STRATEGIE28. November 2025

“Erfolgreiche Institute verstehen die Daten ihrer Kunden”

Schwerpunkt: Kernsysteme
Oliver Scharf betreut Firmenkunden.
Oliver Scharf, Head of Visa Commercial Solutions in Zentraleuropa Visa

Ob Banken ihre Firmenkunden noch erreichen, entscheidet sich im Frontend. Dabei sind Zahlungen kein Randthema, sondern der technische Prüfstein moderner Prozessintegration. Oliver Scharf, Leiter Visa Commercial Solutions Zentraleuropa, erläutert, wie Banken konkurrenzfähig bleiben.

von Dunja Koelwel

Herr Scharf, wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf im Firmenkundengeschäft der Banken und welche Rolle spielen Zahlungen dabei?

Banken haben eine gefestigte Position im Firmenkundengeschäft und bleiben zentrale Partner, etwa bei Unternehmensgründung und Finanzierung. Gleichzeitig weichen Unternehmen für operative Themen, insbesondere im Zahlungsverkehr, zunehmend auf spezialisierte Anbieter aus. Das liegt daran, dass viele Firmen heute ihre internen Abläufe von der Rechnungsfreigabe bis zur Ausgabenkontrolle automatisieren. Damit diese Prozesse reibungslos funktionieren, müssen auch Zahlungen nahtlos digital eingebunden sein. Entscheidend ist daher, dass Banken Zahlungen nicht als isolierten Service betrachten, sondern als integralen Bestandteil der digitalen Infrastruktur ihrer Kunden verstehen.

Gerade bei mittelständischen Unternehmen wächst dieser Wunsch nach einfachen und effizienten Abläufen. Wie muss ein digitales Frontend aussehen, damit es für diese Kundengruppe Mehrwert bringt?

Oliver Scharf
Oliver Scharf ist Head of Visa Commercial Solutions (Webseite) in Zentraleuropa. In dieser Funktion leitet er das B2B-Zahlungsverkehrsgeschäft  in der Region. Er arbeitet mit Banken, Acquirern, Fintechs und Technologieplattformen, um B2B-Lösungen anzubieten und die Markteinführung voranzutreiben.

Über die Hälfte der mittelständischen Firmenkunden nutzt neben ihrer Hauptbank weitere Anbieter. Diese Fragmentierung kostet Zeit und erhöht den administrativen Aufwand. Ein digitales Frontend schafft dann echten Mehrwert, wenn es diese Aufgaben bündelt und in einer zentralen Oberfläche zusammenführt. Im Idealfall entsteht ein „One-Stop-Shop“, über den Unternehmen ihre Finanzprozesse zentral steuern können. Virtuelle Karten gewinnen dabei an Bedeutung, weil sie sich über APIs technisch unkompliziert in bestehende Software-Tools und Abläufe der Unternehmen einbinden lassen. Banken, die dieses Bedürfnis erkennen und entsprechende Lösungen anbieten, sind attraktive Partner für Unternehmen.

Viele Banken arbeiten noch mit komplexen Kernbanksystemen. Welche technologischen Schritte sind nötig, um neue digitale Services schneller und flexibler in diese Strukturen zu integrieren?

Tatsächlich stehen viele Banken vor der Frage, ob sie neue Funktionen auf ihren Legacy-Plattformen selbst entwickeln, extern einkaufen oder über Partner integrieren.

Gerade bei Themen wie Beleg- und Rechnungsmanagement, der Vereinfachung der Steuererklärung oder Finanzplanung sind spezialisierte Softwareanbieter oft schneller und Unternehmen nutzen bereits etablierte Tools.”

Offene, standardisierte API-Schnittstellen ermöglichen es, solche Lösungen ohne weitreichende Eingriffe in das Kernbankensystem flexibel und sicher in bestehende Systeme einzubetten.

Was zeichnet erfolgreiche Banken im Umgang mit ihren Firmenkunden aus?

In der Zusammenarbeit mit unseren Bankpartnern sehen wir, dass Banken vor allem dann erfolgreich sind, wenn sie ihren Firmenkunden nicht nur als Finanzdienstleister, sondern als Partner im Tagesgeschäft begegnen. Erfolgreiche Institute verstehen die Daten ihrer Kunden und erkennen früh, wo Handlungsbedarf entsteht, etwa im Liquiditätsmanagement. 90 Prozent der Unternehmenskunden wünschen sich einen einfacheren und schnelleren Zugang zu Liquidität, beispielsweise über kurzfristige Kredite. Wer diesen Bedarf durch digitale Workflows gezielt adressiert, stärkt seine Position nachhaltig.

Wenn Sie nach vorn blicken: Welche Trends werden das digitale Firmenkundengeschäft in den nächsten Jahren prägen?

Zum einen sehen wir, dass sich die Art der Ausgaben im Firmenkundengeschäft verändert. Online- und grenzüberschreitende Ausgaben nehmen zu. Wenn Zahlungen zunehmend in den digitalen Raum wandern, wird auch die Erwartung, dass sie sich von der Freigabe bis zur Verbuchung digital abbilden lassen, weiter wachsen. Gleichzeitig steht ein Generationenwechsel an: Die Gen Z bringt eine neue Haltung zu Technologie mit. Sie erwartet automatisierte, durchgängig digitale Abläufe. Hier kommen KI-Agenten ins Spiel. Sie könnten zukünftig Zahlungen innerhalb klar definierter Regeln eigenständig vorbereiten, anstoßen und dokumentieren. In der Branche arbeiten wir aktuell an einem Regelwerk für KI-Agenten, um das in der Breite umzusetzen. So wird die digitale Filiale der Zukunft deutlich stärker von Automatisierung, offenen Schnittstellen und KI-gestützten Prozessen geprägt sein.

Herr Scharf, vielen Dank für das Interview. dk

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