STRATEGIE10. Juli 2025

Prof. Dr. Hans-Gert Penzel: “Wer den Zahlungsverkehr kontrolliert, kontrolliert die Wirtschaft”

Schwerpunkt: Transaktionen der Zukunft
Prof. Penzel ist Experte rund um Themen um den Zahlungsverkehr .
Prof. Dr. Hans-Gert Penzelibi research

Es gibt Trends und es gibt Prognosen, es gibt persönliche Perspektiven und es gibt Einschätzungen, die von einer jahrzehntelangen Forschung genährt werden. Prof. Dr. Hans-Gert Penzel lehrt und forscht an der Universität Regensburg über digitale Finanzinnovationen im Zahlungsverkehr und hat vor vielen Jahren dort ibi research, Institut für Bankinnovation, gegründet. Im Interview erklärt er, welche digitalen Währungen besonders für die Transaktionen der Zukunft geeignet sind und warum der Wyoming Stablecoin kein Vorbild für Europa ist.

von Dunja Koelwel

Herr Prof. Penzel, was ist der Vorteil von Stablecoins im Vergleich zu anderen Krypto-Währungen? Für welche Zwecke sind sie besonders geeignet, auch im internationalen Kontext?

Bei digitalen Währungen kennen wir drei wesentliche Ausprägungen: erstens die von Zentralbanken garantierten digitalen Coins, zweitens die Stablecoins als stabile Form der Kryptowährungen, drittens die sonstigen, eher instabilen Kryptowährungen.

  • Zur ersten Gruppe gehört zum Beispiel der kommende digitale Retail-Euro der EZB. Er wird ein verbindliches Zahlungsmittel sein, muss deshalb vom Gegenüber akzeptiert werden und kann jederzeit bei der Zentralbank gegen klassische Euros getauscht werden. Damit ist er ideal für die Abwicklung von Transaktionen geeignet.
  • Die zweite Gruppe, also die Stablecoins, werden in der Regel privatwirtschaftlich bereitgestellt, sind aber ebenfalls auf die Sicherstellung eines stabilen Währungswertes ausgelegt. Dafür sind die Coins an den Wert einer anderen Währung (z.B. den US-Dollar) gebunden und müssen durch Hinterlegung mit entsprechenden Assets (z.B. US-Staatsanleihen) abgesichert sein. Damit sind sie als nationale oder sogar internationale Transaktionsmittel geeignet, soweit der jeweilige Gegenüber sie akzeptiert. Risikofrei sind sie nicht, denn wenn der Emittent insolvent wird, kommt der Coin-Besitzer nicht unbedingt an die hinterlegten Sicherheiten.
  • In der dritten Gruppe, also derjenigen der sonstigen Krypto-Währungen wie etwa der Bitcoin, wird der Wert der Währung allein durch Angebot und Nachfrage am Markt bestimmt. Das sind riskante Investments, die als Transaktionsmittel im Zahlungsverkehr kaum geeignet sind, wenn man von Schwarzmärkten absieht.

Wyoming hat sich in den vergangenen Jahren als besonders krypto-freundlicher US-Bundesstaat etabliert. Schon 2021 wurde der Weg für eine staatlich unterstützte Stablecoin geebnet. Warum ist Wyoming so krypto-freundlich? Könnte das auch eine Inspiration für Europa sein?

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Wenn wir „Wyoming“ hören, denken wir zunächst an die wunderbare Natur und den Yellowstone-Nationalpark. Aber der damit verbundene Tourismus und die Landwirtschaft garantieren allein nicht die gewünschte Wirtschaftsentwicklung. Die politisch konservative Landesregierung treibt deshalb innovative Wirtschaftsprojekte voran, die zum Beispiel auf Bodenschätze, Energie und eine moderne Infrastruktur gerichtet sind.

Die Wyoming Stablecoin, kurz WYST, passt gut in dieses Portfolio. Die Landesregierung glaubt an die zunehmende Bedeutung digitaler Währungen und Assets, hält die Zentralbank FED für zu zögerlich, will das Feld aber nicht den BigTechs überlassen. So hat sie mit erstaunlich wenigen Ressourcn ein eigenes Stablecoin-Projekt vorangetrieben. Der Staat Wyoming wirkt als Treuhänder; er gewährleistet den Umtausch gegen US-Dollar und sichert ihn über das Halten von US-Staatsanleihen ab.

Insofern übernimmt er die Rolle, die bei anderen Stablecoins in der Privatwirtschaft liegt. Allerdings muss die Landesregierung nun dringend Verbündete finden. Dies ist erstens ein Systemanbieter wie beispielsweise SEI. Zweitens sind es weitere Bundesstaaten, die sich der Lösung anschließen müssten, um die notwendigen Betriebsgrößenvorteile realisieren.

Eine Inspiration für Europa ist dieses Modell sicher nicht. Mit dem Digitalen Euro der EZB laufen wir meilenweit vorweg.”

Wir bieten eine schlagkräftige gesamteuropäische Lösung, die noch dazu von unserer Zentralbank garantiert wird. Da müssen wir das Rad nicht in die „Kleinstaaterei“ und in Treuhänder-Lösungen zurückdrehen.

Nun ist SEI einer der heißen Kandidaten für dieses ambitionierte Projekt. Sollte SEI tatsächlich ausgewählt werden, könnte das einen gewaltigen Schub für das Netzwerk und den SEI-Token selbst bedeuten. Wie schätzen Sie diese Initiative ein? Was macht SEI so besonders oder wie sehen Sie SEI im Vergleich zu anderen Stablecoins?

SEI ist einer der möglichen Kandidaten. Die Firma bietet eine gängige Lösung für ein Layer-1-Blockchain-Netzwerk an, die durchaus geeignet sein könnte. In der Marktkapitalisierung aller Krypto-Anbieter lag sie bisher irgendwo jenseits der Position 30 und sieht das als große Chance, sich ein Stück nach vorne zu schieben. Sicherlich ist SEI deshalb so gesprächswillig und wohl auch zu erheblichen Zugeständnissen bereit. Andererseits gibt es viele andere Anbieter, die das ebenfalls können. Und das ganze Geschäftsmodell geht nur auf, wenn andere Bundesstaaten sich anschließen. Also viele Fragezeichen!

Stichwort Digitaler Euro: Sie sagen, da solle Europa das Rad nicht zurückdrehen. Nun haben die drei Bankenverbände ein Gutachten in Auftrag gegeben, das für die Einführung in der gesamten Eurozone über vier Jahre hinweg hohe Kosten von 18 bis 30 Milliarden Euro prognostiziert. Können die Banken das europäische Rad doch noch zum Stillstand bringen?

Einige Marktteilnehmer sprechen von einem Gefälligkeitsgutachten für die drei Auftraggeber – auch weil die nur 19 befragten Banken geheim bleiben, weil die einzelnen Schätzungen nicht offenliegen und weil die Hochrechnung auf die 4000 Banken der Eurozone nicht nachkalkulierbar ist. Insofern sträuben sich dem Wissenschaftler die Haare! Aber vergessen wir dies und nehmen einfach an, der hohe Betrag würde stimmen. Dann sollten wir uns dreierlei vor Augen halten:

Wer den Zahlungsverkehr kontrolliert, kontrolliert die Wirtschaft.”

  • Erstens: Wer den Zahlungsverkehr kontrolliert, kontrolliert die Wirtschaft. Der Digitale Euro macht uns unabhängig von den dominierenden Schemes der US-Anbieter und schafft erstmals europäische Souveränität im Zahlungsverkehr. Wie wichtig das ist, hat wohl inzwischen jeder begriffen. Für diese Stärkung der europäischen und insbesondere der eigenen Position handeln die Banken sehr klug, wenn sie etwa 50 bis 80 Euro pro Bürger in der Eurozone investieren – denn mehr ist es nicht!
  • Zweitens: Auch die Androhung der Banken, damit müssten sie andere Innovationen zurückstellen, muss man in Perspektive setzen: Bankinnovationen werden seit Jahrzehnten überwiegend vom Regulator getrieben. SEPA, Instant Payments, transparente Anlageberatung, Open Banking, erhöhte Resilienz, vertieftes Finanz- und Risiko-Reporting fallen alle in diese Kategorie. Alle wurden zunächst stark kritisiert, einige waren deutlich teurer als der Digitale Euro (SEPA!), aber haben letztlich großen Nutzen geschaffen. Der Digitale Euro für den Zahlungsverkehr reiht sich da konsistent ein.
  • Deshalb drittens meine Prognose: Was die Banken heute beklagen, werden sie auch dieses Mal am Ende als sinnvoll und zum eigenen Nutzen ansehen. Für jede Bank ist das die greifbare Chance, eine (mit EZB-Geld entwickelte!) Wallet nahtlos ins eigene Produktangebot zu integrieren, die Finanz-Wallets der BigTechs abzuwehren, die Kundenbindung zu erhöhen und die eigene Marktposition zu stärken.
Prof. Dr. Hans-Gert Penzel
Hans-Gert Penzel lehrt und forscht an der Universität Regensburg über digitale Finanzinnovationen und hält mehrere Aufsichtsrats- und Beiratsmandate in Unternehmen rund um Finanzdienstleistungen. Er ist Mitgründer von ibi research (Website), Institut für Bankinnovation an der Un Regensburg, und war von 2010 bis 2019 dessen Geschäftsführer. Davor lagen sieben Jahre als Generaldirektor und CIO der Europäischen Zentralbank, wiederum davor dreizehn Jahre in Bereichsleiter-Positionen wie CIO und Chefstratege in der Vereinsbank und Hypovereinsbank. Er begann sein Berufsleben bei Hewlett Packard und wechselte dann zu McKinsey & Company.

Ist Quantum-Computing eine Gefahr für Entwicklung von Krypto-Währungen? Denn während Quantencomputer die Fähigkeit haben, einige klassische Verschlüsselungsalgorithmen zu brechen, gibt es auch bereits Ansätze, um Kryptowährungen und andere Anwendungen mit quantenresistenten Algorithmen zu schützen. Wo sehen Sie die Probleme derzeit und wie lassen sich diese lösen?

Beim Quantum Computing gilt wie für fast alle Lösungen rund um die digitale Sicherheit: Es wird ein Langstrecken-Rennen zwischen den Guten und den Bösen geben. Die technischen Möglichkeiten für sichere Krypto-Verfahren in der Welt der Quantencomputer werden unter dem Stichwort PQC, langsprachlich Post-Quantum Crytography, entwickelt. Wenn man inhärente Schwächen des Quantencomputing ausnutzt, kann das möglicherweise sogar auf klassischer Hardware gelingen, An den Universitäten beschäftigen wir uns intensiv mit Verfahren, die einen Quantencomputer in die Knie zwingen können, wenn er die Sicherheit zu knacken versucht. Ich erspare Ihnen die Details, denn die sind sehr technisch und erfordern einen eigenen Artikel. Jedenfalls bin ich wie beim Online-Banking zuversichtlich, dass es den Guten gelingt, jeweils einen ausreichenden Vorsprung zu wahren. Doch wie gesagt: Es wird ein nicht endendes Langstrecken-Rennen!

Wie sehen Sie die Zukunft von Krypto-Währungen in einer Post-Quantum-Zeit?

Hier gilt, was für die meisten grundlegenden Innovationen gilt:

Man überschätzt die kurzfristigen, aber unterschätzt die langfristigen Auswirkungen.”

Die technische, juristische, organisatorische und betriebswirtschaftlich überzeugende Einführung digitaler Assets ist komplexer, aufwändiger und langwieriger, als viele es sich vorstellen. Auch das Verhalten der Menschen ändert sich in einem solch kritischen Bereich nicht von heute auf morgen. Kurzfristig wirken die Fortschritte gering, wobei einzelne digitale Assets wie Schuldscheindarlehen schon die Praxisreife erreicht haben. Aber mittelfristig geht es angesichts der wirtschaftlichen Vorteile unweigerlich voran. Bei den Währungen wird es – durch den Digitalen Euro beschleunigt – sogar schneller gelingen als zum Beispiel bei der vollständig digitalisierten Handhabung von Aktien oder – noch schwieriger – von Immobilien. Trotzdem wird es bei digitalen Währungen ein Jahrzehnt dauern, bis sie im Mainstream im Zahlungsverkehr segeln. Aber ich bin sicher: Sie werden dort ankommen!

Herr Prof. Penzel, vielen herzlichen Dank für das Gespräch.dk

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