IT PRAXIS20. Oktober 2025

Blackbox-KI? Nicht im Finanzsektor!

Lothar Ludwig, Head of Strategic AI Projects bei Datagroup, klärt über reasoning-basierte Systeme auf <q>Datagroup
Lothar Ludwig, Datagroup Datagroup

Erklärbarkeit, Datenhoheit, Integration: Wer in Banken oder Versicherungen KI ernsthaft einsetzen will, braucht mehr als hübsche Texte. Dieses Praxisbeispiel zeigt, wie reasoning-basierte Systeme Kontrolle, Auditfähigkeit und echte Integration liefern – ganz ohne US-Cloud und Blackbox-Risiken.

von Lothar Ludwig, Datagroup

Im hochregulierten Finanzumfeld zählt bei KI-Einsatz vor allem eines: vollständige Erklärbarkeit und Auditfähigkeit. Viele gängige KI-Dienste unterliegen jedoch dem US-Rechtsraum – ein Compliance-Risiko, das Banken und Versicherer nicht eingehen können.
Gerade Large Language Models (LLMs) sind deshalb kaum tragfähig. Sie liefern keine nachvollziehbaren Entscheidungsgrundlagen, erzeugen teils unvorhersehbare Ergebnisse und lassen sich nicht auditieren. Für regulierte IT-Umgebungen sind diese Schwächen ein Ausschlusskriterium, vor allem, wenn Entscheidungen dokumentiert und revisionssicher sein müssen.

Reasoning Engines bieten hier einen klaren Vorteil. Sie arbeiten deterministisch und liefern jederzeit prüfbare Ergebnisse. Das erlaubt eine präzise Kontrolle über automatisierte Prozesse ohne Blackbox-Risiken.”

Entscheidungen entstehen nicht durch Wahrscheinlichkeiten, sondern auf Basis von kontextsensitiven Regeln. Für Banken und Versicherer bedeutet das volle Integrationsfähigkeit in bestehende Systeme, Erfüllung regulatorischer Anforderungen und echte digitale Souveränität. Und das ohne Abstriche bei Datenschutz oder Transparenz.

Implementierungsanforderungen eines Reasoning Engine

Der erfolgreiche Einsatz reasoning-basierter KI steht und fällt mit der strukturierten Wissensmodellierung. Denn die Basis ist ein sauber aufgebauter, konsistenter Wissensgraph, der laufend gepflegt werden muss.

Technisch ist die Integration in bestehende Systeme entscheidend. Anbindungen an Ticketsysteme, Monitoring-Tools oder Benutzerverwaltungen müssen stabil und performant laufen.”

In der Praxis sind Schnittstellen, Skalierbarkeit und geringe Reaktionszeiten die häufigsten Stolpersteine, besonders, wenn hohe Verfügbarkeiten gefordert sind.
Wer diese Grundlagen beachtet, kann eine Reasoning Engine direkt in bestehende IT-Prozesse einbinden, ohne Medienbrüche oder Schatten-IT. Das ist entscheidend für regulierte Organisationen.

Praxisbeispiel für reasoning-basierte Automatisierung

Lothar Ludwig, Datagroup
Dr. Lothar Ludwig hat In­for­ma­tik und Ma­the­ma­tik in Kai­ser­lau­tern und Tü­bin­gen stu­diert. Er pro­mo­vier­te im Fach In­for­ma­tik auf dem Ge­biet der künst­li­chen neu­ro­na­len Net­ze. In den ver­gan­ge­nen zwei Jahr­zehn­ten war Dr. Lud­wig in der Ge­schäfts­füh­rung und im Vor­stand von IT-Be­ra­tungs­un­ter­neh­men un­ter­wegs, be­vor er zu Datagroup (Website) wech­sel­te. Dort ver­ant­wor­tet er heu­te die Ein­füh­rung der Au­to­ma­ti­ons­platt­form Corintelligence.
Als IT-Dienstleister mit hochregulierten Kundensegmenten kennt Datagroup die besonderen Anforderungen an Künstliche Intelligenz in Bezug auf Datenschutz und digitale Souveränität. Viele der Vorgaben, die Banken, Versicherer oder FinTechs erfüllen müssen, gelten auch für die eigenen Services.
Als das Unternehmen deshalb den Einsatz einer eigenen KI plante, fiel die Entscheidung klar zugunsten einer reasoning-basierten Engine. Ausschlaggebend waren die vollständige Erklärbarkeit der Entscheidungen, die Möglichkeit des Betriebs in der eigenen Infrastruktur sowie die nahtlose Integration in bestehende Systeme. Als erster Einsatzort wurde der Service Desk gewählt, da hier ein hohes Anfragevolumen, wiederkehrende Abläufe und die Notwendigkeit schneller Reaktionszeiten zusammentreffen. Die eingesetzte Engine ist gezielt auf Effizienzsteigerung und Entlastung der Service-Teams ausgelegt. Sie ist an das interne Ticketsystem sowie an verschiedene Monitoring- und Managementsysteme angebunden, die Ereignisse wie Systemwarnungen oder Benutzeranfragen generieren.

Der Betrieb erfolgt vollständig innerhalb der eigenen Infrastruktur, alle sensiblen Daten verbleiben im Unternehmen.”

Die Wissensmodellierung erfolgt arbeitsteilig: Fachkräfte definieren Abläufe und Entscheidungspunkte, die in formale, maschinenverarbeitbare Regeln überführt werden. Semantische Graphen und regelbasierte Strukturen bilden die Grundlage für nachvollziehbare Entscheidungen der Engine.
Das System kommt bei Routinefällen ebenso zum Einsatz wie bei komplexeren Prozessen, wie beispielsweise der automatisierten Einrichtung neuer Benutzerkonten. Perspektivisch ist auch die Bearbeitung telefonischer Rückfragen vorgesehen.

Bereits heute wird ein Großteil der Anfragen (teil-)automatisiert bearbeitet.”

Durch die kontextbasierte Vorqualifikation von Anfragen konnte die mittlere Bearbeitungszeit in definierten Servicefeldern signifikant reduziert werden. Parallel dazu ließ sich die manuelle Bearbeitung standardisierter Tasks um mehrere Stunden pro Woche pro Mitarbeitenden senken.

Erfolgsfaktoren für den Einsatz

Die Einführung reasoning-basierter Systeme ist weit mehr als ein IT-Projekt. Sie steht und fällt mit der Akzeptanz in den Fachabteilungen. Aus den Implementierungen im Service Desk von Datagroup ergeben sich drei zentrale Learnings:
1. Die Nutzer müssen Vertrauen in die Vorschläge des Systems entwickeln. Das gelingt nur, wenn die Ergebnisse fachlich korrekt, nachvollziehbar und konsistent sind. Grundlage dafür ist eine qualitativ hochwertige und logisch strukturierte Wissensbasis.
2. Die Automatisierung erfolgt nicht über starre Standardprozesse, sondern kontextbasiert. Dadurch lassen sich auch komplexe Einzelfälle zuverlässig abbilden. Das ist insbesondere für Unternehmen von Bedeutung, deren Abläufe nicht vollständig standardisierbar sind.
3. Schulungen, interne Kommunikation und die enge Zusammenarbeit zwischen IT und Fachabteilungen sind notwendig, damit das System effektiv eingesetzt werden kann. Nur wenn das Wissen präzise modelliert und kontinuierlich gepflegt wird, kann die Engine dauerhaft einen Mehrwert liefern.

Reasoning-basierte KI für souveräne IT-Strategien

Auch für regulierte Finanzinstitute, die auf nachvollziehbare und datensouveräne IT-Strukturen angewiesen sind, stellt reasoning-basierte KI eine langfristig tragfähige Alternative zu generativen Modellen dar. Sie ermöglicht Automatisierung ohne Kontrollverlust und lässt sich nahtlos in bestehende Infrastrukturen integrieren.

Ein zentraler Vorteil liegt in der vollständigen Datenhoheit. Die Systeme können innerhalb der eigenen Infrastruktur betrieben werden, externe Datenabflüsse werden vermieden.”

Gleichzeitig lassen sich regulatorische Vorgaben zur Nachvollziehbarkeit und Dokumentation technisch sauber abbilden. Das schafft Vertrauen bei Aufsichtsbehörden ebenso wie bei internen Revisionseinheiten.
Reasoning-basierte Architekturen bieten damit eine stabile Grundlage für nachhaltige KI-Strategien in Banken, Versicherungen und anderen regulierten Bereichen. Sie eröffnen neue Effizienzpotenziale, ohne Kompromisse bei Sicherheit oder Compliance. Für IT-Organisationen ist das ein entscheidender Schritt in Richtung digitaler Eigenständigkeit und vertrauenswürdiger Automatisierung. Lothar Ludwig, Datagroup

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