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SECURITY20. August 2021

Nach vielen Warnungen: Bafin könnte N26 das Neugeschäft einschränken

N26

Es ist eine Neverending Story: Die Bafin droht mal wieder N26 mit empfindlichen Einschnitten – doch jetzt könnte es tatsächlich sein, dass die Aufsichtsbehörde der Neobank Vorgaben beim Neugeschäft macht, die den Berlinern richtig weh tun werden. Es geht dabei um eine Beschränkung des Neukundengeschäfts und insbesondere um das Photoident-Verfahren, das in einigen Ländern verpflichtend genutzt wird, aber durchaus für Betrugsfälle sorgen kann. Unterdessen bemüht sich N26 um Schadensbegrenzung, hat aber auch personelle Konsequenzen gezogen.

Schon in der Vergangenheit hatten wir mehrfach darüber berichtet, dass die Bafin der Digitalbank N26 strenger auf die Finger schauen will – und dass die Kunden Probleme mit ihren Konten hatten. Es ging dabei im Großen und Ganzen um die teilweise als unzureichend bewertete Betrugsprävention, um die Kommunikation zwischen den Banken und nicht zuletzt auch um Phishing-Fälle und die damit verbundene Kommunikation zwischen Bank und Kunde. Eine Sonderprüfung hatte es bereits vor zwei Jahren gegeben, mehrere Warnungen im Laufe der Monate noch dazu. Jetzt sieht es aber so aus, als hätten die Berliner bei der Bankenaufsicht jeglichen Kredit verspielt.

Nach Informationen des Handelsblatts erwägt die Bafin, das Neugeschäft der N26 zu beschränken und insbesondere bei der Legitimation der Kunden härtere Schritte einzuleiten. Auch wenn sowohl die N26-Kommunikationsabteilung als auch die Bafin keine Angaben zur Zusammenarbeit und zum Stand der Dinge machen will, ist klar, dass eine solche Maßnahme mindestens einen immensen Imageschaden für das Banking-Start-up bedeuten kann – auch wenn die Geschichte vor allem Kunden außerhalb des Kernmarktes Deutschland betreffen könnte. Noch ist eine solch weitreichende Beschränkung nicht erlassen und die Bafin muss diese selbstverständlich ausführlich belegen und begründen. Doch dass dies eher eine Frage der Zeit ist, glauben mehrere Branchenvertreter.

Photoident-Verfahren als anfällig für Fälschungen

Es geht um die Beschränkung des Photoident-Verfahrens, das in einigen Märkten zulässig ist und von der Neobank genutzt wird, um möglichst einfach das Onboarding von Kunden zu erledigen. Während etwa in den Niederlanden nur das Hochladen des Ausweises in die App erforderlich und vorgesehen ist, ist In anderen Ländern dagegen nur das Videoident-Verfahren überhaupt zulässig – und das ist bekanntermaßen deutlich aufwändiger, personalintensiver und mithin teurer zu realisieren. Auch wenn die Bank erklärt, man verifiziere sämtliche Kunden nach den in ihrem Land geltenden Vorgaben, ist das Geldwäscheproblem offenbar immer noch nicht vom Tisch. Erst kürzlich meldeten Medienberichte entsprechende Vorgänge, nach denen sich Fakeshops die nicht überall gleich strengen Verfahren zunutze machen. Dass die Bafin aber gerade dieses Thema anprangert, zeigt, dass hier selbst mit den gewählten Workflows und Dienstleistern noch nicht alles zur Zufriedenheit der Bankenaufsicht läuft.

Unterdessen bemüht sich N26 um Schadensbegrenzung: Im Rahmen ohnehin geplanten Ausbaus der Geschäftsführung der Gruppe zur Holding hat das Unternehmen die Ernennung von Thomas Grosse als Chief Risk Officer (CRO) bekanntgegeben. Sie folgt der Berufung von Jan Kemper als Chief Financial Officer (CFO) der Gruppe und komplettiert die Geschäftsführung auf der neu geschaffenen Holding-Ebene. Zusätzlich hat Stephan Niermann, Director of Group Compliance and Licensing bei N26, die Rolle als Geldwäschebeauftragter (MLRO) für die Gruppe übernommen.

Valentin Stalf, N26-CEON26

Der Ausbau unserer Führungsstrukturen im Bereich Governance, Compliance, Risikomanagement und Geldwäschebekämpfung ist ein wichtiger Schritt auf unserem Wachstumspfad hin zur globalen digitalen Bank. Wir sind uns unserer besonderen Verantwortung als digitaler Pionier bewusst und pflegen deshalb eine offene und konstruktive Beziehung zu den Aufsichtsbehörden.“

Valentin Stalf, Co-Founder und Co-CEO von N26

Im Einzelnen wolle man eine intensivere Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden anstreben, die Finanzholding-Struktur implementieren, die Governance-, Risiko- und Compliance-Funktionen stärken und nicht zuletzt den Kampf gegen die Finanzkriminalität weiter führen. Das Unternehmen erklärt, man stehe im kontinuierlichen Austausch mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank. „Hierzu gehören regelmäßige Treffen mit der Geschäftsführung, Termine auf Arbeitsebene sowie Prüfungen der Bafin, die routinemäßig alle zwei bis drei Jahre stattfinden.“

Bafin-Chef Branson: Neue Besen kehren gut?

Tamás Künsztler / N26

Also alles nur Routine? Wohl nicht. Denn dass die Bafin nach zahlreichen Ermahnungen, letzten und allerletzten Warnungen jetzt offenbar die Daumenschrauben anzieht, hat einerseits wohl mit deren zögerlichem Vorgehen im Fall Wirecard bis 2020 zu tun und nicht zuletzt wohl auch mit der neuen Führung unter Mark Branson. Denn letzten Endes kann sich die Bafin jetzt keinen zweiten Skandal von der Tragweite von Wirecard leisten, auch wenn das im aktuellen Fall gänzlich anders gelagert wäre. Und selbst Themen, die eher im Ausland angesiedelt sind, dürften bei einer urdeutschen Bank wie N26 auf die Bafin zurückfallen, zumal der Sachverhalt auch Mitebewerbern insbesondere aus dem Neobanken-Umfeld auf die Füße fallen könnte.

Dass die N26 Wachstumsschmerzen hat, berichten zahlreiche Experten aus dem Bankenbereich schon länger – und bemerken viele Kunden immer dann, wenn etwas nicht rund läuft und seitens der Bank justiert werden muss. Und auch innerhalb des Unternehmens scheint die Expansion Probleme zu machen, wie zahlreiche Bewertungen und Kommentare in einschlägigen Arbeitgeberbewertungsportalen wie Kununu zeigen. Überschatten könnte all das auch die nächste Investitionsrunde, die demnächst ansteht. Selbst wenn weiterhin neue Millionen in die Digitalbank fließen, haben die letzten Jahre gezeigt, dass insbesondere außerhalb der EU das Erobern neuer Märkte für den digitalen Herausforderer nicht so reibungslos verläuft wie erhofft.

Davon abgesehen ist die Bankenbranche keine Branche wie jede andere: Wachstum um jeden Preis und auf Kosten von Phishing-Attacken  funktioniert nicht – und Trial and Error auf Kosten von Dritten sind ein nicht hinnehmbarer Kollateralschaden. Für das Unternehmen und seine Anteilseigner mag das jetzt wehtun, ist aber möglicherweise ein heilsamer Lernprozess, wenn schon der im Frühjahr beschlossene Schritt der Bafin, einen Sonderbeauftragten zu entsenden, offenbar nicht ausreichend verfangen hat.  tw

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