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INTERVIEW ZUR STUDIE30. März 2016

Können Banken und Sparkassen überhaupt beim digitalen Marketing der FinTechs mithalten?

Ralf Reich, MindtreeMindtree
Ralf Reich, Mindtree Mindtree

FinTechs verkaufen sich derzeit besser, als das Banken und Sparkassen es tun. Das gehört zum Geschäft der jungen Unternehmen – aber: Könnten die Geldinstitute nicht locker dagegen halten? Mindtree veröffentlichte vor wenigen Wochen die hochinteressante Studie “Winning in the Age of Personalisation” – wir haben Ralf Reich, Head of DACH & Benelux von Mindtree, zu der Studie ins Verhör genommen.

Herr Reich, unter uns: Können die Banken und Sparkassen beim digitalen Marketing überhaupt mit den FinTechs mithalten?

Das können sie durchaus, wenn sie die richtigen Schritte gehen. Viele Banken und Sparkassen denken dabei allerdings noch in starren Kategorien wie technischen Features oder digitalen Bezahlmethoden. Dabei geht es schon längst darum, die Möglichkeiten der Datenanalyse zu nutzen, um dem Kunden personalisierte und damit wirklich auf seinen Bedarf zugeschnittene Angebote zu machen und ihn dadurch zu überzeugen.

Ist die Personalisierung heute nicht das klassische Thema “Benutzerinterface” – also nette Bildchen und direkte Anrede?

Das gehört sicher mit dazu, aber unser Konzept von Personalisierung geht weit darüber hinaus. Es zielt darauf ab, persönlich zugeschnittene Angebote wirklich relevant zu machen. Vergessen Sie nicht, dass die Banken speziell im Kontext der Finanzkrise viel an Reputation verloren haben; sie haben hier einiges an Boden wiedergutzumachen und müssen auf ihre Kunden zugehen. Wenn sie also die richtige Strategie entwickeln, in innovative Technologien investieren und auf dieser Basis ihren Kunden personalisierte Angebote unterbreiten können, haben sie weiterhin die Nase vorn. Die gegenwärtigen digitalen Technologien machen das längst möglich – denken Sie an die Menge an Daten, die ein einziger Mensch jeden Tag produziert. Hier haben unter anderem die Online-Händler inzwischen Standards gesetzt, und nun erwarten die Kunden von ihren Banken eine ähnlich professionelle Ansprache. Das erfordert die richtige Strategie, Zeit – und natürlich auch Investitionen.

Mindtree
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Wo stehen die Finanzinstitute da heute?

Unsere Studie hat da eine interessante Diskrepanz aufgezeigt: Die Hälfte der befragten Entscheider in Banken und Versicherungen hält das eigene Unternehmen für einen Pionier der digitalen Transformation. Das zeigt wiederum deutlich, dass es keinen Marktführer in diesem Bereich gibt: Alle befinden sich in einem Übergangsprozess und investieren in digitale Technologien, um die Konsumenten für sich zu gewinnen. Dabei steht ihnen heute eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Technologien zur Verfügung. Deshalb experimentieren sie auf ganz unterschiedliche Weise entsprechend ihren Bedürfnissen und Zielen. Das Resultat ist eine „Test-und-Lern-Umgebung“, in der sich dann jeder Einzelne als Pionier sieht.

In Ihrer Studie haben Sie danach gefragt, was Verbrauchern bei der Personalisierung wichtig wäre. Was fiel da besonders auf?

Die überwiegende Mehrheit der Befragten stimmt zu, dass personalisierte Angebote sie zum Kauf neuer Produkte und Dienst­leist­ungen bewegen können. 71% der Bank- und Versicherungskunden geben an, dass personalisierte Angebote sie dazu motivieren, Produkte und Dienstleistungen zu kaufen, die sie zuvor schon einmal erworben haben. Und 67% der Kunden lassen sich durch eine derartig individuelle Ansprache sogar zum Kauf von Produkten und Services bewegen, die sie noch nie erworben haben.

… und beim Einzelhandel?

Mit Blick auf den Einzelhandel ist festzustellen, dass vielen Kunden der Mehrwert einer durchdachten Personalisierung im Online-Einkauf noch nicht ganz klar ist – vielleicht auch, weil ihnen positive Vergleichspunkte fehlen. Im Bereich Online-Shopping wünschen sich die meisten Kunden konkrete Verbesserungen wie flexible Suchfunktionen und einfachere Tools zum Produktvergleich, damit sie auf der Grundlage möglichst umfassender Informationen die beste Entscheidung treffen können. Generell kommt es den meisten auf einen idealen Mix aus Online- und Offline-Shopping an.

Und kommen die Finanzinstitute diesen Erwartungen zumindest nahe?

Finanzdienstleister sind sich darin einig, dass Personalisierung ein äußerst potenzialträchtiger Treiber für ihr Geschäft ist. Dennoch investieren nur 28% der Finanzinstitute tatsächlich in entsprechende Lösungen, obwohl sie mit personalisierten Angeboten bereits 2015 den Großteil ihres Wachstums im Online-Handel erzielt haben. Unsere Studie zeigt, dass Personalisierung eine Stellschraube ist, mit der die Finanzinstitute das Online-Einkaufserlebnis ihrer Kunden entscheidend verbessern können. Wenn die Banken sich darauf aktiv einstellen, können sie davon enorm profitieren. Denn die meisten Kunden informieren sich auf unabhängigen Bewertungsportalen über Produkte und Services. Wenn ein Kunde also das Gefühl hat, ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Angebot und Produkt erhalten zu haben, ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass er im Netz eine positive Bewertung hinterlässt.

Wie wichtig ist speziell den deutschen Banken das Thema?

Unsere Studie zeigt ganz klar, dass der Finanzsektor in Europa innovative Technologien für eine personalisierte Ansprache weniger aktiv nutzt als beispielsweise in den USA oder der Region Asien-Pazifik. Dabei ist vor allem der Bedarf an umfassenden Datenbeständen eine große Chance für die Personalisierung. Inzwischen teilen bereits 23% der Unternehmen ihre Kundendaten mit anderen Unternehmen, während weitere 51% dieses Vorgehen in Zukunft planen.

Aber auch hier in Deutschland suchen die Banken nach Wegen, wie sie den Dialog mit ihren Kunden wieder aufnehmen, beziehungsweise optimieren können. Angesichts eines sich rapide verändernden Verbraucherverhaltens einerseits und schrumpfender Marketing-Budgets andererseits werden die Banken also auch hier nicht um den Einsatz von Analytics und Technologien für eine Marketingoptimierung herumkommen.

Nun hat ein Bankkunde in Bayern doch die gleichen Bedürfnisse wie einer in Hamburg. Oder nicht?

Das hängt weniger vom Wohnsitz, sondern eher von soziodemographischen Faktoren und persönlichen Prioritäten der Konsumenten ab. Diese Ausdifferenzierung lässt sich anhand der Spur aus digitalen „Brotkrumen“, die jeder von uns täglich hinterlässt, sehr gut nachverfolgen. Ein wesentlicher Teil des Lebens spielt sich für viele Menschen heute im digitalen Raum ab. Früher habe ich die Entscheidung vielleicht dem Bankberater meines Vertrauens überlassen, war aber auf dessen Urteil festgelegt. Heute möchte ich Produkte und Dienstleistungen eigenständig vergleichen, zumal das ja inzwischen relativ einfach ist. Deswegen sollten die Angebote, die ein Kunde erhält, wirklich auf ihn zugeschnitten sein und den relevanten soziodemografischen Faktoren entsprechen.

Welche Ziele verfolgen denn die Banken für sich beim digitalen Marketing?

Zum einen wollen Banken über ein gezieltes Targeting die Kundenbindung erhöhen, gleichzeitig aber auch zusätzliche Zielgruppen erschließen. Angesichts der demographischen Entwicklung ist das fast eine Überlebensfrage – denn überlegen Sie mal: Wie viele Menschen – insbesondere aus der jüngeren Generation – haben heute noch eine persönliche Beziehung zu ihrer Bank? Mit Hinblick auf den anhaltenden Kostendruck geht es den Banken außerdem darum, Effizienzsteigerungen im Marketing zu erzielen – also mit weniger Budget mehr zu erreichen. Überraschend viele der Befragten erwarten übrigens auch eine Rückkopplung zu ihren Inhalten und Angeboten durch die Kunden: Laut Befragung wünschten sich 87% der Befragten, dass die Kunden sie bei der Entwicklung von Strategien zur Content-Erstellung unterstützen.

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Mindtree

Aber die Banken stehen dabei noch am Anfang? Oder nutzen sie damit wirklich schon die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten?

Keine Frage: Da gibt es deutlich Luft nach oben. Die meisten Banken haben zwar verstanden, dass es beim Online-Handel nicht nur darum geht, den Umsatz zu steigern, sondern vielmehr den Dienstleistungsgedanken digital umzusetzen und so eine loyale Kundenbasis zu schaffen; trotzdem folgen dieser Erkenntnis nach wie vor zu wenig Taten, sprich Investitionen.

Das wird sicher teuer – aber wie könnten Banken und Endkunden davon profitieren?

Es wird sich für Banken und Sparkassen langfristig auszahlen, in Technologien zu investieren, mit deren Hilfe sie individuelle Kundenbedürfnisse besser verstehen, daraus personalisierte Angebote ableiten und mit dem Kunden über verschiedene Kanäle kommunizieren können. Die Ergebnisse der Studie zeigen das sehr deutlich: Beispielsweise wird sich allein in den nächsten drei Jahren die Zahl der Kunden, die über Mobile Apps Transaktionen mit Banken oder Versicherungen durchführen, von neun auf 20 Prozent mehr als verdoppeln. Und das ist erst der Anfang – wie wollen Sie diese Kunden zukünftig ohne Technologien für ein digitales Marketing erreichen? Die Investitionen, die Banken heute in diese Richtung tätigen, werden sich also mit Sicherheit auszahlen.

Geben Sie mir doch mal einen Tipp: Was wäre heute schon alles möglich? Und was wird (unter welchen Voraussetzungen) in Zukunft möglich sein?

Wir wissen heute, dass in personalisierten Angeboten, die zur Verbesserung des Customer Engagement führen, ein großes Potential steckt. Dazu zählt eine gezielte Preisgestaltung ebenso wie spezielle Angebote für Produkte und Dienstleistungen, aber auch Einkaufsprozesse, die auf individuelle Präferenzen zugeschnitten sind. All das erleichtert letztlich dem Konsumenten die Kaufentscheidung.

Auf Grundlage von Daten aus verschiedensten Quellen, die mittels intelligenter Algorithmen analysiert werden, ermöglicht es Personalisierung den Banken und Versicherungen, die richtigen Zielgruppen zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, auf dem richtigen Gerät und mit den richtigen Inhalten anzusprechen. Doch ohne ein standardisiertes System, mit dem sich eine personalisierte Customer Experience über unterschiedliche Kanäle umsetzen lässt, sind Organisationen gezwungen, mit einem „Wildwuchs“ an Systemen zu agieren. Das bremst sie aus und erhöht die Kosten.

Eine erfolgreiche Personalisierung wird in Zukunft nur dann funktionieren, wenn Unternehmen über die richtigen technischen Grundlagen für ihre Digitalisierung verfügen. Aus unserer Sicht gibt es vier Eckpfeiler, die für eine erfolgreiche digitale Transformation entscheidend sind:
1. die Schaffung digitaler Kundenerlebnisse
2. die Digitalisierung der Wertschöpfungskette bis zum Back-End
3. die Entwicklung von “Sense-and-Respond”–Systemen und
4. die Schaffung neuer, innovativer Geschäftsmodelle und Partnerschaften.

Banken und Versicherungen sollten ihr Know-how im Thema Segmentierung nutzen, um eine Aktivierungsebene zu schaffen, über die sie ihre Kunden mit den richtigen Informationen und Angeboten ansprechen können. Letztlich sollten Unternehmen all dies mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein angehen, um das Vertrauen des Kunden bezüglich der Datennutzung zur Erstellung personalisierter Angebote zu bewahren.

Das heißt, wenn Banken die FinTechs ernsthaft angreifen wollen würden, wäre das gar nicht so schwierig?

Mit den richtigen Technologien und Systemen für eine kanalübergreifende Personalisierung können Banken und Versicherungen dem Kunden Nutzererfahrungen bieten, die seinen Erwartungen entsprechen, und außerdem das Wachstum ihres eigenen Unternehmens fördern.

Herr Reich, vielen herzlichen Dank, das war wirklich sehr informativ!aj

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