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STRATEGIE1. März 2022

„Todesstoß“ der EU für Bitcoin & Co. verschoben

Sollte man aus ökologischen Gründen Kryptowährungen in der EU verbieten? Eigentlich will das in dieser Konsequenz niemand, aber die Stellungnahmen von Befürwortern und Gegnern strengerer Auflagen werden genau auf eine solche Entscheidung zugespitzt. Der angebliche „Todesstoß“ für Bitcoin & Co., der für den 28. Februar geplant war, ist nun erstmal auf unbestimmte Zeit verschoben.

Der Bitcoin zählt zu den Top-30 der Energieverbraucher weltweit. <Q>CBECI
Der Bitcoin zählt zu den Top-30-Energieverbrauchern weltweit. CBECI

 

Wäre Bitcoin ein Land, stünde er auf Platz 27 der größten Energieverbraucher der Welt. Ukraine, Norwegen und Schweden sind bereits überholt, Ägypten, Polen und Malaysia liegen noch rund 20 Prozent voraus, so der Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index (CBECI).

Der Energieverbrauch ist deshalb auch ein Thema im Regulierungsentwurf der EU für Kryptodienste, der unter dem Namen „Markets in Crypto Assets“ (MiCA) diskutiert wird, bislang lediglich im Parlamentsausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON). Am 28. Februar sollte der im Ausschuss erarbeitete Entwurf im EU-Parlament abgestimmt werden. Doch daraus wurde nichts. Kurzfristig hat der Vorsitzende des Ausschusses, Stefan Berger (CDU), die Abstimmung abgesetzt und eine weitere Überarbeitung des MiCA-Entwurfs im ECON-Ausschuss angekündigt. Neue Termine über Beratungen und Abstimmungen sind derzeit nicht bekannt – obwohl EZB-Chefin Christine Lagarde Druck ausübt, dass MiCA zügig beschlossen und in Kraft gesetzt werden sollte

MiCA soll breiten Rechtsrahmen schaffen

Die MiCA-Verordnung soll einen verbindlichen Rechtsrahmen für Kryptodienste in der gesamten EU schaffen, unter anderem für die Herausgabe von Krypto-Assets und das Anbieten von Dienstleistungen mit Bezug zu Krypto-Assets. Strengste Anforderungen werden an eGeld-Token gestellt, die den Wert einer Währung 1:1 abbilden sollen. Darunter wäre beispielsweise die Meta-Währung Diem gefallen, die der Facebook-Konzern inzwischen jedoch beerdigt hat (IT-Finanzmagazin berichtete). Stablecoins, die auf Währungen, einem Währungskorb, Rohstoffen oder anderen Krypto-Assets basieren, sollen künftig genehmigungspflichtig werden. Gleiches gilt für das Erbringen von Krypto-Dienstleistungen, insbesondere den An- und Verkauf von Krypto-Assets, ihre Verwahrung sowie den Betrieb von Krypto-Börsen.

Die Herausgabe anderer Krypto-Assets wäre lediglich anzeigepflichtig, wobei MiCA ein Set an Informationen vorschreibt, das der Herausgeber offenlegen muss. Daneben würde es allerdings auch weiterhin Krypto-Assets geben, die von MiCA nicht berührt werden. Darunter fallen beispielsweise Token, die klassische Finanzinstrumente wie Aktien oder Anleihen abbilden.

Der Grundgedanke hinter der Verordnung ist, dass auch für Transaktionen auf Basis von Digital-Ledger-Technologien (DLT) die gleiche Rechte und Pflichten gelten sollen wie für vergleichbare Aktivitäten in herkömmlichen Märkten, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die Finanzbranche begrüßt die Schaffung eines gesetzlichen Rahmens, der aber über die EU hinausreichen sollte:

<Q>Bundesbank
Bundesbank

Ich hoffe, dass MiCA auch als Blaupause für ähnliche Vorschriften in anderen Gerichtsbarkeiten dienen kann. Da Krypto-Assets ein globales Phänomen sind, das über geografische Grenzen hinaus operiert, brauchen wir einen harmonisierten Ansatz.“

Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank

Daneben geht es natürlich auch um die Verhinderung von Cyberkriminalität, und ökologische Fragen spielen ebenfalls eine Rolle.

Der CO2-Fußabruck des Krypto-Minings

Der hohe Energie-Verbrauch der Krypto-Branche ist insbesondere bei einigen Proof-of-Work-Konzepten gegeben. China hat deshalb das PoW-Mining komplett verboten, da es dort die Stromerzeugung aus Kohle stark befördert hat, was den Pariser Klimazielen zuwiderläuft. Auch im benachbarten Kasachstan soll das Mining für einen hohen Verbrauch an Kohlestrom verantwortlich sein und damit indirekt für die Überlegungen des Landes, den Energiebedarf mit neuen Atomreaktoren zu decken, behaupten Kritiker.

Dagegen sieht sich die Branche selbst auf einem guten Weg hin zu klimafreundlichem Mining. Das Bitcoin Mining Council, das nach eigenen Angaben mit 36 Teilnehmern rund 46 Prozent des Marktes vertritt, vermeldet bei den eigenen Mitgliedern eine Ökostrom-Quote von 66,1 Prozent, für die gesamte Branche liege der Wert bei 58,8 Prozent. Darüber hinaus gebe es deutliche Effizienz-Fortschritte, so die Präsentation zu den Zahlen des vergangenen Jahres.

Der inzwischen ins Bundeswirtschaftsministerium gewechselte Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold hatte demgegenüber geltend gemacht, dass die EU ähnlich wie bei elektrischen Verbrauchern die Entwicklung zu einem ökologischeren Kryptomarkt aktiv steuern sollte. Nicht nachhaltige Konsensmechanismen sollten identifiziert werden, um einen Grenzwert festzulegen, ab welcher Größe diese mit den Umweltzielen des Pariser Klimaabkommens und der EU nicht mehr vereinbar sind. Von großen Krypto-Assets, die auf nicht nachhaltiges Mining setzen, müssten Krypto-Dienstleister dann nach einer Übergangsfrist „ihre Finger lassen“, empfahl Giegold.

Mit dem technischen Fortschritt könnte die EU die Grenze dann immer weiter absenken – genau wie eben beim Energieverbrauch von elektrischen Haushaltsgeräten oder den Abgasen von Fahrzeugen. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Ethereum. Die Krypto-Währung will noch im Laufe des aktuellen Jahres den Wechsel vom „Proof-of-Work“- hin zum „Proof-of-Stake“-Konzept (PoS) vollziehen.

Tatsächlich ein „Todesstoß“?

Im ECON-Ausschuss hatten es Vertreter von sozialdemokratischen, grünen und linken Parteien tatsächlich geschafft, eine entsprechende Regelung im Entwurfstext zu verankern. Die Krypto-Branche lief dagegen in den vergangenen Tagen Sturm und machte medialen Druck. „SPD, Grüne und Linke wollen Bitcoin in Europa verbieten“ und „Todesstoß für Bitcoin und Ethereum: Kryptowährungen in Europa vor dem Aus“ lauteten einige der Schlagzeilen.

Die kritisierten Fraktionen wehren sich gegen derlei Behauptungen. Sie verweisen darauf, dass sie Kryptowährungen nicht verbieten wollen. Sondern im Gegenteil ihre Existenz sichern würden, indem das industrielle Schürfen von Kryptowährungen auf einen nachhaltigen Weg gebracht wird. Sie lehnen deshalb eine Neuverhandlung ab und bestehen auf der im Ausschuss erzielten Einigung.

Der Ausschussvorsitzende Stefan Berger sieht dagegen mit Blick auf genau solche Medienberichte noch Diskussionsbedarf. Einzelne Passagen des Berichtsentwurfs könnten missverständlich interpretiert und als POW-Verbot aufgefasst werden. Das könnte die Abstimmung im EU-Parlament in fataler Weise beeinflussen.

Dabei ist die Entscheidung der Abgeordneten nur ein Zwischenschritt auf dem langen Weg der EU-Gesetzgebung. Es schließt sich noch ein Trialog zwischen EU-Kommission, dem Parlament sowie den Mitgliedsstaaten an, in dem der Entwurf weiter verändert wird. Die endgültige Inkraftsetzung soll dann durch einen delegierten Rechtsakt der EU-Kommission erfolgen, die enthaltenen Standards würden dann ab 2025 gelten. hj

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