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STRATEGIE16. Februar 2021

Nach PSD2/XS2A kommt die Kür – vier Erfolgsfaktoren für den nächsten Schritt ins Open Banking

Experte für Open Banking: Bodo Forstmann
Bodo Forstmann, Ginkgo Management Consulting GmbH Ginkgo Management Consulting

Ein Vergleich mit der Automobil-Industrie zeigt Banken den Weg in die Zukunft datengetriebener Geschäftsmodelle: PSD2-XS2A bedeutet Öffnung, aber noch lange kein Open Banking. Die Umsetzung der Anforderungen aus den PSD2-Regulierungen hat viele Banken vor Herausforderungen gestellt und zahlreiche Finanzinstitute erstmalig mit dem Thema Open Banking konfrontiert.

Inzwischen haben nahezu alle Banken Lösungen etabliert, den Zugriff von Dritten beispielsweise auf Kontoinformationen ihrer Kunden zuzulassen.

Unabhängig von der Qualität der entwickelten Schnittstellen sowie noch ausstehender Genehmigungsverfahren durch die Aufsichtsbehörden fängt die Arbeit zum Thema Open Banking damit erst richtig an.”

Aktuell nüt­zen die neu­ge­schaf­fe­nen Mög­lich­kei­ten, auf die Kon­to­in­for­ma­tio­nen der Bank­kun­den zu­grei­fen zu kön­nen, vor al­lem Un­ter­neh­men, die sich nicht zu der Grup­pe der klas­si­schen Ban­ken zäh­len. Die­sen wird der Zu­gang zum Kun­den und so­mit zu den Ge­schäfts­an­tei­len eta­blier­ter Ban­ken we­sent­lich er­leich­tert. Fin­Techs müs­sen bei­spiels­wei­se kei­nen di­rek­ten Kun­den­stamm auf­bau­en, um ih­re Lö­sun­gen anzubieten.

Was Banken von der Automobilindustrie lernen können

Wie kann man also das volle Potenzial von Open Banking nutzen? Und was haben Autos bzw. Fahrzeugdaten mit Banking-Daten gemein? Der regulatorische Druck zum Data-Sharing und Aufbau von Daten-Ökosystemen hat in der Automobilbranche eine strategische Ausrichtung auf die Chancen im Teilen von Daten ausgelöst und den Ausblick auf neue Geschäftsfelder und Umsätze eröffnet. Vergleichbar mit PSD2 gibt es im Automotive-Umfeld zum Beispiel den sogenannten Extended Vehicle Standard (ISO 20078). Dieser bildet einen Rahmen zum Teilen von Telematik-Daten der Fahrzeuge mit unabhängigen Teilnehmern, zum Beispiel im After Sales (freie Werkstätten) ab. Mit einer Schnittstelle, die auf Standard-Webtechnologien basiert, greifen Dritte auf die Daten zu.

Die Automobilhersteller haben aus der Pflicht zur Öffnung und Weitergabe bestimmter Daten eine Chance abgeleitet und treiben das Thema voran. Daten aus den Motor-, ESP, Ultraschall- und anderen Sensoren werden zu Datenprodukten gebündelt und einem breiten Kundenspektrum angeboten, darunter Startups, Zulieferer, öffentliche Hand uvm. Doch nicht nur direkte Fahrzeug-Daten werden genutzt, sondern auch Daten aus Katalogen, Konfigurationsdatenbanken und Fahrzeugdatenblättern.

Um diese Daten nutzbar zu machen, wurden Schritt für Schritt (veraltete) monolithische Systeme überholt und in neue Microservice- & API-Architekturen eingebettet. Hierbei half es, dass der Umgang und die Nutzung von APIs zunächst vor allem intern vorangetrieben wurde und das API-Gateway-Management entsprechend aufgebaut und ausgebaut werden konnte.”

Die Unternehmen der Automobilbranche haben Innovationsprozesse auf Basis von Daten etabliert, um Ideen systematisch abzuarbeiten oder zu verwerfen. Es sind bereits Datenprodukte entstanden, welche die Verkehrssicherheit, Automobilverkäufe oder Parkplatzsuche verbessern und dabei über API-Monetarisierung Umsätze erwirtschaften, die bis vor Kurzem nicht zum Spektrum eines Automobilherstellers gehörten. So können Gemeinden und Autobahnmeistereien Live-Karten erwerben, die den Glättezustand von Straßen darstellen und so eine gezieltere Streuung und Reduzierung der Glättegefahr ermöglichen. Viele Hersteller haben zu diesem Zweck Portale geschaffen und hierüber Datenprodukte via APIs für Entwickler bereitgestellt. Als Teil der Erweiterung des Produktangebots werden Kooperationsmodelle mit unabhängigen Datenmarktplätzen umgesetzt. Diese bieten unabhängige Lösungen an und schaffen damit für ihre Kunden eine Möglichkeit, Daten von zahlreichen Herstellern zu erwerben. Damit profitieren sowohl die Datenlieferanten als auch die Datenkunden, die nur eine API zum Erreichen der Daten vieler Hersteller anbinden müssen.

Autor Bodo Forstmann, Ginkgo Management Consulting
Experte für Open Banking: Bodo Forstmann Bodo Forstmann (44) ist Geschäftsführer und Partner bei der international tätigen Ginkgo Management Consulting GmbH (Webseite) in Hamburg.
Nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens am Karlsruhe Institute of Technology und University College Dublin stieg er direkt ins internationale Beratungsgeschäft ein und fokussierte zunächst die Post-Merger-Integration von Unternehmen im Energiebereich. Nach einem ESSEC & MANNHEIM Executive MBA an der Hochschule Mannheim Business School startete er 2012 bei Ginkgo und ist nunmehr rund 18 Jahre im Beratungsgeschäft aktiv.
Neben seinem Schwerpunkt in der Automobilindustrie ist Forstmann branchenübergreifend zu Fragen der digitalen Transformation, Aufbau und Erweiterung von Ökosystem-Ansätzen sowie Konzeption und Umsetzung von datengetriebenen Geschäftsmodellen für seine Kunden aktiv.

Auf Banken übertragen stellt sich die Frage, wie mit der derzeitigen Situation umgegangen werden muss, um das bereits aufgebaute Know-how sowie technische Elemente wie API-Gateways zu nutzen und auf die nächste Stufe des Open Banking und irgendwann in Richtung Plattform-Ökonomie zu heben.

Kampf um Kunden: Banken müssen kreativer sein und neue, innovative Datenprodukte entwickeln

Erste Banken haben bereits die Chancen erkannt und API-Developer-Portale geschaffen. Diese Portale bieten über die Anforderungen der PSD2 hinaus weitere Datenprodukte an, welche die Zusammenarbeit und Integration von Produktangeboten ausbauen und neue Lösungen schaffen. Derzeit werden dort unter anderem APIs zur Kontoeröffnung, Standortauskünfte, Identitätsüberprüfung, Währungsgeschäfte oder Altersverifizierung angeboten. Diese Angebote und Vorstöße sind nur der Beginn einer Revolution im Banking und im Versicherungswesen. Die Gründe hierfür liegen vor allem in der bislang hohen Vergleichbarkeit und mangelnden Abgrenzung der Banking-Produkte zueinander.

Aktuell pro­fi­tie­ren Ban­ken noch im­mer von ei­ner sehr ho­hen Kun­den­bin­dung. Die­se brö­ckelt je­doch zu­neh­mend. Ei­ne Öff­nung ge­gen­über dem Markt durch neue tech­ni­sche An­ge­bo­te wie APIs birgt da­her viel Po­tenzi­al. Denn kaum ei­ne In­dus­trie weiß so gut über sei­ne Kun­den Be­scheid, wie die der Ban­ken und Ver­si­che­run­gen. Die­ser Ar­ti­kel ist na­tür­lich nicht als Auf­ruf zum Da­ten­miss­brauch oder der Schaf­fung glä­ser­ner Kun­den zu ver­ste­hen, son­dern als An­stoß zur Krea­ti­vi­tät und Ent­wick­lung neu­er Da­ten­pro­duk­te, die zwei­fels­frei ei­ne gro­ße Nach­fra­ge am Markt ha­ben und am En­de dem Bank­kun­den durch in­no­va­ti­ve neue Ser­vices zu­gu­te­kom­men. Ban­ken, die die­sen Markt als Ers­te er­obern, kön­nen sich wich­ti­ge Vor­tei­le im Kampf um Kun­den sichern.

Banken, die diesen Markt als Erste erobern, können sich wichtige Vorteile im Kampf um Kunden sichern.”

Vier Erfolgsfaktoren zum nächsten Schritt ins Open Banking

Banken müssen jetzt agieren und dabei folgende Faktoren beachten:

  1. Strategie – Ein guter Plan schützt nicht vor Herausforderungen, aber er schafft Struktur in einer Thematik, die schnell komplex und aufwändig werden kann. Definieren Sie klare Ziele und verproben Ihre Ansätze durch die Realisierung kleinerer Anwendungsfälle mit unkritischen Daten wie zum Beispiel einer API zum Standort von Geldautomaten. Sammeln Sie hieraus Erfahrungen zur Daten-Produktentwicklung und bringen Sie diese bei der Prozessverbesserung ein. Fordern Sie die Skalierungsfähigkeit ihrer technischen Lösungen heraus. Die strategische Auswahl einer API Management-Plattform ist unerlässlich.
  2. Zeit & Team – Die Umsetzung von Datenprodukten nimmt insbesondere zu Beginn der Reise sehr viel Zeit in Anspruch. Das hängt weniger mit dem Entwicklungsaufwand der APIs zusammen, als vielmehr mit den Herausforderungen, die intern auf sie zukommen. Prozessuale, inhaltliche und rechtliche Klärungen fordern gerade bei den ersten Produkten viel Zeit und Aufwand ein. Übergreifende Teams sind eine Lösung – inklusive Rechtsabteilung und Datenschützern.
  3. Partnerschaften & Ökosysteme – Die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten bei der Hebung eines Datenschatzes bringt beide Seiten voran. Dabei können Partner aus den verschiedensten Industrien kommen. Erste Erfahrungen zeigen, dass Kollaborationen mit dem Handel einiges Potenzial bieten. Außerdem sind im Zusammenhang mit den Entwicklungen rund um PSD2 bereits Integratoren entstanden. Sie bieten XS2A vieler Banken über eine Schnittstelle an. Die Integratoren werden sich in übergreifende Markplätze bzw. Plattformen entwickeln. Die ersten Banken, die mit den Plattformen den Markt erobern, werden „First-Mover“-Vorteile nutzen können.
  4. Technik – Ihre Middleware steht, das API-Gateway ist installiert, das Identity Management funktioniert und selbst an ein Secure Web-Gateway haben sie gedacht. Damit ist schon ein großer Teil der Technik bereitgestellt, doch die Herausforderung besteht darin, zu wissen, welche Features die jeweiligen Datenprodukte benötigen und diese zur Verfügung zu stellen. Unternehmen, die sich zunächst auf die technische Plattform konzentrieren, erleben Probleme bei der Produktrealisierung, da eine Abstimmung zu spät stattgefunden hat. Es ist also von Beginn an entscheidend, zusammen mit der Produkt-Roadmap eine Plattform-Roadmap zu etablieren und sicherzustellen, dass diese eng verzahnt sind.

Bei aller Innovationsfreude darf gerade bei einem Finanzinstitut der Datenschutz nicht vergessen werden.

Die Finanzdaten der Kunden gehören zu den sensibelsten Informationen. Durch den Einsatz anonymisierter und aggregierter Daten bietet sich jedoch ein breites Datenproduktspektrum, ohne schützenswerte Informationen preiszugeben.”

Für Anwendungsfälle, die auf personalisierte Daten setzen, wurden smarte Opt-in-Lösungen etabliert, um einerseits den Kundenutzen zu erhöhen und dabei gleichzeitig die Datensicherheit zu gewährleisten.

Ausblick: Der Weg in die Plattformökonomie ist unausweichlich

Wie die meisten Innovationen verursacht auch Open Banking in vielen Unternehmen die Angst vor Kannibalisierung der Wertschöpfungskette und der Obsoleszenz der eigenen Arbeit durch Automatisierung. Vor allem bezüglich der Themen Öffnung und Daten besteht noch viel Skepsis. Unternehmen sind es zudem gewohnt, im Verborgenen zu agieren und so viel wie möglich für sich zu behalten.

Die Beobachtung zeigt jedoch auch, dass die Zurückhaltung zunehmend weicht und das Thema Open Banking Fahrt aufnimmt, sobald ein Bewusstsein über die Möglichkeiten geschaffen und die Bedenken aus dem Weg geräumt worden sind.”

Diese Offenheit ist essentiell, und das nicht nur für Banken, denn die Plattformökonomie ist unausweichlich.Bodo Forstmann, Ginkgo Management Consulting

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