OMR-Festival 2025: Galloway kritisiert BigTech – Wer übernimmt Verantwortung?

von Dirk Emminger

OMR via DOMINIK SCHREINER
Seine These: Die digitale Elite sei aktuell vor allem eines – feige. Anstatt sich politisch zu positionieren oder Verantwortung zu übernehmen, fügten sich die Konzerne dem Druck – Galloway sprach sehr offen “they are kissing asses!”
Doch nicht alle kamen bei ihm schlecht weg: Besonders Meta stellte er als potenziell erfolgreichstes Unternehmen des Jahres heraus. Drei Gründe nannte er dafür: massive Datenmengen, die sich perfekt für KI-Trainings eignen, eigene Rechenzentren mit Nvidia-Infrastruktur – und genug Kapital, um sich die besten Talente weltweit zu sichern.

OMR_JuliusBär LinkedIn
Mit dieser Keynote machte Galloway schon am Anfang klar: Wer die OMR nur als Werbe-Bühne für Tools und Creator abtut, unterschätzt das politische Potenzial dieses Festivals. Zwischen Buzzwords und Selfie-Spots wurde hier gleich zu Beginn ein klarer Ton gesetzt – mit kritischem Blick auf Macht, Kapital und Verantwortung in der digitalen Welt.
Modernes Private Banking mit persönlicher Note: Julius Bär auf exklusiver OMR-Tour
Seit einigen Jahren bietet das OMR-Festival geführte Touren für Unternehmensgruppen an – meist für Agenturen, Tech-Start-ups oder Digitalabteilungen großer Marken. Umso überraschender war es, auf dem Weg in die Ausstellerhallen auf eine Delegation zu treffen, die man dort auf den ersten Blick vielleicht nicht erwartet hätte: die Schweizer Privatbank Julius Bär.
Die Bank nutzte das OMR-Umfeld, um mit ausgewählten Gästen in einen gezielten Austausch über digitale Trends zu gehen – jenseits des typischen Messebetriebs. Die eigens konzipierte Tour führte hinter die Kulissen des Festivals, beinhaltete den Besuch der Main Stage, unter anderem während der großen Keynotes, sowie Treffen mit Start-ups und Speakern.
Wie aus einem LinkedIn-Beitrag von Simone Grein, Communication & Marketing bei Julius Bär, hervorgeht, wurde die Veranstaltung als besondere Gelegenheit genutzt, um die OMR erlebbar zu machen. Lars Hußmann, Executive Director aus Hamburg, brachte es in einem persönlichen Gespräch auf den Punkt: „Die OMR ist kein klassisches Terrain für Privatbanken – genau deshalb sind wir hier. Wir wollen zeigen, dass Private Banking heute auch dort relevant ist, wo über digitale Zukunft und neue Geschäftsmodelle gesprochen wird.“
Julius Bär zeigt, dass Digitalisierung im Wealth Management nicht zwingend heißt, den 25. Robo-Advisor zu bauen, sondern dort präsent zu sein, wo digitale Zukunft tatsächlich verhandelt wird – auf eine Weise, die zur Marke und zur Zielgruppe passt. Eine kluge Initiative, die in Erinnerung bleibt.

Dirk Emminger
FFWD keine eigene Halle, sondern nun in Halle 4 – Bühne frei, aber wer kam wirklich?
In diesem Jahr präsentierte sich Finance Forward erstmals nicht mehr als eigenständige Konferenz, sondern als integraler Bestandteil des OMR-Festivals. Die Inhalte wurden über mehrere Bühnen verteilt, wodurch Themen rund um Fintech, Banking und digitale Transformation einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wurden. Trotz dieser Dezentralisierung blieb Finance Forward ein klarer Anlaufpunkt für Brancheninsider – nicht zuletzt dank eines kompakten, aber gut platzierten Bereichs in Halle A4.
Am Stand selbst traf man sich dann in eher kleinen Runden. Neben dem Auftritt von Schufa-Chefin Tanja Birkholz, Raisin-Gründer Tamaz Georgadze, Coinbase-Manager Denny Morawiak oder VC-Investor Florian Heinemann nutzte auch Anne Brorhilker, ehemalige Cum-Ex-Ermittlerin, die Gelegenheit, um ihre Perspektive auf Lobbyarbeit und Regulierung im Finanzsystem direkt mit dem Publikum zu teilen. Dazu kamen Redaktionsgespräche und Q&A-Formate, die den Stand zwar nicht überlaufen, aber sichtbar machten.
Parallel fanden auch einige ausgewählte Speaker aus dem Finanz- und Fintech-Umfeld ihren Weg auf die größeren OMR-Bühnen. Dort zeigten Formate wie der Auftritt von N26-CEO Valentin Stalf, Eric Demuth von Bitpanda oder Klarna-Europachefin Nicole Defren, wie stark Banking, Payments und KI mittlerweile in den Digital-Diskurs integriert sind. Defren sprach auf dem Fintech-Panel von Finance Forward über Künstliche Intelligenz als zukünftige Schnittstelle zwischen Zahlungsdienst und Finanzberatung – Klarna arbeite bereits an einem eigenen Finanz-KI-Assistenten. Auch Raisin-CEO Tamaz Georgadze betonte, dass KI helfen könne, Komplexität abzubauen:
Die Leute sind oft von der Komplexität überfordert – KI kann helfen, einfach verständliche Antworten zu geben.“
Der gemeinsame Nenner: Fintech will breiter denken – und barrierefreier erklären.
Die klassische Konferenzatmosphäre wich 2025 einem Netzwerk-Ökosystem, das durch exklusive Formate wie das Executive Dinner und Touren noch ergänzt wurde.

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Gerade im direkten Vergleich zu den lauten Formaten der Non-Banking-Speaker auf der OMR, von Creator Panels bis zu coolen Startup-Talks, wirkten manche Finance-Talks doch eher vertraut – oder sagen wir: vorhersehbar. Zwischen dem 28. Auftritt von N26, routiniert vorgetragenen Statusberichten und einer Keynote von Dirk Nowitzki – der zwar für Aufmerksamkeit sorgt, aber letztlich mehr Werbefigur als Bank- oder Investmentstratege ist – stellt sich die Frage, wie sich Finanzthemen auf einem Festival wie der OMR künftig frischer, mutiger und anders erzählen lassen.
Bezahlt wird immer – und wer sichtbar bleiben will, muss liefern
Wer sich durch die Hallen der OMR bewegt, kommt an Payments nicht vorbei – und genau das zeigte sich auch in diesem Jahr. Adyen, Mollie und PayPal nutzten ihre Präsenz, um nicht nur ihre Technologien zu präsentieren, sondern vor allem ihre Rolle als Infrastruktur-Player im digitalen Handel zu betonen. Vom Checkout-Optimierungstool bis zur Embedded-Finance-Plattform: Die Anbieter positionierten sich als Schnittstellenmanager, nicht mehr nur als reine Transaktionsverarbeiter.
Bemerkenswert war jedoch auch, wer nicht vor Ort war: Stripe fehlte erneut – ebenso wie ein sichtbarer Beitrag der Deutschen Kreditwirtschaft. Zwei Abwesenheiten, von der eine vielleicht sogar einen eigenen Artikel wert wären.
Besonders laut wurde es bei PayPal: Mit dem Claim „Bye-bye Bares“ kündigte der Bezahldienst den Start seiner ersten kontaktlosen Wallet für den stationären Handel an – ein strategischer Schritt, um auch außerhalb des E-Commerce wieder relevanter zu werden. Geoff Seeley, seit 2024 CMO und zuvor bei Airbnb, formulierte es klar:
Ein einzelner Button ist nicht genug.“
PayPal wolle raus aus der Online-Nische und zurück auf die Shortlist der Konsumenten – präsent bei jedem Bezahlmoment, nicht nur im Online-Warenkorb.
Die Konkurrenz ist größer geworden: Shopify Pay, Apple, Klarna und andere setzen längst Maßstäbe bei der User Experience. PayPal will kontern – mit neuer Markenpositionierung, smarterem Auftritt und Features wie Rabatten und Ratenzahlungen. Ziel: die Transformation von der vertrauten Online Zahlungsoption zur wiedererkennbaren Consumer Brand im Alltag.
Kurzum: Payment ist kein Beiwerk mehr – es ist Kernstück der digitalen Experience. Wer hier noch über Gebühren spricht, hat das Spiel schon verloren.

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Wer auf der Suche nach Substanz war, fand sie – wie so oft – in den Masterclasses. Über 270 dieser vertiefenden Sessions wurden in diesem Jahr angeboten, zugangsbeschränkt, aber dafür meist mit gutem Content. Besonders dann, wenn die 90 Minuten nicht nur zur Produktwerbung genutzt wurden, sondern einen echten Deep Dive boten. So etwa bei Storyblok, einem der führenden Headless-CMS-Anbieter weltweit, der in seiner Session die Relevanz moderner Content-Architekturen auch im Finanzumfeld adressierte. Dass eines der innovativsten CMS-Unternehmen dabei aus Österreich stammt, kein einziges Büro betreibt und dennoch mit über 230 Mitarbeitenden aus mehr als 45 Ländern operiert, passte gut ins Gesamtbild der OMR 2025: global, remote, technologiegetrieben – und in den besten Momenten auch wirklich relevant.
State of the German Internet – zwischen KI-Müdigkeit und Apple-Momentum
Wer dachte, KI sei durch – hat nicht zu Ende gedacht. Auch 2025 war der traditionsreiche OMR-Programmpunkt “State of the German Internet” wieder gesetzt, dieses Mal mit einem klaren Schwerpunkt auf die Schattenseiten des aktuellen KI-Booms. Roland Eisenbrand sprach offen vom „AI Slop“ – dem digitalen Matsch, den minderwertige KI-Inhalte im Netz hinterlassen. Die Folge: Vertrauensverlust und digitale Erschöpfung. Rund 70 Prozent der Nutzer:innen glauben laut OMR nicht mehr, was sie im Netz sehen. Der Gegentrend heißt „In Real Life Marketing“: raus aus der Timeline, rein in echte Begegnungen – sei es über Running Clubs auf Strava oder über neue Formen von Produktinszenierung am Point of Sale.
Parallel dazu entwarf Philipp Klöckner in seinem Vortrag „Beyond the AI Hype“ ein differenziertes Bild: Die großen Modelle werden stetig besser – mit IQ-Werten jenseits der 140. Doch der Zugang zum Massenmarkt bleibt bislang diffus. Genau hier liegt für Klöckner die große Chance für Apple. Während andere an Supermodellen feilen, hält Apple mit iPhone, AirPods & Co. bereits die leistungsstärksten Distributionskanäle in der Hand. „AI for the rest of us“ – so die stille Vision aus Cupertino, angelehnt an die ikonische Macintosh-Kampagne der 1980er.
Das Rennen um die beste KI entscheidet sich nicht allein über Modellarchitektur – sondern über die Schnittstelle zum Alltag.
Abseits der großen Bühnen sprachen wir mit Patrick Helmig, Mitgründer von Omnifact. Das Frankfurter Unternehmen arbeitet an einer datenschutzkonformen KI-Plattform für regulierte Branchen – darunter Banken, Versicherungen und öffentliche Verwaltungen. Ziel ist es, generative KI nicht als Einzellösung zu denken, sondern als strukturierte Assistenztechnologie, die sich tief in bestehende Daten- und Prozesslandschaften integrieren lässt – ohne Kompromisse beim Datenschutz.
Helmig beschreibt einen klaren Wandel:
Wir erleben aktuell, dass innovative Player in Banken und anderen regulierten Industrien von der reinen Nutzung der Modelle als simplen Chatbot in Phase-2-Usecases übergehen. In Zukunft müssen wir – gerade in Deutschland – sicherstellen, dass das zweifellos kommende Agentic Web nicht ausschließlich von US-Playern dominiert wird. Komplexere Tasks – oder auch Trendthemen wie Vibe Coding – müssen wir auch regulatorisch in den Griff bekommen.“

Dirk Emminger
Der Gedanke passt zur übergeordneten Debatte: Während die Leistungsfähigkeit der Modelle weiter zunimmt, stellt sich zunehmend die Frage, wer den Zugang, das Vertrauen und die Infrastruktur für eine skalierbare Nutzung in der Breite bereitstellen kann.
Kommen wir nächstes Jahr wieder? Das Hotel ist schon gebucht.
Auch wenn die neue Einbettung von Finance Forward ins OMR-Festival nicht in jeder Hinsicht optimal gelöst ist, bleibt die Veranstaltung für unsere Branche relevant – allein schon wegen der großen Momente: Galloways Predictions, der „State of the German Internet“ oder PIPs legendäre Folienschlacht liefern Jahr für Jahr neue Impulse.
Das Beispiel von Julius Bär zeigt, wie man Events auch aus Banking-Sicht kreativ und wirkungsvoll nutzen kann. Vielleicht braucht es 2026 noch ein paar gezieltere Netzwerktreffen – gerne auch mal abseits der Panels, mit mehr Austausch in entspannter Atmosphäre. Oder einfach eine stabile Standparty.
Save the Date: OMR 2026 – am 5. & 6. Mai in Hamburg.Dirk Emminger
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