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STRATEGIE1. Juni 2017

Können Banken mit Innovationen Geld verdienen? Interview mit Dipl.-Ing. Lars Behrendt, Granny&Smith

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Dipl.-Ing. Lars Behrendt, CEO Innovationagentur Granny&SmithGranny&Smith

Granny&Smith hat IBM beim Wechsel vom „Hardware-Verkäufer“ zum „Cloud-Anbieter“ geholfen – und – der Telekom als das Telefonie- und Internet-Geschäft ein neues Standbein namens Smart Home bekommen sollte. Wir wollen von Dipl.-Ing. Lars Behrendt (CEO Granny&Smith) wissen, wie seine Vision für Banken und FinTechs aussehen könnte.

Herr Behrendt – ich falle gleich mal mit der Tür ins Haus: Wie können Banken und Versicherer heute wieder mehr Geld verdienen? Was muss noch an innovativen Geschäftsmodellen noch kommen?

Erst einmal sollte man damit anfangen, sich die richtigen Fragen stellen. Es geht zum Beispiel nicht mehr darum, wie ich mehr Geld verdienen kann, sondern mir aus der Sicht des Kunden die Frage zu stellen, was ich wirklich brauche, wo Dinge optimiert werden können und Dinge einfacher zu gestalten.

Viele von uns haben schlicht und einfach verlernt, sich in die Kundensicht zu versetzen. Wir sind konditioniert darauf, Produkte zu verkaufen, Provisionen zu generieren und Abschlüsse zu tätigen.”

Effizienz, Effizienz und Effizienz ist das, was heute zählt. Was wir nur vollkommen aus dem Fokus verloren haben ist, uns mit kreativen Methoden den Blick zu öffnen und die richtigen Fragen zu stellen, damit wir das Leben unserer Kunden tatsächlich einfacher oder besser machen können. Wenn wir das schaffen, dann wird der Erfolg von ganz alleine kommen!

Können Sie da bitte konkreter werden?

Ja natürlich, aber da wird es für den einen oder anderen auch schnell unangenehm. Im Kern sollte nämlich nicht die Frage stehen, wie ich mehr Geld verdienen kann, sondern was ich tatsächlich außergewöhnliches für meine Kunden tun kann.

Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, ob Sie ihre eigenen Produkte auch selbst kaufen würden? Würden Sie das Produkt ihrer eigenen Mutter empfehlen? Wie wichtig schätzen Sie die Rolle Ihres Produktes im Vergleich zu den wirklich wichtigen Dingen das Lebens ein? Wenn wir ganz ehrlich sind, müsste die eine oder andere dieser Fragen schon eher mit einem NEIN beantwortet werden.

Also ist doch kein Wunder, dass unsere Kunden zu innovativen Startups abwandern, die diese Fragen in das Zentrum Ihres Handelns legen.”

Was denken Sie dann – was überzeugt Kunden? Was wäre dann wirklich wichtig?

Mit großem Erschrecken stellen wir fest, dass viele Innovationen, die die Finanzindustrie in der letzten Zeit herausgebracht hat, aus unserer Sicht wenig dazu beitragen, das Leben unserer Kunden wirklich besser zu machen.

Häufig entwickeln Unternehmen nur Varianten, kreative Varianten, und noch kreativere Produktnamen für Dinge, die sie schon immer angeboten haben.”

Das ist natürlich sehr provokant ausgedrückt und stimmt nicht für alle Unternehmen – aber insgesamt müssen wir uns eingestehen, dass wirkliche Innovationen nicht gerade die Stärke der Branche sind.

Naja – beispielsweise das digitale Bezahlen (z.B. per girocard) ist eine Innovation, die aus der Finanzindustrie hervorgegangen ist, oder? Und das geht mittlerweile auch online.

Das digitale Bezahlen ist entstanden, weil Unternehmen wie Paypal und Apple dabei sind, diese Märkte komplett für sich zu erschließen. Hier wurden viele Finanzunternehmen unter Druck gesetzt, der dazu führt, dass nun doch Themen vorangetrieben werden. Ist das wirklich eine Kern-Innovation? Für mich ist das eher der klägliche Versuch, die bereits verschlafene digitale Revolution nach dem Prinzip „Gießkanne“ doch noch ein wenig aufzuhalten.

Dipl.-Ing. Lars Behrendt, Granny&Smith
Dipl.-Ing. Lars Behrendt (44) ist seit 2006 Geschäftsführender Gesellschafter der Innovationagentur Granny&Smith. Behrendt war zuvor Head of Division bei New Voice (Osnabrück) und CEO von Aida New Media (Bremen). Er spezialisierte sich auf Innovationsfindung und ist unter anderem Berater des BMWi, der KfW und Horizont 2020 Innovationmanager.

Wo gibt es für die Branche Chancen zu punkten und Geld zu verdienen?

Geht es wirklich um das digitale Bezahlen? Geht es wirklich um die digitale Vergabe von Mikrokrediten oder das Kopieren von Anlagespezialisten?  Oder geht es am Ende nicht um viel mehr? Was sind Stolpersteine im Leben der Menschen? Was wäre eine substanzielle Verbesserung? Wie könnte ein möglicher Lösungsansatz dafür aussehen?

Mal angenommen, wir könnten in Zukunft Dinge wirklich ändern … wir sollten anfangen uns selbst die Frage zu stellen, was können wir tun, damit es dem Menschen besser geht und Finanzthemen tatsächlich einfach werden. Wir müssen wirklich aufhören, immer nur an uns und unsere eigene Kasse zu denken und endlich anfangen, nach echten Vorteilen zu suchen, die substantielle Verbesserungen für alle Menschen bringen. Die Finanzindustrie ist häufig stark ein­gefah­ren. Wir müs­sen wieder brei­ter denken, agiler handeln und wieder mit ech­ten Risiken in kontrollierba­ren, klei­nen, iterativen Schrit­ten ech­te Innovationen ent­wickeln.

Wie soll das in einem so stark regulierten Markt mit Finanzaufsicht und Marktfolgegremien umsetzbar sein?

Indem wir beispielsweise anfangen, unsere Technologien, Lösungen oder Ideologien in den Ländern anzuwenden, in denen die Auflagen nicht so hoch sind. Beispiel Kreditec. Im Prinzip hat doch die deutsche Überregulierung erst zum Geschäftsmodell der „Schnelligkeit und Einfachheit“ beigetragen und der Erfolg von Kreditech im Ausland ist sicherlich nach moralischer Sicht nicht immer einwandfrei – aber zumindest schon mal sehr richtungsweisend.

Oder N26. Seit Jahren reden wir mit Engelszungen auf unsere Kunden ein, doch endlich einmal in Interfacedesign zu investieren. Stattdessen wird mehr Budget in den Verkaufstresen jeder Regionalbank gelegt, die noch gefühlte zehn Besucher am Tag hat, statt in die wirklich stark frequentierten Online-Instrumente.

Da kommt dann plötzlich einer [N26, anm. d. Red] der es macht – und alle sind total überrascht. Und dann auch noch mit einem komplett anderen Geschäftsmodell.”

Zusätzlich wird der Nutzer intensiv getrackt, was viele Leute vorher als „unmöglich“ abgetan haben. Aber dem aufgeklärten Nutzer ist es heute häufig sogar egal. Hauptsache die User Experience ist nicht mehr so grottig wie die meiner ehemaligen Hausbank.

Bleibt meine Frage: Was tun? Wie schaffen es Finanzdienstleister zum einem, quasi Mega-FinTech zu werden? Geht das überhaupt?

Das geht. Aber nicht in dem bestehenden System, wo der Fokus auf Besitzstandswahrung liegt.

Am Ende geht es doch darum, dass wir in der Finanzindustrie angstgetriebene wenig neue Geschäftsmodelle vorfinden. Wir müssen mutig werden! Dinge ausprobieren, Feedback einholen, verbessern, ausrollen!

Um es ehrlich zu sagen – vielleicht müssen die Einschläge noch näher kommen und noch mehr klassische Finanzdienstleister abdanken und der Druck dadurch auf die verbliebenen noch verstärkter werden.

Innovation entsteht nicht aus der positiven Komfortzone heraus. Innovation entsteht aus Not, Angst, Mangel, Krise. Aber häufig geht es uns dafür noch zu gut.”

Banken-Bashing hilft nicht weiter. Haben Sie Tipps, wie Banken neue Ideen und Konzepte entwickeln können?

Zunächst versetzen sie sich, gemeinsam mit dem Team, in die Position des zukünftigen Nutzers und beleuchten alltägliche Probleme.

Was wäre, wenn ich beispielsweise unbedingt noch etwas kaufen möchte, das Geld auf meinem Konto aber nicht ausreicht? Beispielsweise ein Zelt für den Campingausflug, am letzten Wochenende im Monat. Das ist wohl ein Problem, dass (fast) jeden früher oder später betrifft. Dann fragen wir uns, ob es beispielsweise ein Ansatz sein könnte, statt Kauf auf Rechnung direkt einen „Minikredit“ in den Shop zu integrieren, so dass ich direkt bestellen kann. Das Zelt wird dann zwar ein paar Euro teurer, allerdings zahle ich entspannt in zwei Raten zu selbst gewählten Terminen. Wenn dann zu einer solchen Idee noch ein intuitives und einfaches Interface, sowie ein technisch ausgefeiltes (Bedien-)Konzept dazukommt, kann daraus ein spannendes Geschäftsmodell als Alternative zu bestehenden Payment-Anbietern entstehen.

Wir entwickeln dann im ersten Schritt gemeinsam mit dem Kunden das Konzept, entwerfen Scribbles und bauen einen ersten Prototypen. Mit diesem können wir dann unterschiedliche Leute befragen und in iterativen Schritten das „Nutzerfeedback“ in unser Produkt integrieren. So erzielen wir sehr schnell Ergebnisse und erfahren live und in Farbe, ob das ganze trägt oder nichts taugt.

Das war der Minikredit. Wir hatten vorhin das Thema Mobile Payment. Zig Studien bestätigen, dass die Deutschen bargeldaffin sind und schlicht kein Mobile Payment wollen. Woran hakt das?

Wir stellen uns die einfache Fragen: Wieso „wollen“ wir nicht? Was müsste geändert werden, damit wir doch „wollen“? Gibt es Ängste? Was ist die Angst? Was muss passieren, damit wir diese Ängste nicht mehr haben? Durch diese Herangehensweise können wir sehr schnell unterschiedliche Ansätze entwickeln. Dann geht es wiederum an Kurzkonzepte, Scribbles und Prototypenbau. Und häufig finden wir dann einen Ansatz, den sie doch „wollen“.

Wenn das so einfach wäre – warum kommen die Innovationen nicht auf die Straße?

Was wir feststellen, dass viele Firmen für so eine Arbeitsweise gar keine Strukturen haben. Im engen Korsett der Zielvereinbarungen, der Abschlussorientierung oder noch besser dem Share-holder Value-Ausrichtung? Ich kann mich nicht mal eben ausprobieren und dann ggf. zum Chef dann doch sagen müssen: „Ach übrigens das Projekt ist jetzt doch nichts geworden, sorry“.

Viele unserer Ansätze treffen auch nicht sofort ins Schwarze. Aber unser Vorteil ist, dass wir mit unseren Methoden quasi wie ein Schnellboot „mal eben Dinge ausprobieren“ können, Erfahrungen sammeln, ohne die Gefahr den Konzern-Tanker auf die falsche Spur gebracht zu haben. Durch eine gewisse Souveränität und Gelassenheit, die wir nach zehn Jahren am Markt naturgemäß angesammelt haben, ergeben sich dann doch am Ende i.d.R. Innovationen, die auch greifen und neue Erfolge ermöglichen.

Wenn Sie einen Wunsch an Banken zur Finanzbranche & Innovationen richten könnten. Was wäre der?

Mehr machen – ausprobieren – lernen – bewegen!
Und bitte weniger abwarten.”

Herr Behrendt, vielen Dank!aj

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