STRATEGIE3. Juni 2025

Der digitale Euro als Baustein europäischer Souveränität – Rede von Burkhard Balz

CBDC/ Digitaler Euro: Szenarien, Designoptionen und Auswirkungen – von Bundesbanker Burkhard Balz
Deutsche Bundesbank

In einem Impulsvortrag bei der Veranstaltung „IKF Impulse“ zum Thema „Bezahlen in der Zukunft“ an der Ruhr-Universität Bochum sprach Bundesbanker Burkhard Balz über die Rolle des digitalen Euro für das zukünftige Bezahlen sowie als Baustein europäischer Souveränität. Eine Zusammenfassung seiner Rede, die Sie hier vollständig nachlesen können.

von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank

Unser Zahlungsverhalten wandelt sich rapide. Bargeld bleibt wichtig, doch Karten, Apps und neue Bezahlsysteme erobern zunehmend unseren Alltag. Im Hintergrund entstehen dabei neue Technologien – und neue Fragen: Welche Rolle soll von der Zentralbank ausgegebenes Geld in einer digitalen Welt spielen? Wie schützen wir unsere Zahlungsinfrastruktur vor geopolitischer Abhängigkeit? Wie gestalten wir ein digitales Europa, das mehr kann, als nur zu reagieren?

Auf dem Weg in ein digitales Finanzökosystem

Beim digitalen Euro geht es um ein digitales Finanzökosystem, das sich derzeit entwickelt – mit zwei zentralen Bausteinen: Retail und Wholesale. Beginnen wir mit dem Zahlungsverkehr für jedermann – im Expertenjargon „Retail“ genannt. Dabei geht es um digitales Zentralbankgeld für Sie und mich. Sie können sich das wie einen „digitalen Zwilling“ des Bargelds vorstellen: staatlich garantiert, jederzeit verfügbar, europaweit einsetzbar. Der digitale Euro soll das Bezahlen einfach, sicher und datensparsam machen. Und wichtig: Er soll das Bargeld nicht ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen.

Weniger sichtbar ist der zweite Baustein: Wholesale-Zahlungen. Dabei geht es um Transaktionen zwischen Finanzinstituten – etwa, wenn Wertpapiergeschäfte abgewickelt werden. Hier setzen wir auf moderne Technologien wie die Distributed-Ledger-Technologie (DLT), die auch der Blockchain zugrunde liegt. Es geht darum, den Finanzplatz Europa zukunftsfähig zu machen – mit sicherem und leistungsfähigem Zentralbankgeld auch in zunehmend digitalisierten Kapitalmärkten.

Ein drittes Feld sind Zahlungen zwischen Unternehmen, also Business-to-Business (B2B). Viele dieser Anwendungen stehen noch am Anfang. Doch auch hier zeigt sich: ein stabiles, digitales Finanzfundament eröffnet uns in Zukunft zahlreiche Chancen.

Der digitale Euro im Alltag

Der digitale Euro wäre eine neue, digitale Form von Zentralbankgeld. Genau wie Bargeld würde er auch von den Zentralbanken des Eurosystems herausgegeben. Technisch würde er auf europäischen Infrastrukturen laufen. Damit würden unsere kritischen Infrastrukturen also unabhängiger von außereuropäischen Kartensystemen werden, die vor allem in den USA angesiedelt sind. Insofern ist der digitale Euro als ein Beitrag zur Stärkung der europäischen Autonomie zu sehen.

Der digitale Euro wäre das erste digitale Zahlungsmittel, das im gesamten Euroraum nutzbar ist und ebenso wie Bargeld von den Zentralbanken ausgegeben wird. Außerdem wäre er für die Nutzerinnen und Nutzer kostenlos.”

Er soll über regulierte Finanzinstitute bereitgestellt werden. Geplant ist, ihn in bestehende Konten zu integrieren. Standardmäßig soll dafür die App oder Wallet Ihrer Hausbank genutzt werden. Zusätzlich ist auch eine eigene App für den digitalen Euro in Planung. Selbst Bargeldeinzahlungen am Automaten könnten künftig zur Aufladung genutzt werden und somit eine Brücke zwischen analoger und digitaler Welt schlagen.

Um Risiken für die Stabilität des Finanzsystems zu vermeiden, soll es eine Obergrenze geben, wie viele digitale Euro pro Person gehalten werden dürfen. Damit sollen im Krisenfall massenhafte digitale Abhebungen verhindert werden. Die genaue Höhe dieses Limits steht noch nicht fest.

Im Juni 2023 hat die Europäische Kommission einen Legislativvorschlag vorgelegt, der die rechtliche Grundlage für den digitalen Euro schaffen soll. Erst nach Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens kann der EZB-Rat entscheiden, ob der digitale Euro eingeführt werden soll. Aktuell rechnen wir mit einer Einführung nicht vor dem Jahr 2028. Im Gegensatz zu vielen kommerziellen Anbietern verfolgt das Eurosystem kein Geschäftsmodell, das auf der Verwendung persönlicher Daten basiert.

Kurzum: Der digitale Euro verbindet die Verlässlichkeit von Zentralbankgeld mit der Flexibilität moderner Zahlungslösungen – ganz im Sinne eines Europas, das gerade in geopolitisch turbulenten Zeiten resilienter und digital deutlich unabhängiger werden möchte.”

Bedeutung des digitalen Euros für die Geldpolitik

Was kostet das alles? Und: Verändert sich dadurch unsere Geldpolitik – oder gar die Inflation? Für Privatpersonen sollen Transaktionen mit dem digitalen Euro kostenlos sein. Die notwendige Infrastruktur wird vom Eurosystem in Zusammenarbeit mit den nationalen Zentralbanken und der Privatwirtschaft bereitgestellt. Das ist aufwändig, keine Frage. Aber es ist auch eine Investition in die Zukunft unserer Zahlungsinfrastruktur. Denn, der digitale Euro wäre ein öffentliches Gut, von dem viele profitieren und der unseren Alltag erleichtert.

Und die Inflation? Der digitale Euro würde die Preisentwicklung in Europa nicht verändern. Denn die Grundmechanismen unserer Geldpolitik blieben gleich. Es entscheidet nach wie vor der EZB-Rat auf der Grundlage geldpolitischer Analysen. Der digitale Euro wäre kein zusätzliches Geld, das einfach „oben drauf“ kommt. Er wäre ein anderer Zugang zu ohnehin vorhandenem Geld. Entscheidend ist, wie viel Geld im Umlauf ist – nicht, in welcher Form.

Auch die Rolle der Geschäftsbanken würde sich nicht grundlegend ändern. Kreditvergabe, Sparangebote, Beratung – all das bliebe in den Händen der Kreditinstitute. Der digitale Euro würde kein Ersatz für klassische Konten oder Finanzdienstleistungen sein.

Wholesale-CBDC als Fundament für die Finanzmärkte

Wholesale-CBDC zielt auf Transaktionen zwischen Finanzinstituten – etwa wenn eine Bank eine Aktie oder Staatsanleihe an eine andere Bank verkauft. Tokenisierung und Distributed-Ledger-Technologie (DLT) eröffnen hier neue Möglichkeiten. Sie versprechen schnellere, automatisierte, kostengünstigere Prozesse – bei gleichzeitig höherer Transparenz. Damit dieses Potenzial voll ausgeschöpft werden kann, braucht es ein geeignetes Abwicklungsinstrument auf der Geldseite. Und das ist genau die Rolle, die Wholesale-CBDC spielen kann.

In der Bundesbank wurde dafür die sogenannte Trigger-Lösung entwickelt – eine technische Brücke, die es ermöglicht, DLT-basierte Plattformen mit den etablierten Zahlungssystemen des Eurosystems zu verbinden. Die Lösung wurde erfolgreich getestet und hat international große Aufmerksamkeit erhalten. Gemeinsam mit Partnern im Eurosystem arbeiten wir nun an der nächsten Stufe und möchten die DLT-basierte Transaktionsabwicklung vorantreiben. Dabei setzen wir uns dafür ein, dass dem Markt bereits 2026 eine kurzfristige Lösung bereitgestellt werden kann. Gleichzeitig arbeiten wir an einer technisch anspruchsvolleren langfristigen Lösung, die beispielsweise auch die Abwicklung von Fremdwährungsgeschäften umfasst.

Es geht beim digitalen Euro nicht nur um neue Schnittstellen, neue Apps oder Abwicklungswege. Es geht um eine zentrale Frage: Wie wollen wir bezahlen – und in wessen Händen soll das Fundament unseres Zahlungsverkehrs liegen? Europa steht vor der Chance, hier eigene Antworten zu geben. Mit dem digitalen Euro kann ein Zahlungsverkehr entstehen, der technologisch auf der Höhe der Zeit, offen für Innovation – und zugleich unabhängig und vertrauenswürdig ist.”

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