Herstellung an den Mann bzw. die Frau gebracht werden sollen. Hierfür ist ein Kulturwandel, ja eigentlich schon eine Kulturrevolution nötig. Ohne Veränderungen an den bestehenden Organisations- und Anreizstrukturen wird das kaum gelingen. Hier muss zunächst verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden.

Die größte Herausforderung der Banken geht weniger von der Digitalisierung, sondern vielmehr von dem Medienwandel aus. Das ist die eigentliche Bedrohung durch Internetkonzerne wie Apple, Google, facebook, Alibaba und Amazon. Die Verzahnung aus Entertainment, Information, E-Commerce, Banking und demnächst auch autonomen Fahren, ist der entscheidende Vorteil von Apple & Co. Über die alten Kanäle, in Form von Filialen oder des klassischen Online-Bankings, hat sich ein neuer Kanal gelegt, der von den neuen Gatekeepern mit ihren riesigen sozialen Netzwerken und den angeschlossenen Diensten dominiert wird. Darüber hinaus verfügen sie, wie Dapp anmerkt, über die nötige Expertise im Bereich Hardware und Software. Ein weiterer neuer Kanal wird im Banking voraussichtlich auf Basis der Blockchain-Technologie Einzug halten.

Das alles mindert jedoch nicht den positiven Gesamteindruck des Papers. Ein wichtiger Denkanstoss.rk

Ralf Keuper (Bank-, Diplomkaufmann und FinTech-Experte)
Blog-Autor Ralf Keuper ist Bank- und Diplomkaufmann. Bild: Xing
Ralf Keuper

Ralf Keuper ist Bank- und Diplomkaufmann und seit rund 15 Jahren in verschiedenen Positionen beratend im Bankenumfeld tätig. Er gehört zudem mit seinem Blog bankstil zu den Top10-Bloggern im FinTech-Bereich und berät Banken bei der digitalen Transformation sowie  FinTech-Startups bei ihrem Markteintritt. Keuper hat unter anderem als Senior Consultant Banking bei der COR&FJA AG und Senior Consultant Banking & Financing bei Steria Mummert Consulting AG gearbeitet.

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