STUDIEN & UMFRAGEN27. Oktober 2025

Kartenzahlung erstmals vor Bargeld – Ruf nach digitaler und europäischer Souveränität wächst

EURO Kartensysteme GmbH / Alex Habermehl

Deutschland hat einen Wendepunkt im Zahlungsverkehr erreicht: Zum ersten Mal seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2006 wird häufiger mit Karte als bar bezahlt. Das zeigt die neue Allensbach-Studie 2025 zum Bezahl- und Einkaufsverhalten, die das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) im Auftrag der Initiative Deutsche Zahlungssysteme durchgeführt hat. Neben dem Durchbruch digitaler Zahlmethoden rückt dabei vor allem ein Thema in den Mittelpunkt: die digitale und wirtschaftliche Unabhängigkeit Europas im Zahlungsverkehr.

Immerhin 47 Prozent der Befragten gaben an, bei ihrem letzten Einkauf mit Karte bezahlt zu haben – erstmals mehr als mit Bargeld (41 Prozent). Noch 2024 hatte der Anteil der Barzahlungen bei 48 Prozent gelegen. Die Girocard bleibt dabei klar das bevorzugte Zahlungsmittel: 52 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer mit mehreren Karten greifen am liebsten zur girocard, während nur 15 Prozent eine Kreditkarte bevorzugen. Auch langfristig sehen Verbraucherinnen und Verbraucher die Debitkarte der deutschen Banken und Sparkassen an der Spitze. 77 Prozent prognostizieren, dass die girocard auch 2030 das meistgenutzte Zahlungsmittel bleiben wird.

Der Trend zum digitalen Bezahlen zeigt sich auch im Wachstum mobiler Zahlverfahren. 25 Prozent der Befragten haben bereits mit Smartphone oder Smartwatch bezahlt – mehr als doppelt so viele wie noch 2022 (12 Prozent). Besonders stark verbreitet ist diese Zahlungsform bei den unter 30-Jährigen, von denen 42 Prozent am liebsten mobil bezahlen. In dieser Altersgruppe liegt Mobile Payment damit nahezu gleichauf mit der Kartenzahlung (45 Prozent).

Euro Kartensysteme

Wachsende Bedeutung europäischer Zahlungssysteme

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die steigende Sensibilität für digitale Souveränität. 60 Prozent der Befragten halten es für wichtig, auf deutsche oder europäische Alternativen zu US-amerikanischen Anbietern wie Visa, Mastercard oder PayPal zurückgreifen zu können – ein Anstieg um 15 Prozentpunkte gegenüber 2022. Zudem sehen 69 Prozent in einem unabhängigen europäischen Zahlungssystem einen klaren Vorteil für die Souveränität Deutschlands. Datenschutz und Verbraucherschutz spielen dabei eine wesentliche Rolle: Die Hälfte der Befragten spricht sich ausdrücklich für europäische Lösungen aus, da sie höheren Datenschutzstandards genügen. Gleichzeitig zeigt die Studie ein Informationsdefizit: 71 Prozent der Befragten wussten nicht, dass europäische Datenschutzvorgaben für globale Payment-Anbieter keine Gültigkeit besitzen.

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Unsere digitalen Zahlungslösungen stehen für Selbstbestimmung und Sicherheit. In unsicheren Zeiten ist es für Verbraucher entscheidend, sich auf unabhängige Systeme zu verlassen, die höchsten Datenschutzstandards gerecht werden.”

Ingo Limburg, Vorsitzender der Initiative Deutsche Zahlungssysteme

Die geopolitische Lage wirkt sich zunehmend auf die Stimmung und das Konsumverhalten der Bevölkerung aus. 34 Prozent fühlen sich durch internationale Entwicklungen bedrückt, 29 Prozent geben an, Zukunftsängste zu haben. Entsprechend achten 70 Prozent beim Einkaufen stärker auf den Preis; fast die Hälfte (49 Prozent) berichtet, sich aufgrund gestiegener Preise weniger leisten zu können. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für wirtschaftliche Eigenständigkeit. 62 Prozent kaufen bevorzugt Produkte „made in Germany“ oder „made in EU“, während 20 Prozent US-Produkte bewusst meiden. Der Wunsch nach Unabhängigkeit zeigt sich somit nicht nur im Warenkorb, sondern auch an der Kasse – etwa durch die bewusste Wahl europäischer Zahlungssysteme.

Payment-Infrastruktur im Wandel

Euro Kartensysteme

Für Banken und Zahlungsdienstleister ergeben sich aus den Studienergebnissen mehrere strategische und technologische Implikationen. Der Trend zur Kartenzahlung und zu Mobile Payment erhöht die Anforderungen an sichere, skalierbare und interoperable Payment-Infrastrukturen. Besonders relevant wird in diesem Zusammenhang die Diskussion um europäische Zahlungssouveränität und den Aufbau gemeinsamer Systeme. Projekte wie die European Payments Initiative (EPI) mit der geplanten Marke Wero sollen langfristig eine Alternative zu US-amerikanischen Plattformen bieten. Ziel ist eine Integration bestehender Systeme – etwa der girocard – in ein übergreifendes europäisches Netzwerk mit gemeinsamen technischen Standards und API-Schnittstellen.

Für Banken bedeutet dies eine strategische Weichenstellung: Sie müssen ihre Payment-Architekturen auf europäische Interoperabilität, Cloud-Souveränität und regulatorische Konformität ausrichten. Themen wie PSD3, die Digital Euro-Initiative der EZB und die EU Data Act-Regelungen werden in den kommenden Jahren maßgeblich beeinflussen, wie Zahlungsverkehr und Kundendaten verarbeitet werden dürfen.

Unabhängigkeit und Datenschutz als wichtigste Assets

Die Allensbach-Ergebnisse spiegeln diesen Trend auf Konsumentenseite wider – das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Datenschutz wächst, während gleichzeitig die Akzeptanz digitaler Bezahlmethoden steigt. Banken und IT-Dienstleister stehen somit vor der Aufgabe, technische Innovationen mit rechtlicher Sicherheit und gesellschaftlichem Vertrauen zu verbinden. Vor diesem Hintergrund gewinnt die girocard eine neue Bedeutung. Sie ist nicht nur ein etabliertes Bezahlmittel, sondern Teil einer strategisch wichtigen Infrastruktur, die europäischen Datenschutz-, Sicherheits- und Governance-Standards entspricht. Ingo Limburg fasst dies zusammen: „Ein souveräner und widerstandsfähiger europäischer Zahlungsverkehr kann nur aus einer Kombination von bestehenden und neuen Bezahlsystemen erwachsen.“

Mit der Allensbach-Studie 2025 bestätigt sich ein Strukturwandel im Zahlungsverkehr: Kartenzahlung und Mobile Payment lösen das Bargeld als dominante Bezahlform ab. Parallel dazu wächst das Bedürfnis nach Datenschutz, Transparenz und europäischer Eigenständigkeit. Für den Bankensektor bedeutet dies einen klaren Auftrag: den Aufbau digitaler Infrastrukturen, die technologische Innovation, regulatorische Sicherheit und politische Souveränität miteinander verbinden. Die Studie gibt’s auf Anfrage bei den Initiatoren, eine Zusammenfassung findet sich hier zum kostenlosen Download.tw

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