STRATEGIE29. September 2025

Stablecoins: Wie digitale Währungen das Geschäftsmodell europäischer Banken herausfordern

Schwerpunkt: Zahlungsverkehr und EU-ID
Dr. Nils Beier,  Managing Director, Accenture Strategy Accenture Strategy

Stablecoins haben sich in weniger als einem Jahrzehnt von einem Nischenphänomen zu einem globalen Marktsegment mit einer Marktkapitalisierung von über 250 Milliarden US-Dollar entwickelt. Für Banken in Europa eröffnen sie Chancen in Effizienz und Produktinnovation – zugleich bedrohen sie zentrale Säulen des Geschäftsmodells. Die kommenden Jahre werden darüber entscheiden, ob Kreditinstitute eine aktive Rolle im entstehenden Ökosystem spielen oder Marktanteile an neue Wettbewerber verlieren.

von Dr. Nils Beier,  Managing Director, Accenture Strategy

Stablecoins sind digitale Token, deren Wert an staatliche Währungen – häufig in US-Dollar – oder an andere stabile Vermögenswerte wie etwa Gold gekoppelt ist. Ihr Ziel ist Preisstabilität und damit die Überwindung der Volatilität klassischer Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Ripple. Heute dienen sie vor allem als Vehikel für internationale Überweisungen, als Settlement-Mittel im Handel mit Krypto-Assets, in der dezentralen Finanzwelt (DeFi) sowie in ersten Pilotprojekten etablierter Finanzakteure.

Der Markt wird dominiert von Tether (USDT) und USD Coin (USDC), die gemeinsam deutlich mehr als 80 Prozent des Volumens ausmachen. Während sie im unregulierten Zahlungsverkehr längst etabliert sind, ist ihr Einsatz in klassischen Bankanwendungen bislang begrenzt. Mit Regulierungen wie MiCA in der EU oder dem Genius Act in den USA entsteht jedoch ein Rechtsrahmen, der den Eintritt institutioneller Akteure erleichtert.

Für Banken und Finanzinfrastrukturen in Europa haben Stablecoins verschiedene Implikationen. Im Zahlungsverkehr ermöglichen sie grenzüberschreitende Transaktionen, die schneller, günstiger und sicherer sind als viele traditionelle Verfahren.”

An den Kapitalmärkten können Stablecoins als Basis für Delivery-versus-Payment-Geschäfte dienen und bestehende Abwicklungsplattformen herausfordern. Für die Bilanzstruktur bedeutet die Verbreitung der derzeitigen Stablecoins, dass Kunden Guthaben zunehmend außerhalb der Banken halten, was zu einem Abfluss von Einlagen führt. Gleichzeitig steigt dadurch die Nachfrage nach hinterlegten Assets – insbesondere US-Staatsanleihen –, was Auswirkungen auf Kapitalmärkte und Staatshaushalte hat. Die Folge ist, dass Banken sich darauf einstellen müssen, dass zentrale Wertschöpfungsbereiche disruptiv angegriffen werden.

Stablecoins bedroht klassische Geschäftsmodelle

Stablecoins gefährden die Profitabilität europäischer Banken auf mehreren Ebenen:

  • Erstens geraten Einlagen unter Druck, wenn Kundengelder verstärkt in digitale Token abwandern.
  • Zweitens wird das margenstarke Provisions- und Devisengeschäft im internationalen Zahlungsverkehr durch kostengünstige Stablecoin-Transaktionen unterminiert.
  • Drittens könnte die Rolle der Banken als Intermediäre schwinden, wenn neue Player – insbesondere Technologie- und FinTech-Unternehmen – ihre eigene Zahlungsinfrastruktur aufbauen.
  • Schließlich droht der Euro als Währung im Stablecoin-Universum eine verschwindende Rolle zu spielen, was die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Banken langfristig beeinträchtigen würde. Damit setzen Stablecoins sowohl die Ertragsseite als auch die strategische Positionierung europäischer Banken unter Druck.

Digitale Euro und Bankeninitiativen prägen Europas Antwort auf Stablecoins

Die derzeitige Verbreitung von USD-Stablecoins wirkt zugleich als politischer Katalysator für die Einführung des digitalen Euro. Es wird befürchtet, dass ohne eine pan-europäische Antwort die Gefahr droht, dass USD-Stablecoins auch im EU-Binnenmarkt dominieren und damit systemische Bedeutung erlangen. Für die EU geht es hier um monetäre Souveränität, weniger um Technologie-Führerschaft oder Innovation.

Der digitale Euro soll ein sicheres, staatliches und europäisch kontrolliertes Zahlmittel für Konsumenten in Europa sein und wäre damit eine gute Alternative für die verlgeichbare Nutzung von USD Stablecoins in Europa.”

Autor Dr. Nils Beier, Accenture Strategy
Dr. Nils Beier befasst sich als Banking-Experte mit Stablecoins.Dr. Nils Beier ist Managing Director bei Accenture Strategy (Webseite) und verantwortet die Strategie-Arbeit für Banken in Deutschland.  Davor war Nils Beier über 13 Jahre bei einer Top Management Beratung. Er war dort als Partner Leiter des Business Technology Office für die Finanzdienstleister und hat die Transaction Banking Practice aufgebaut und geleitet. Sein inhaltlicher Fokus sind das Retail und Corporate Banking sowie Kredit- und Risk-Themen. Nils Beier ist Rechtsanwalt und hat für den juristischen Dienst der EU Kommission gearbeitet.
Allerdings gehen die Anwendungsbereiche von Stablecoins wie beschrieben deutlich über diesen Bereich hinaus. Der digitale Euro alleine kann deshalb nur ein kleiner Teil einer umfassenderen Antwort der EU bzw der EZB auf Stablecoins sein. Mit den Initiativen Pontes und Appia hat die EZB bereits auch die ersten Weichen gestellt, um unmfassendere Antworten für die Eurozone zu entwickeln.

Zudem haben viele Banken in Deutschland bereits Schritte unternommen, um sich im Bereich digitaler Assets zu positionieren. Commerzbank, Deutsche Bank, DZ Bank und andere Häuser arbeiten an Custody-Angeboten und Pilotprojekten. Mit Initiativen wie Allunity oder dem Commercial Bank Money Token werden Stablecoins und tokenisiertes Giralgeld getestet. Der Schwerpunkt bisheriger Lösungen liegt vor allem auf dem Angebot von Kryptowährungen für private und institutionelle Kunden sowie auf deren Verwahrung und Abwicklung.

Gleichzeitig zeigt sich noch eine Zurückhaltung bei der breiteren Produktadoption. Gründe hierfür sind die lange regulatorische Unsicherheit sowie die gleichzeitige Belastung durch andere Themen im Zahlungsverkehr – von Instant Payments bis hin zum digitalen Euro. Dennoch sind alle Banken intensiv damit beschäftigt, die besten Antworten auf die gerade entstehenden neuen Rahmenbedingungen zu entwickeln.

Stablecoins als Chance für die europäische Finanzstrategie erachten

Stablecoins sind kein Randthema mehr, sondern eine unmittelbare strategische Weichenstellung. Banken müssen entscheiden, ob sie aktiv an der Gestaltung des neuen Ökosystems teilnehmen oder Gefahr laufen, Marktanteile an FinTechs, BigTechs und internationale Anbieter zu verlieren. Kurzfristig sollten Institute die neue regulatorische Klarheit nutzen, um Pilotprojekte mit tokenisierten Einlagen zu starten, Custody- und Abwicklungsdienste auszubauen und damit Erfahrungen im praktischen Betrieb zu sammeln. Mittelfristig gilt es, Strategien insbesondere für den internationalen Zahlungsverkehr zu entwickeln, Standards für den Umgang mit digitalen Assets zu etablieren und sich aktiv an (europäischen) Konsortien und Plattformen zu beteiligen, um gemeinsam als Industrie Skaleneffekte und Effizienz zu realisieren. Unsicherheiten bestehen dennoch.

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Offen ist, wie schnell die Regulierung tatsächlich voranschreitet, wie sich verschiedenen Formen digitalen Geldes – Stablecoins, tokenisiertes Giralgeld, Geldmarktfonds und digitaler Euro – tatsächlich entwickeln und ob öffentliche Blockchains im regulierten Markt eine tragende Rolle spielen werden. Diese Unsicherheiten gilt es bei der Entwicklung von Strategien und Roadmaps zu berücksichtigen um in den nächsten Jahre erfolgreich zu sein.Dr. Nils Beier, Accenture Strategy/dk

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