Prozesse filetieren: Rezeptideen zur Wiederverwendung
von David Freund, Partner und Principal Consultant bei Senacor Technologies

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Hier kommt das Filetieren ins Spiel: Prozesse werden in klar umrissene, handliche Stücke zerlegt – wie ein Profi-Koch das Filet vom Knochen trennt.”
Wozu der Aufwand?
–Arbeitsteilung: Verschiedene Teams können parallel an unterschiedlichen Prozessabschnitten arbeiten. –Verantwortung: Jeder weiß, wofür er zuständig ist und muss nicht alles kennen. –Wiederverwendung: Die besten Zutaten (Teilprozesse) tauchen in vielen Gerichten wieder auf – Effizienz pur.Hauptgang: Die Kunst des Filetierens

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Die Kunst beim Prozesse filetieren liegt darin, Prozesse einerseits klein genug zu schneiden, dass sie sich häufig wiederverwenden lassen, andererseits nicht so klein, dass der administrative Overhead den Nutzen der Wiederverwendung übersteigt.
Bei Onboardingprozessen im Finance-Bereich lassen sich mehrere gute Kandidaten identifizieren:
–Legitimation / KYC: Jeder Bankkunde – egal ob Einzelperson, Gemeinschaft oder Firma – muss legitimiert werden. –Produktanlage: Konto, Karte, Onlinebanking – vieles davon läuft nach festen Mustern ab. –Zugangsdaten: Neukunden benötigen ihre Zugangsdaten und dabei können auch direkt elektronische Postfächer aktiviert werden, um zukünftig Versandkosten zu sparen.Das Beispiel aus der Praxis: Onboarding neu gedacht

Durch das Filetieren entstehen Teilprozesse wie:
–Auftragsannahme/Vertragserstellung
–Legitimation (KYC)
–Kontoanlage
–Kartenbestellung
–Onlinebanking-Anlage
Durch geschickte Kombination kann ein Großteil der Prozessschritte wiederverwendet werden und nur kundengruppen- oder produktspezifische Schritte müssen individuell gebaut werden.”
Schnitttechniken: Perlenkette oder Orchestrator?
Die Art und Weise, wie Prozesse miteinander verbunden werden, ist entscheidend. Auf den ersten Blick sind zwei Methoden denkbar:
Perlenkette: Jeder Prozess kennt seinen Nachfolger und reicht den Prozess nach Abschluss weiter. Das klingt auf den ersten elegant, wird aber schnell unübersichtlich, wenn es viele Varianten gibt oder Zwischenschritte mehrfach aufgerufen werden.
Orchestrator: Ein Hauptprozess ruft die einzelnen Teilprozesse in der passenden Reihenfolge auf. Das ist flexibler, einfacher zu überwachen und auch Änderungen lassen sich leichter einbauen. Dafür ist mit dem Hauptprozess ein zusätzlicher Prozess aufzusetzen, der gepflegt und verantwortet werden muss.
Der Orchestrator-Ansatz ist meist nachhaltiger, weil er eine zentrale Steuerung erlaubt und einzelne Prozessschritte beliebig oft wiederverwendet und kombiniert werden können.”
Beilagen: Herausforderungen und Stolpersteine

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Jedes Rezept hat seine Tücken. Wer Prozesse filetiert, wird schnell feststellen: Die schöne Theorie bringt in der Praxis neue Herausforderungen mit sich!
1.Verantwortung & Governance: Wer pflegt und entwickelt die Teilprozesse weiter und stellt sicher, ob Änderung in einem Teilprozess Auswirkungen auf andere Prozesse hat? Was passiert bei solchen Breaking Changes und wie erfolgt die gemeinsame Weiterentwicklung? 2.Betrieb: Mehr Prozesse bedeuten mehr Schnittstellen, mehr Monitoring, mehr Betriebsaufwand und im Fehlerfall Abstimmungen zwischen den einzelnen Teilprozessen 3.Kosten: Der Aufbau von Teilprozessen erfordert häufig zusätzliche Infrastruktur, ggf. auch Lizenzen. Wer trägt die Kosten und werden diese zwischen den verschiedneen Prozessen verrechnet?
Diese Teilprozesse lassen sich flexibel kombinieren und orchestrieren.”
Das spart Zeit, reduziert Fehler und sorgt dafür, dass Verbesserungen am KYC-Prozess sofort allen Kundengruppen zugutekommen.
Filetieren in der Organisation: Wer darf ran?

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Die Frage, wer Prozesse filetiert, ist entscheidend:
–Fachbereiche schneiden oft zu kleinteilig, wenn sie nur nach Zuständigkeit gehen.–Architekten liefern eine 80%-Lösung, indem sie Domänen und Funktionen vorab aufteilen.
–Das beste Rezept ist ein Mix: Ein initialer Architektur-Entwurf, danach iteratives Nachschärfen mit dem Team.
Best Practices – damit aus Filet kein Hack wird
Damit Prozess-Filetieren ein voller Erfolg wird, empfehlen sich diese goldenen Regeln:
–Fachlich statt organisatorisch schneiden: Prozesse nicht nach organisatorischen Zuständigkeiten schneiden. Da Organisationseinheiten oft nur kleine Prozessbereiche abdecken, wären jedem Teilprozess nur einzelne Schritte zuordnungsbar. –Teilprozesse klar abgrenzen: Schnittstellen müssen eindeutig, verständlich und möglichst stabil bleiben. –Gute Dokumentation: So bleibt nachvollziehbar, was ein Teilprozess tut und wie er eingebettet ist. –Früh und oft testen: Änderungen in einem Teilprozess können viele andere Prozesse beeinflussen. Automatisierte Tests und Staging-Umgebungen sind ein Muss. –Iterativ verfeinern: Die genauen Abgrenzungen zwischen den Prozessen findet man häufig erst bei der ersten oder zweiten Wiederverwendung.Digestif
Richtig gemacht, ist das Filetieren von Geschäftsprozessen der Schlüssel zu skalierbaren, flexiblen und wiederverwendbaren Abläufen.
Die Herausforderungen sind real, aber mit einem bewussten Ansatz und dem richtigen Augenmaß überwiegen die Vorteile.”
Checkliste vor dem Prozessfiletieren
–Gibt es ausreichend komplexe Prozesse, dass sich ein Aufteilen in Teilprozesse lohnt ? Mindestens 30-40 Schritte sollte der Prozess haben, bevor man ihn aufteilt. –Gibt es mindestens drei Prozesse, die die Teilprozesse nutzen können? Vorher sind die Aufwände wahrscheinlich höher als die Synergien. –Existiert bereits eine Orchestrierungslösung (bspw. Camunda) in der die Prozesse abgebildet werden können? –Wie sollen die Prozesse technisch miteinander kommunizieren, bspw. über ein zentrales API-Gateway oder asynchron über Kafka oder proprietäre Lösungen der Orchestrierungsplattform? –Gibt es eine Lösung für die Betriebsverantwortung?David Freund, Senacor TechnologiesSie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
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