ANWENDUNG4. August 2025

Der Kiosk als Filiale: Warum die Bank Nickel in Sachen Diversität und Inklusion vieles anders macht

maxxyustas / Bigstock

Im zunehmend digitalisierten Bankenmarkt sorgt Nickel für ein alternatives Modell: Bankdienstleistungen dort anzubieten, wo Menschen ohnehin ihren Alltag verbringen – in Kiosken, Lottoannahmestellen und kleinen Läden. Damit verfolgt Nickel einen pragmatischen und auf Inklusion ausgerichteten Ansatz, der in seiner Kombination aus physischer Präsenz, digitaler Infrastruktur und sozialer Offenheit in Deutschland derzeit einzigartig ist.

Nickel wurde 2014 in Frankreich gegründet und gehört seit 2017 zur BNP Paribas. Nach erfolgreichen Markteintritten in Spanien, Belgien und Portugal startete das Unternehmen im September 2023 auch in Deutschland. Es richtet sich an Menschen, die unkomplizierten Zugang zu einem Bankkonto benötigen – unabhängig von Einkommen, Vermögen oder Bonität. Der Vertrieb erfolgt über ein Netzwerk kleiner Einzelhandelsstandorte wie Lottoannahmestellen oder Kioske, die vertraglich mit Nickel kooperieren. Diese Partnerstellen dienen als Anlaufpunkt für Kontoeröffnungen, Bargeldeinzahlungen und ‑abhebungen. Bislang wurden europaweit über 4 Millionen Konten eröffnet. In Frankreich zählt Nickel rund 8.200 dieser Standorte, in Spanien 2.400. In Deutschland sind es aktuell etwa 400. Deutschland-Chefin Dagmar Gaede verweist darauf, dass diese Zahl im Vergleich zum Filialnetz klassischer Banken durchaus signifikant sei.

Das zentrale Produkt ist ein einfaches Girokonto mit deutscher IBAN und Mastercard-Debitkarte. Die Kontoeröffnung ist ohne Termin, ohne Schufa-Abfrage und in der Regel innerhalb weniger Minuten möglich. Kunden kaufen ein Startpaket im Einzelhandel und lassen ihre Identität entweder vor Ort oder online bestätigen. Die Debitkarte ist dabei sofort einsatzfähig, trägt aber daher auch nicht den Namen des Kontoinhabers. Die Partnerbetriebe werden im Vorfeld geschult, um Ausweisdokumente aus über 190 Ländern prüfen zu können. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, die normalerweise spezialisierten Dienstleistern vorbehalten ist. Nickel ergänzt diese Prüfung durch eine digitale Kontrolle im Hintergrund. Nach dem Upload der Ausweisdokumente erfolgt eine zusätzliche Überprüfung durch das Nickel-Backoffice.

Technologische Infrastruktur mit niedrigschwelliger Nutzbarkeit

Nickel

Im Einzelhandel können Kunden Bargeld abheben und einzahlen. Weitere Bankdienstleistungen wie Lastschrifteinzüge, Daueraufträge oder Kartenersatz werden dagegen digital über das Kundenportal oder die App abgewickelt. Die Verwaltung des Kontos erfolgt über App, Webportal oder bei Bedarf auch per SMS. Letzteres ermöglicht die Nutzung auch ohne Smartphone oder stabile Internetverbindung. Dies kommt vor allem Menschen entgegen, die nur eingeschränkt digitale Endgeräte oder Datenverbindungen zur Verfügung haben.

Zudem verzichtet Nickel vollständig auf die Möglichkeit zur Kontoüberziehung. Das Gebührenmodell ist klar strukturiert: Das Standardkonto kostet 25 Euro jährlich, das Premiummodell 50 Euro, die Metal-Variante mit zusätzlichen Leistungen 105 Euro pro Jahr. Bargeldabhebungen kosten 1,50 Euro, Einzahlungen 2 Prozent des Betrags (3 Prozent im Shop), wobei die erste Einzahlung bei der Eröffnung kostenlos erfolgt. Auch einige weitere Dienstleistungen kosten extra, etwa die erneute Anzeige der PIN in der App, falls der Kunde diese vergisst. Immerhin wird die IBAN den oftmals mit deutschem Bankwesen unerfahrenen Kunden im Rahmen der Eröffnung des Kontos extra aufgeschrieben. Das hat zu tun mit einer weiteren Besonderheit: Die Karte enthält keinen aufgedruckten Namen – eine Entscheidung, die auch aus Gründen der Diskretion und Barrierefreiheit getroffen wurde.

Seit Juli 2025 besteht eine Kooperation mit Ria Money Transfer, einem global tätigen Dienstleister für Geldtransfers. Nickel-Kunden in Deutschland können über App oder Webportal Geld in mehr als 190 Länder außerhalb des SEPA-Raums überweisen. Die Überweisung kann auf ein Konto erfolgen oder zur Barauszahlung durch den Empfänger vor Ort bereitgestellt werden. Die erste Transaktion ist unabhängig von Zielland und Betrag gebührenfrei.

Inklusion und Teilhabe als konzeptioneller Kern

Nickel positioniert sich explizit als Kontoangebot für Menschen, die von klassischen Bankprodukten bislang ausgeschlossen sind. Dies betrifft beispielsweise Personen mit schwacher Bonität, ohne festen Wohnsitz oder mit befristetem Aufenthaltsstatus. Auch Senioren, Menschen mit Behinderungen oder solche mit geringen technischen Kenntnissen sollen von der einfachen Handhabung profitieren. Ein besonderer Fokus liegt auf sprachlicher Barrierefreiheit. Kontoeröffnung und Verwaltung sind auf mehreren Sprachen verfügbar, darunter Englisch und Französisch. Auch die technische Plattform ist bewusst barrierearm konzipiert. Die fehlende Personalisierung der Karte kommt unter anderem non-binären Personen entgegen.

Seit Juli 2024 leitet Dagmar Gaede das Deutschlandgeschäft von Nickel. Zuvor war sie bei der Nexi Group sowie elf Jahre bei PayPal tätig. Mit Blick auf die strategische Positionierung des Unternehmens sagt sie:

Nickel

Mit unserem Angebot ermöglichen wir Kunden einen einfachen Zugang zu einem Bankkonto, das durch seine Einfachheit und Transparenz besticht. Ziel wird es sein, unser Konto weiterzuentwickeln und im deutschen Markt zu etablieren.“

Dagmar Gaede, CEO von Nickel Deutschland

Infrastrukturangebot mit gesellschaftlicher Wirkung

Unterm Strich stellt Nickel eine physisch-digitale Infrastruktur bereit, die den Zugang zu Bankdienstleistungen für Bevölkerungsgruppen erleichtern soll, die oft unterversorgt bleiben. Durch die Kombination aus der Preisstruktur, der technologischen Einfachheit und der persönlichen Nähe im Alltag will Unternehmen ein Angebot bereitstellen, das auf Inklusion und Funktionalität gleichermaßen setzt. Für Banken, die über neue Vertriebsmodelle, soziale Verantwortung oder technologische Reduktion nachdenken, liefert Nickel ein Beispiel dafür, wie ein alternatives Geschäftsmodell wirtschaftlich tragfähig und gesellschaftlich wirksam zugleich sein kann. In einer Branche, die zunehmend digitalisiert, aber gleichzeitig immer mehr Menschen ausschließt, zeigt Nickel, dass Bankgeschäft auch anders gedacht werden kann – niedrigschwellig, funktional und offen.

Nickel ist damit eine Blaupause für bestimmte personalintensive Bankinglösungen, wie sie etwa auch speziell für ältere, wenig digitalaffine Kundengruppen denkbar sind. Wie Gaede im Gespräch erklärt, ist das zunächst betreuungsintensiv wirkende Konzept aber innerhalb der BNP Paribas-Gruppe nicht mit auffällig mehr Kosten verbunden, kann aber sicherlich als Gegenentwurf zur maximalen Digitalisierung anderer Angebot gesehen werden.tw

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