STRATEGIE15. Juli 2025

Ohne die Modernisierung der eigenen Payment-Infrastruktur zahlt Deutschland drauf

Schwerpunkt: Transaktionen der Zukunft
Barnabás Ferenczi ist Head of Strategy & Marketing PayTech Business, Giesecke+Devrient, spricht sich für eine Modernisierung der Payment-Infrastruktur in Deutschland aus.
Barnabás Ferenczi ist Head of Strategy & Marketing PayTech Business, Giesecke+DevrientG+D

Echtzeitüberweisungen sind schnell – und auch der Tag, an dem sie laut EU-Richtlinie verpflichtend für Banken werden, rückt in großen Schritten näher. Doch wie soll dieser – und andere – neue Bezahl-Highways im Detail gestaltet werden? In Deutschland gibt es Ausbaubedarf nicht nur bei Brücken und Straßen, sondern auch bei der Bezahl-Infrastruktur. Andere Länder sind hier mit eigenen Lösungen weitaus besser aufgestellt. Es spricht daher viel dafür, das deutsche Zahlungs-Ökosystem der Banking-Branche rasch und pragmatisch zu modernisieren, privatwirtschaftlich orientiert.

von Barnabás Ferenczi, Head of Strategy for Financial Platforms, G+D

Während eine Bezahlinfrastruktur das Gleis ist, an dem entlang die Transaktion stattfindet, stellt das Payment-Scheme die (Verkehrs-) regeln und Prozesse bereit. SWIFT für internationale Banküberweisungen ist z.B. eine Bezahlinfrastruktur, während eine „Scheme“ Bezahlkarten oder digitale Wallets umfasst. Und für beide Bereiche gilt: Länder wie Frankreich, Spanien oder die Schweiz sind die europäischen Vorreiter. Deutschland dagegen eher nicht.

Mit ihren eigenen, lokal verankerten Zahlungslösungen haben diese Länder eine Balance zu den globalen Anbietern geschaffen.”

Und zwar durch echten Mehrwert, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Benutzerinnen und Benutzer vor Ort. Wenn jemand in der Schweiz „twintet“, oder in Frankreich in Kürze eine sichere E-Commerce-Transaktion mit Cartes Bancaires tätigt, nutzt man national verankerte Bezahlmethoden, die sich im Wettbewerb mit den – für Innovation bekannten – internationalen Lösungen bewiesen haben. Zu erwähnen ist hier natürlich auch die „European Payment Initiative“ mit dem digitalen Wallet Wero. Im globalen Kontext sind weitere Länder auf dem Vormarsch: In Australien hat man die nationalen Bezahlsysteme unter einer privatwirtschaftlichen Dachorganisation in einem Multi-Ökosystem zusammengeführt mit dem Namen AP+. Brasilianische Verbraucher nutzen das Sofortzahlungssystem PIX schon seit 2020, und in Indien hat sich mit UPI ebenfalls ein lokales System etabliert. Die letzteren wurden von „oben“, von den jeweiligen Zentralbanken, eingeführt, um niedrigschwelliges Bezahlen auch im „Low-end“-Segment des Handels zu bieten.

Alle lokalen Varianten eint ein gemeinsames Prinzip: Sie sind regulativ abgesichert, einfach einzurichten und zu nutzen – wenn auch nicht immer optimal gegen Betrug abgesichert.”

Die Nutzerinnen und Nutzer profitieren davon dennoch in ihrem Alltag, ebenso wie Handel und Wirtschaft. Konkret gesprochen: Bis März 2025 wurden über das PIX-System bereits mehr als 6,25 Milliarden Zahlungen abgewickelt. Das entspricht einem Anstieg von rund 30 Prozent innerhalb eines Jahres. Beindruckende Zahlen.

Wake-up-call für Germany

Nationale Payment-Strukturen bringen zusätzliche Innovationsimpulse, mehr Bezahlmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher, und eine bereichernde Koexistenz von lokalen und internationalen Playern. Es geht explizit nicht um ein Entweder-Oder, was in der heutigen, globalisierten Welt niemals ein wünschenswerter Weg ist. Aber, um nochmal die Verkehrsanalogie zu bemühen: Jedes Land hat eigene Straßen, genauso wie eine Anbindung ans internationale Verkehrsnetz. Auf die Payment-Welt übertragen, bedeutet dies: strategische Resilienz und offene Autonomie.

Und in Deutschland? Hier gibt es – neben der Resilienz – Aufholbedarf bei der digitalen Transformation. Das bedeutet in diesem Fall: digitales Bezahlen.

So stark wie unser Karten-Ökosystem mit Girocard ist, so sehr fehlt es noch an integrierten, sicheren Online-Bezahloptionen, wie es etwa die geplante Funktion „Click to pay“ in Frankreich vormacht.”

Das ähnliche, umfangreichere Funktionalitäten auch in Deutschland empfehlenswert wären, zeigt sich laut einer Studie auch im sinkenden Marktanteil. Eine Entwicklung einer komplexen Bezahlinfrastruktur braucht Zeit. Aber das Gute ist: Man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern kann auf ein so etabliertes Zahlungssystem wie der Girocard aufsetzen. Die Vorteile liegen auf der Hand:

Für Handel und Wirtschaft bedeutet eine zukunftsfähige Bezahlkarte perspektivisch mehr Wettbewerb im Zahlungs-Ökosystem; und durch Koexistenz von starken lokalen und internationalen Lösungen bleiben die Kosten überschaubar.”

Für die deutschen Banken ist ein so etabliertes Bezahlsystem ein wertvolles Asset in den Büchern – mit noch größerem zukünftigem Potenzial, eine genaue Marktorientierung vorausgesetzt. Bei den Verbrauchern genießt die Girocard hohe Akzeptanz als das meistgenutzte bargeldlose Zahlungsmittel am Point-of-Sale in Deutschland. Dies macht sie auch für Wero interessant. Und all das ist für die Banken wiederum strategisch wertvoll (Stichwort: Top-of-Wallet).

Die Brücke zwischen analoger Tradition und digitaler Zukunft von Payments

Autor Barnabás Ferenczi, Giesecke+Devrient
Bar­n­abás Fe­renc­zi ist seit 2012 bei Gies­ecke+De­vri­ent (Website), seit 2020 als Head of Stra­te­gy & Mar­ke­ting Pay­Tech Busi­ness. In die­ser Funk­ti­on lei­tet er un­ter an­de­rem den Be­reich Stra­te­gie mit glo­ba­ler Ver­ant­wor­tung für das ge­sam­te Pay­Tech-Spek­trum von G+D. Seit An­fang die­ses Jah­res ist er zu­dem Vor­stand­svor­sit­zen­der des Ar­beits­krei­ses Di­gi­ta­ler Zah­lungs­ver­kehr beim Di­gi­tal­ver­band Bit­kom. Von 1998 bis 2012 war er Mit­glied der un­ga­ri­schen Zen­tral­bank Ma­gyar Nem­ze­ti Bank, zu­letzt als Di­rec­tor of Cash Stra­te­gy & Operations.
Während sich die Zentralbanken mit dem Digitalen Euro um ein neues und innovatives europäisches Ökosystem bemühen, sollte man gleichzeitig das vorhandene und breit akzeptierte Asset, die Girocard, pragmatisch modernisieren. Mit einer solchen Erweiterung der Systeme haben wir die richtige Basis, auf der eine tragfähige Brücke zwischen physischen und digitalen Lösungen errichtet werden kann.

Und was bringt die Zukunft noch? Einen Zielkonflikt zwischen Schnelligkeit und Sicherheit, der aktuell bei Instant Payment besonders hochkocht. Beispielsweise hat Australien nach einer riesigen Betrugswelle deshalb die abgesicherte Variante entwickelt. Diesen Weg will auch die EU gehen:

SEPA-gestütztes Instant Payment bzw. -Echtzeitüberweisungen, wie es die EU-Richtlinie vorsieht, versprechen hier ein gewisses Sicherheitslevel – auch bei Geldtransfers rund um die Uhr, innerhalb von nur zehn Sekunden.”

Denn Sofortzahlungen dürfen keine Quelle von Echtzeitbetrügereien werden. Ein europäischer Weg zwischen Schnelligkeit und Sicherheit ist deshalb eine gute Route.

Wenn wir pragmatisch vorgehen und auf den wertvollen Assets aufbauen, die wir bereits haben, sind wir rasch und zukunftsfähig ganz vorne mit dabei.Barnabás Ferenczi, Giesecke+Devrient

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