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STUDIEN & UMFRAGEN14. Mai 2025

Technische Schulden bremsen Finanzsektor – KI gewinnt an strategischer Bedeutung

Sapient Nitro

Das Beratungshaus Publicis Sapient hat gemeinsam mit dem Analystenhaus HFS Research eine internationale Studie veröffentlicht, die sich mit dem strukturellen Problem technischer Schulden in großen Unternehmen befasst. Grundlage des Reports mit dem Titel „Smash Through Tech Debt: Why AI Is The Jackhammer“ ist eine Befragung von mehr als 600 IT- und Business-Führungskräften aus unterschiedlichen Branchen weltweit. Im Zentrum steht die Frage, wie Unternehmen mit technologischen Altlasten umgehen und welche Rolle KI bei deren Bewältigung spielen kann.

Laut Schätzung der Analysten von HFS Research belaufen sich die technischen Schulden der Global-2000-Konzerne derzeit auf kumuliert bis zu zwei Billionen US-Dollar. Im Bankenumfeld bedeutet das: jahrzehntelang gewachsene Systemlandschaften, aufwändige Wartung, hohe Betriebskosten und geringe Agilität – alles Faktoren, die Innovation bremsen, regulatorische Risiken erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit schwächen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass punktuelle Modernisierungen nicht mehr ausreichen. Vielmehr brauche es einen strukturellen Wandel, der auf neue Technologien, neue Betriebsmodelle – und vor allem auf ein neues digitales Mindset setzt.

Gerade Banken investieren seit Jahren erhebliche Mittel in die IT-Modernisierung. Im Schnitt fließen rund 30 Prozent der IT-Budgets in entsprechende Projekte. Dennoch geben nur drei von zehn befragten Unternehmen an, ihre zentralen Anwendungen wirklich modernisiert zu haben. Der Grund liegt laut Studie nicht im fehlenden Willen, sondern in unzureichender Umsetzungstiefe, fragmentierten Transformationsstrategien und technologischen Abhängigkeiten, etwa von Legacy-Kernbanksystemen oder monolithischer Infrastruktur.

KI als strategisches Werkzeug – aber noch selten skalierbar im Einsatz

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Ein zentrales Ergebnis der Studie: 80 Prozent der befragten Führungskräfte sehen in KI einen entscheidenden Hebel, um bessere Modernisierungsergebnisse zu erzielen. Insbesondere im Banken- und Versicherungsbereich – wo Datenqualität, regulatorische Anforderungen und Echtzeitverarbeitung eine große Rolle spielen – wird KI zunehmend als Enabler intelligenter Automatisierung und smarter Entscheidungsunterstützung verstanden. Dennoch setzt aktuell nur etwa jedes fünfte Unternehmen KI bereits in produktiv skalierbarer Form ein. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, sich noch nicht über erste Pilotanwendungen hinausgewagt zu haben. Besonders im Finanzsektor stehen dabei häufig Datenschutzbedenken, Fragen der Modelltransparenz und die Integration in bestehende Kernbankenplattformen einer breiteren Nutzung im Weg.

Die größten Herausforderungen bei der Einführung KI-gestützter Modelle sehen die Unternehmen in mehreren Bereichen: Fehlende qualifizierte Fachkräfte, technische Integrationsprobleme in bestehende IT-Landschaften sowie Unsicherheiten in Bezug auf Datenqualität und Governance stellen wesentliche Hemmnisse dar. Hinzu kommen regulatorische Auflagen – insbesondere im europäischen Finanzmarktumfeld – sowie Unsicherheiten hinsichtlich des konkreten Geschäftsnutzens und der Amortisation von Investitionen. Besonders auffällig: Nur zehn Prozent der befragten Unternehmen geben an, von ihren Technologiepartnern proaktiv bei der Einführung KI-basierter Delivery-Modelle unterstützt zu werden.

Was wir brauchen, ist ein grundlegender Wandel in der Herangehensweise von Unternehmen an die Transformation. KI ist nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Katalysator für die Neugestaltung von Bereitstellungsmodellen und die Beschleunigung der Modernisierung.”

Nigel Vaz, CEO von Publicis Sapient

Von Staff Augmentation zu Software-basierten Betriebsmodellen

Die Studie weist zudem auf einen grundlegenden Wandel in den Betriebsmodellen hin. Drei Viertel der Führungskräfte rechnen in den kommenden Jahren mit einer Abkehr von personalintensiven Betriebsmodellen hin zu Software-definierten, KI-gestützten Services. Im Finanzumfeld betrifft dies insbesondere die Bereiche IT-Betrieb, Anwendungsmanagement, Betrugsprävention, Kundenservice und regulatorische Berichterstattung. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv gestalten, verschaffen sich laut Studie erhebliche Effizienzvorteile und eine höhere Veränderungsgeschwindigkeit.

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Ein weiterer Befund betrifft die interne Zusammenarbeit: In vielen Unternehmen – auch im Finanzsektor – existieren signifikante Zielkonflikte zwischen IT und Fachbereichen. Unterschiedliche Erfolgsdefinitionen, divergierende Wahrnehmungen von KI-Technologien sowie mangelnde gemeinsame Strategiearbeit behindern den nachhaltigen Fortschritt. Für Banken und Versicherer bedeutet das: Die erfolgreiche Implementierung neuer Technologien hängt nicht nur von der richtigen Architektur ab, sondern ebenso von der internen Governance und der Fähigkeit, technologische mit fachlichen Zielen zu verbinden.

Die Autoren des Reports (kostenloser Download nach Angabe der Kontaktdaten) betonen, dass KI im aktuellen Stadium kein optionales Innovationsfeld mehr ist, sondern zu einem strategischen Differenzierungsfaktor wird – auch und gerade im Bankwesen. Während die technischen Schulden weiter steigen, ist es entscheidend, jetzt die nötigen strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, um KI umfassend einsetzen zu können: datengetriebene Architekturen, moderne Betriebsmodelle, organisatorische Agilität und verlässliche Partnernetzwerke. Nur so lässt sich der Rückstand gegenüber digital nativen Wettbewerbern verringern – und nur so können Banken und Finanzdienstleister in einem sich rasant wandelnden Marktumfeld handlungsfähig bleiben.

Technische Schulden sind nicht nur eine Belastung, sondern eine tickende Zeitbombe, die die Zukunft globaler Unternehmen bedroht. KI ist kein luxuriöses Zusatzfeature oder ein glänzendes neues Tool, von dem wir uns Verbesserungen erhoffen – sie ist das Einzige, was diese Krise entschärfen kann.”

Phil Fersht, CEO und Chefanalyst von HFS Researchtw

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