Digitaler Euro auf Solana und Ethereum: Die Integration in Kernbankensysteme wird nicht leicht

Baker Tilly
Die Entscheidung der Europäischen Union, den digitalen Euro auf öffentlichen Blockchains wie Ethereum oder Solana zu erproben, stellt einen signifikanten strategischen Kurswechsel dar. Bislang favorisierte die Europäische Zentralbank (EZB) private, kontrollierte Infrastrukturen für die Umsetzung der digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency, CBDC). Beschleunigt wurde der Strategiewechsel durch den im Juli 2025 verabschiedeten „GENIUS Act“ in den USA, der erstmals eine umfassende Regulierung für Stablecoins definiert.
von Dr. Christoph Wronka, Leiter Geschäftsbereich Anti-Financial Crime Audit & Advisory & Heinrich Thiele, Rechtsanwalt und Steuerberater, beide Baker Tilly

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Von Eigenentwicklungen zu Public Blockchains
Das Projekt „Digitaler Euro“ verfolgte ursprünglich das Ziel, ein staatlich garantiertes, digitales Zahlungsmittel zu schaffen, das mit europäischem Recht kompatibel ist. Zentralbankgeld sollte so auch in einer zunehmend digitalen und tokenisierten Finanzwelt nutzbar bleiben. Die Entscheidung, auf Solana und Ethereum aufzusetzen, markiert einen Paradigmenwechsel: Statt einer abgeschlossenen, staatlich kontrollierten Infrastruktur greift die EZB auf etablierte, global genutzte Netzwerke zurück.Trotz dieser technologischen Öffnung wird der digitale Euro nicht zu einer Kryptowährung, sondern bleibt staatlich garantiertes Zentralbankgeld mit stabilem Wert eins zu eins zum Euro.”
Über Emissionsrechte von Token, Smart-Contract-Governance und Notfallmechanismen behält die EZB die geldpolitischen Fäden weiterhin in der Hand. Damit soll die Brücke zwischen traditioneller Finanzwelt und Web3 geschlagen werden.
Ethereum und Solana: Technologische Trade-offs und Limitationen
Beide Blockchains bieten Stärken, die für einen digitalen Euro relevant sind: Solana ist auf hohe Transaktionsraten optimiert und ermöglicht Zahlungen in nahezu Echtzeit, was ein entscheidender Faktor für Massenzahlungen ist. Ethereum hingegen gilt als robustes Ökosystem für programmierbare Zahlungen und komplexe Anwendungen, ist aber in Geschwindigkeit und Transaktionskosten limitiert.
Im Hinblick auf Geschwindigkeit muss sich der digitale Euro auch an dem kürzlich unter anderem von deutschen Banken und Sparkassen eingeführten Zahlungssystem Wero messen lassen, ein System, das Echtzeit-Zahlungen in ganz Europa ermöglichen soll. Im Falle von Ethereum ist dies nur per Layer-2 zu erreichen.

Beide Netzwerke verfügen über verteilte Validator-Strukturen, die eine hohe Ausfallsicherheit gewährleisten, auch wenn Risiken wie mögliche Netzwerkforks oder Konsensmanipulationen bestehen. Für Banken stellt sich zusätzlich die Frage, wie Zahlungen in Solana- oder Ethereum-Umgebungen nahtlos in bestehende Kernbankensysteme integriert werden können. Aus technologischer Sicht erscheint die Machbarkeit eines auf Public-Blockchains emittierten digitalen Euro realistisch, wenn auch mit erheblichen Herausforderungen.
Risiken und Herausforderungen in Geldwäscheprävention und Datenschutz
Die Öffnung auf Solana und Ethereum bringt nicht nur Chancen, sondern auch substanzielle Risiken mit sich. Zum einen liegen die Governance-Entscheidungen nicht allein in europäischer Hand, sondern bei internationalen Entwickler-Communities, wodurch eine gewisse Abhängigkeit von den Ökosystemen entsteht.

Public Blockchains sind per Design transparent, sodass die Vereinbarkeit mit DSGVO, Bankgeheimnis und AML-Anforderungen zusätzliche technische Layer wie Zero-Knowledge-Proofs oder Off-Chain-Lösungen erforderlich macht. Zudem können Angriffe auf Smart Contracts, Manipulationen im Validator-Umfeld oder Netzwerküberlastungen unmittelbare Auswirkungen auf den digitalen Euro haben. Zudem sind rechtliche Implikationen, wie die Haftung im Falle von Protokollfehlern oder Netzwerkstörungen, bislang ungeklärt.
Smart Contracts und Effizienz: Chancen für Banken und Finanzdienstleister
Trotz der oben genannten Punkte eröffnet die neue Strategie auch interessante Möglichkeiten. Über die geplanten Wero-Erweiterungen hinaus kann der digitale Euro auf Blockchain-Basis dank Smart-Contracts sowohl für die Bank als auch ihre Kunden echte programmierbare Zahlungen bieten. Programmierbare Zahlungen erlauben automatisierte Abwicklungen von Krediten, Lieferkettenfinanzierungen oder Wertpapiertransaktionen.
Banken können sich im Wettbewerb mit FinTechs und Stablecoin-Emittenten stärker positionieren und von Effizienzsteigerungen profitieren, da Zahlungen in Echtzeit bei gleichzeitig hoher Transparenz bestehende Prozesse verschlanken können.
Durch die Öffnung hin zu Web3-Ökosystemen haben Banken zudem die Möglichkeit, frühzeitig Erfahrungen mit dezentralen Anwendungen zu sammeln, ohne eigene Infrastrukturen entwickeln zu müssen.
Die Banken und Zahlungsdienstleister bleiben auch im digitalen Euro unverzichtbar: Sie eröffnen Wallets, stellen den Zugang für Bürger und Unternehmen bereit und schlagen die Brücke zwischen SEPA-Welt und Blockchain. Damit verlagern sich viele Aufgaben in den Bereich Technik, Integration und Betrieb, von der Anbindung an Kernbanksystemen über das Liquiditätsmanagement bis hin zu sicheren Schnittstellen für Handel und Zahlungsdienstleister.
Kosten
Der digitale Euro muss für Bürger kostenlos bleiben, für Händler aber günstiger sein als heutige Kartenverfahren. Die EZB trägt die Infrastrukturkosten, Banken werden über moderate Händlerentgelte für Wallets, Compliance und Schnittstellen vergütet, nach dem Vorbild von SEPA. Nur dann wird der digitale Euro im Alltag auch auf breite Akzeptanz stoßen.
Fazit und Ausblick
Die strategische Neuausrichtung der EZB zielt darauf ab, die europäische Finanzlandschaft zu stärken und die Abhängigkeit von ausländischen Zahlungslösungen zu reduzieren. Technisch erscheint die Umsetzung grundsätzlich möglich, erfordert jedoch Anpassungen insbesondere im Bereich Datenschutz und Cybersecurity.
Für Banken und Finanzdienstleister bedeutet dieser Wandel, dass sie sich auf neue technologische Rahmenbedingungen einstellen müssen. Es wird entscheidend sein, sich frühzeitig mit den neuen regulatorischen und technischen Anforderungen zu befassen und potenzielle Geschäftsmodelle zu evaluieren, um im Wettbewerb mit FinTechs und Stablecoin-Emittenten konkurrenzfähig zu bleiben.Dr. Christoph Wronka, Heinrich Thiele, Baker Tilly/dk
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