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STRATEGIE13. März 2018

Kunden digital führen: Banken und Versicherer brauchen mehr kundenorientierte Denke statt “Digitalisierung”

Kundenorientierte Denke statt nur Digitalisierung
Matthias Bitzer, Principal Consultant bei NamicsNamics

Viele Banken und Versicherer glauben immer noch, sie müssen digitalisieren, um vor allem den Automatisierungsgrad und die Effizienz ihrer Geschäftsprozesse und den Umsatz zu steigern. Richtig ist: Mit Digitalisierung lässt sich das zwar erreichen, aber die Rechnung geht nur auf, wenn eine kundenorientierte Denke zum durchgehenden digitalen Service führt.

von Matthias Bitzer, Principal Consultant Namics

Schaut man sich an, inwieweit traditionelle Finanzunternehmen die Digitalisierung umgesetzt haben, sieht die Realität so aus: Will ein Kunde online ein Konto eröffnen oder eine Kreditkarte bestellen, laufen die dazu notwendigen Prozesse zu zwei Dritteln offline ab.

Im Durchschnitt landen neun postalische Schreiben beim Antragsteller im Briefkasten. Bis das Online-Konto komplett freigeschaltet ist oder die Kreditkarte beim Kunden ankommt, vergehen im Prozesschaos mitunter Wochen.”

Im Extremfall testen Finanzdienstleister ungefragt eine erste Betaversion, die dem eigentlich Interessierten viele weitere Fehler und Korrekturläufe zumutet.

Von digital durchgehenden Prozessen kann keine Rede sein

Kein Wunder, dass dieser Mangel Start-ups dazu animiert, die Etablierten im Finanzsektor herauszufordern. Handlungsdruck erzeugt zusätzlich die Open-Banking-Initiative der EU. Deren Payment Services Directive 2 (PSD2) verpflichtet zum Bereitstellen von APIs. Branchenfremde Anbieter können so Prozesse im Backend anbinden, während im Frontend ihre eigene Lösung läuft. Banken und Versicherungen droht, dass sie im Zahlungsverkehr ihre eigene wichtige Kundenschnittstelle verlieren.

Banken und Versicherern bliebe die Rolle des „Data Processor“ im Hintergrund. Von diesen Datenverarbeitern wird es künftig jedoch nicht viele geben.”

Vor diesem Hintergrund wird es für Banken umso wichtiger, die Digitalisierung voranzutreiben und Kunden mit überzeugenden Services zu halten. Doch wie gelingt dies?

Die Kundenperspektive einnehmen

Bei der Digitalisierung geht es nicht nur darum, Prozesse stärker zu automatisieren, die Effizienz zu steigern und Kosten zu sparen. Mindestens genauso wichtig ist es auszuloten, wie man in verschiedenen Feldern neue Geschäftsmodelle aufsetzen kann. Um das zu erreichen, müssen Finanzunternehmen die Sichtweise des Kunden einnehmen. Was wünscht er sich und welche Verbesserungen oder neuen Services bringen ihm den größten Mehrwert?

Zunächst gilt es festzustellen, was die wichtigsten Prozesse aus Kundensicht sind. Diese sollte man nun als eine echte Customer Journey betrachten, also mit allen Schritten, die der Kunde bis zur Erledigung seines Anliegens durchläuft. Anschließend geht es darum, die Prozesse schrittweise zu digitalisieren. Dafür empfiehlt es sich, Software einzusetzen, die auch nicht voll strukturierte Prozesse unterstützt, aber eine hohe Digitalisierung bietet. Ideal ist eine Kombination aus Business Process Management (BPM) und Adaptive Case Management.

Den Kundennutzen in den Mittelpunkt stellen

Es muss nicht zwingend jeder einzelne Step digitalisiert werden. Wichtigstes Ziel ist vielmehr, einen für den Kunden durchgängigen und einfachen Prozess zu gestalten.”

Autor Matthias Bitzer, Namics
Matthias Bitzer ist Principal Consultant bei Namics. Er berät Finanzdienstleister in diversen Themenbereichen der Digitalisierung, etwa dem E- und Mobile Banking, dem Online-Onboarding von Neukunden oder dem Aufbau von Versicherungsportalen. Er hat an der Universität St.Gallen studiert und hält einen Master in Informations-, Medien- und Technologiemanagement. Er ist ein Verfechter und Liebhaber guter Customer Experience und beschäftigt sich mit Innovationsthemen aller Couleur.
Dieser kann im Einzelfall auch mal ganz traditionell über ein Telefonat laufen. So mag ein Online-Formular zur Schadensmeldung meist komfortabel sein. In dringenden Fällen aber – zum Beispiel bei einem schweren Autounfall – ist ein direkter Kontakt zu einem Service-Mitarbeiter wichtig. Denn schließlich will der Kunde, dass ihm schnell geholfen wird.

Generell gilt: Kunden fordern einfache, transparente und flexible digitale Lösungen. Sie wollen zum Beispiel den Kanal, über den sie mit der Bank oder der Versicherung agieren, selbst wählen. Außerdem erwarten sie eine personalisierte Ansprache und schnelle Reaktionszeiten. Nur wer Kundenerwartungen übertrifft, begeistert und bindet Konsumenten an sich. Dafür sind je nach Prozess ganz unterschiedliche Faktoren wichtig. Begeisternd kann zum Beispiel sein, wenn der Kunde in nur fünf Minuten ein neues Konto eröffnen kann oder eine Schadensrückerstattung bereits am nächsten Tag erhält.

Technologie darf kein Selbstzweck sein

Es ist verlockend, neue Technologien als Heilsbringer zu betrachten. Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge, Blockchain, Open Banking Plattformen oder Robotic Process Automation (RPA) sind in aller Munde.

Doch neue Lösungen begeistern den Kunden nur, wenn sie ihm auch einen Mehrwert bringen. Technologie darf kein Selbstzweck sein. Banken und Versicherer sollten vielmehr genau prüfen, wie eine neue Technologie den Kunden in seinem Prozess unterstützen kann.”

Im Anlagegeschäft könnte zum Beispiel RPA die Kundenkommunikation als Conversational Agent unterstützen, der Anweisungen interpretiert und Fragen beantwortet. Perfekt ist, wenn so ein Chatbot die im Gespräch gesammelten Daten für weitere Dienste bereitstellt, die nötig sind, um beispielsweise eine Reiserücktrittsversicherung abzuschließen.

Sogenanntes Cognitive Banking hilft Banken dabei, Kunden bessere Empfehlungen zu geben. Dies gelingt mithilfe von selbstlernender Software, die es ermöglicht, Daten schneller zu analysieren, Datenmuster zu erkennen und tiefere Erkenntnisse über Kunden zu gewinnen. Zudem kann die Bank damit schrittweise Tätigkeiten wie das Portfolio-Re-Balancing automatisieren.

Eine ganzheitliche Lösungsarchitektur ist gefragt

Die vielversprechendste Innovation verpufft, wenn die von ihr erzeugten Daten in einer abgetrennten Umgebung landen. Gerade bei Versicherern ist historisch, durch Mergers sowie durch die unterschiedlichen Angebote, oft eine IT-Landschaft gewachsen, die durch eine Vielzahl von Systemen geprägt ist. Auto-, Hausrat-, oder Lebensversicherung laufen jeweils auf einem eigenen System. Häufig kommen dazu noch eine betriebliche Altersvorsorge, Hypotheken, Unfall- und Krankenversicherung – ebenfalls auf unterschiedlichen Kernsystemen.

Ein Mix aus eingekauften Anwendungen und Eigenentwicklungen, Unmengen an Schnittstellen sowie veraltete Betriebs- und Entwicklungsumgebungen sind oft der Status quo.”

Das macht es sehr schwer, Daten applikationsübergreifend im Zusammenhang zu betrachten und eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden zu gewinnen. Entscheidend ist, die IT unter einer einheitlichen Definition zusammenzubringen und Datensilos aufzubrechen. Dafür ist eine ganzheitliche Lösungsarchitektur erforderlich.

Digitalisierung ist Chefsache

Eine solche Lösungsarchitektur muss zentral entworfen und gesteuert werden. Finanzunternehmen brauchen dafür eine klare Digitalstrategie. Digitalisierung ist Chefsache und darf nicht einfach delegiert werden.”

Der CEO hat die Aufgabe, einen „Nordstern“ für die Unternehmung zu schaffen, der langfristig anvisiert werden soll. Diese Erkenntnis hat sich jedoch in der Banken- und Versicherungswirtschaft noch nicht überall durchgesetzt. Eine klare Digitalstrategie und eine ganzheitliche Lösungsarchitektur schaffen die Grundlage dafür, dass keine Medienbrüche entstehen, Daten aus Silos befreit werden und man ein umfassendes Kundenbild gewinnt. So können Finanzunternehmen die Customer Experience verbessern und gezielt neue Services entwickeln, die den Kunden mit Mehrwert begeistern.aj

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