Data Poisoning im Finanzsektor – Wenn Angreifer KI von innen heraus sabotieren

Tenable
von Matthias Fraunhofer, Senior SE Manager Central Europe, Tenable
Der unaufhaltsame Siegeszug von Large Language Models (LLMs) und RAG-Systemen (Retrieval-Augmented Generation) eröffnet dem Finanzwesen unzählige Ansatzpunkte für Automatisierungs- und Effizienzgewinne – geht unter Sicherheitsgesichtspunkten aber auch mit vielen neuen Risiken einher. Zu den gefährlichsten gehören dabei die sogenannten Data-Poisoning-Angriffe, bei denen Cyberkriminelle gezielt die Trainingsdaten von KI-Systemen manipulieren.Schon minimale Eingriffe – teilweise weniger als 0,01 Prozent – können reichen, um die Modelle zu vergiften.”
Typische Beispiele sind etwa Label-Flipping (Betrugsfälle werden als legitim markiert), Backdoor-Angriffe (unsichtbare Trigger lösen Fehlentscheidungen aus) oder Clean-Label-Manipulationen, die selbst für Experten kaum zu erkennen sind. Besonders gefährlich sind dabei „Boiling-Frog“-Strategien, also viele inkrementelle Manipulationen, die kumuliert zu massiven Schäden führen.
Die Folgen dieser Attacken können für Finanzunternehmen leicht existenzbedrohend werden:
- Banken riskieren verfälschte Kredit-Scoring-Modelle, die unzuverlässigen Kunden Darlehen gewähren – oder Anti-Geldwäsche-Systeme, die bestimmte Muster und Indikatoren übersehen.
- Versicherer könnten mit manipulierten Risikomodellen Hochrisikopolicen zu Billigtarifen abschließen oder betrügerische Schadensfälle unbemerkt durchwinken.
- Zahlungsdienste laufen Gefahr, dass Fraud-Detection-Systeme falsche Muster lernen: zu viele False Positives frustrieren Kunden, zu viele False Negatives führen direkt zu Verlusten.
- Über die wirtschaftlichen Kosten und die Imageschäden hinaus drohen den betroffenen Unternehmen zudem regulatorische Konsequenzen – etwa, wenn vergiftete Modelle diskriminierende Entscheidungen treffen.
Data Poisoning: Vom Einzelfall zum systemischen Risiko

Schutzstrategien: Defense in Depth
Wer seine KI-Systeme zuverlässig vor solchen Angriffen schützen will, ist auf ein mehrschichtiges Verteidigungskonzept angewiesen: Präventiv helfen strenge Datenvalidierung zur Sicherung der Integrität, Transparenz über Datenherkunft („Data Bill of Materials“) und gezielte Awareness-Trainings.
Da viele Angriffe sehr subtil sind, gilt es, Abläufe durchgehend akribisch zu überwachen, um Abweichungen frühzeitig zu erkennen.”
Auffälligkeiten lassen sich zudem durch saubere Validierungsdatensätze und gezielte Backdoor-Tests aufspüren.
Kommt es zum Vorfall, ist ein klarer Incident-Response-Plan entscheidend. Vergiftete Datenquellen müssen isoliert, Backups eingespielt und Modelle notfalls mithilfe einer sauberen Baseline neu trainiert werden. All dies wird aber nur dann Wirkung zeigen, wenn die KI-Security eng in die Governance-Strukturen eingebunden ist: Frameworks wie das NIST AI RMF und die ENISA-Guidelines helfen, Technik, Risiko-Management und Compliance nahtlos zu verzahnen.
Fazit: Risikobasiertes Exposure Management tut Not
Das Beispiel Data Poisoning illustriert gut, dass KI-Security heute kein reines Technikthema ist: Finanzinstitute brauchen ein systematisches und risikobasiertes Exposure Management, das kritische Modelle identifiziert, Bedrohungen bewertet und Abwehrmaßnahmen klar nach ihrem Business Impact priorisiert. Nur wer KI-Sicherheit als fortlaufenden Managementprozess versteht, wird von den Innovationspotenzialen profitieren können, ohne kostspielige Security- oder Compliance-Verstöße zu riskieren.Matthias Fraunhofer, Tenable/dk
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