Stablecoins: Wie digitale Währungen das Geschäftsmodell europäischer Banken herausfordern

Accenture Strategy
von Dr. Nils Beier, Managing Director, Accenture Strategy
Stablecoins sind digitale Token, deren Wert an staatliche Währungen – häufig in US-Dollar – oder an andere stabile Vermögenswerte wie etwa Gold gekoppelt ist. Ihr Ziel ist Preisstabilität und damit die Überwindung der Volatilität klassischer Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Ripple. Heute dienen sie vor allem als Vehikel für internationale Überweisungen, als Settlement-Mittel im Handel mit Krypto-Assets, in der dezentralen Finanzwelt (DeFi) sowie in ersten Pilotprojekten etablierter Finanzakteure.Der Markt wird dominiert von Tether (USDT) und USD Coin (USDC), die gemeinsam deutlich mehr als 80 Prozent des Volumens ausmachen. Während sie im unregulierten Zahlungsverkehr längst etabliert sind, ist ihr Einsatz in klassischen Bankanwendungen bislang begrenzt. Mit Regulierungen wie MiCA in der EU oder dem Genius Act in den USA entsteht jedoch ein Rechtsrahmen, der den Eintritt institutioneller Akteure erleichtert.
Für Banken und Finanzinfrastrukturen in Europa haben Stablecoins verschiedene Implikationen. Im Zahlungsverkehr ermöglichen sie grenzüberschreitende Transaktionen, die schneller, günstiger und sicherer sind als viele traditionelle Verfahren.”
An den Kapitalmärkten können Stablecoins als Basis für Delivery-versus-Payment-Geschäfte dienen und bestehende Abwicklungsplattformen herausfordern. Für die Bilanzstruktur bedeutet die Verbreitung der derzeitigen Stablecoins, dass Kunden Guthaben zunehmend außerhalb der Banken halten, was zu einem Abfluss von Einlagen führt. Gleichzeitig steigt dadurch die Nachfrage nach hinterlegten Assets – insbesondere US-Staatsanleihen –, was Auswirkungen auf Kapitalmärkte und Staatshaushalte hat. Die Folge ist, dass Banken sich darauf einstellen müssen, dass zentrale Wertschöpfungsbereiche disruptiv angegriffen werden.
Stablecoins bedroht klassische Geschäftsmodelle
Stablecoins gefährden die Profitabilität europäischer Banken auf mehreren Ebenen:
- Erstens geraten Einlagen unter Druck, wenn Kundengelder verstärkt in digitale Token abwandern.
- Zweitens wird das margenstarke Provisions- und Devisengeschäft im internationalen Zahlungsverkehr durch kostengünstige Stablecoin-Transaktionen unterminiert.
- Drittens könnte die Rolle der Banken als Intermediäre schwinden, wenn neue Player – insbesondere Technologie- und FinTech-Unternehmen – ihre eigene Zahlungsinfrastruktur aufbauen.
- Schließlich droht der Euro als Währung im Stablecoin-Universum eine verschwindende Rolle zu spielen, was die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Banken langfristig beeinträchtigen würde. Damit setzen Stablecoins sowohl die Ertragsseite als auch die strategische Positionierung europäischer Banken unter Druck.
Digitale Euro und Bankeninitiativen prägen Europas Antwort auf Stablecoins
Die derzeitige Verbreitung von USD-Stablecoins wirkt zugleich als politischer Katalysator für die Einführung des digitalen Euro. Es wird befürchtet, dass ohne eine pan-europäische Antwort die Gefahr droht, dass USD-Stablecoins auch im EU-Binnenmarkt dominieren und damit systemische Bedeutung erlangen. Für die EU geht es hier um monetäre Souveränität, weniger um Technologie-Führerschaft oder Innovation.
Der digitale Euro soll ein sicheres, staatliches und europäisch kontrolliertes Zahlmittel für Konsumenten in Europa sein und wäre damit eine gute Alternative für die verlgeichbare Nutzung von USD Stablecoins in Europa.”

Zudem haben viele Banken in Deutschland bereits Schritte unternommen, um sich im Bereich digitaler Assets zu positionieren. Commerzbank, Deutsche Bank, DZ Bank und andere Häuser arbeiten an Custody-Angeboten und Pilotprojekten. Mit Initiativen wie Allunity oder dem Commercial Bank Money Token werden Stablecoins und tokenisiertes Giralgeld getestet. Der Schwerpunkt bisheriger Lösungen liegt vor allem auf dem Angebot von Kryptowährungen für private und institutionelle Kunden sowie auf deren Verwahrung und Abwicklung.
Gleichzeitig zeigt sich noch eine Zurückhaltung bei der breiteren Produktadoption. Gründe hierfür sind die lange regulatorische Unsicherheit sowie die gleichzeitige Belastung durch andere Themen im Zahlungsverkehr – von Instant Payments bis hin zum digitalen Euro. Dennoch sind alle Banken intensiv damit beschäftigt, die besten Antworten auf die gerade entstehenden neuen Rahmenbedingungen zu entwickeln.
Stablecoins als Chance für die europäische Finanzstrategie erachten
Stablecoins sind kein Randthema mehr, sondern eine unmittelbare strategische Weichenstellung. Banken müssen entscheiden, ob sie aktiv an der Gestaltung des neuen Ökosystems teilnehmen oder Gefahr laufen, Marktanteile an FinTechs, BigTechs und internationale Anbieter zu verlieren. Kurzfristig sollten Institute die neue regulatorische Klarheit nutzen, um Pilotprojekte mit tokenisierten Einlagen zu starten, Custody- und Abwicklungsdienste auszubauen und damit Erfahrungen im praktischen Betrieb zu sammeln. Mittelfristig gilt es, Strategien insbesondere für den internationalen Zahlungsverkehr zu entwickeln, Standards für den Umgang mit digitalen Assets zu etablieren und sich aktiv an (europäischen) Konsortien und Plattformen zu beteiligen, um gemeinsam als Industrie Skaleneffekte und Effizienz zu realisieren. Unsicherheiten bestehen dennoch.
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