ANWENDUNG13. Oktober 2025

FAQ: Die wichtigsten 5 Antworten zu Agentic Commerce

Eine Person interagiert über ein Smartphone mit einem KI-gestützten Chatbot, der Unterstützung bei der Versicherung eines Fahrzeugs anbietet. Diese Anwendung verdeutlicht die Prinzipien des Agentic Commerce durch personalisierte und automatisierte Kundenkommunikation.
KI, DALL-E

Agentic Commerce ist die nächste Entwicklungsstufe, was schnellere Entscheidungen und verbesserte Kundenerlebnisse anbelangt. An der Schnittstelle zwischen KI, Automatisierung und E-Commerce schickt es sich an, die Personalisierung auf ein noch nie da gewesenes Niveau zu heben. Auch Banken und Versicherer sollten sich damit befassen.

Von David Wolf

Am Anfang stand das Kaufhaus. Man ging hinein, suchte, ließ sich fachmännisch beraten und kaufte. Dann betrat das Online-Shopping beziehungsweise der E-Commerce die Bühne. Einkaufen per Mausklick. Ganz bequem übers Internet und auf der heimischen Couch. Was folgte, war der M-Commerce, das mobile Einkaufen. Jederzeit und überall mit dem Smartphone.

In Zukunft werden wir vor den Begriff “Commerce” statt ein „E” oder „M” wohl ein „A” setzen. Agentic Commerce steht für müheloses, zeitsparendes und höchst personalisiertes Einkaufen. Sein Versprechen: Genau das zu finden, was Kunden wollen – und das sie auch direkt bezahlen können.

1. Was bedeutet Agentic Commerce und wie unterscheidet es sich vom klassischen E-Commerce?

Beim Agentic Commerce treffen autonome KI-Agenten anstelle von Menschen Einkaufsentscheidungen und führen Transaktionen aus. Während der klassische E-Commerce auf das manuelle Handeln von Konsumenten setzt – Produkt suchen, vergleichen, kaufen –, übernehmen im Agentic Commerce intelligente Softwareagenten diese Aufgaben selbstständig.

Ein solcher Agent kann etwa auf Basis persönlicher Präferenzen, Budgets oder Nachhaltigkeitskriterien Produkte recherchieren, Preise vergleichen, Bewertungen prüfen und direkt bestellen – ohne dass der Mensch jeden Schritt begleiten muss.

Unternehmen können eigene Agenten einsetzen, um Angebote dynamisch zu erstellen, Lieferketten zu optimieren oder auf Kundenanfragen automatisiert zu reagieren.

Der entscheidende Unterschied: Agentic Commerce ist proaktiv, nicht reaktiv. Statt auf Klicks oder Suchanfragen zu warten, handeln Agenten eigenständig im Interesse ihrer Nutzer. Damit verschiebt sich der Fokus von der User Experience (UX) zur Agent Experience – also der Interaktion zwischen autonomen Systemen, die im Hintergrund wirtschaftliche Entscheidungen treffen.

2. Wie läuft der Einkaufsvorgang beim Agentic Commerce ab?

Ein Einkauf beim Agentic Commerce läuft völlig anders ab als beim klassischen Online-Kauf. Statt dass Nutzer aktiv nach Produkten suchen, übernimmt ein KI-Agent den gesamten Prozess – von der Bedarfserkennung bis zur Bezahlung.

Beispiel: Ein persönlicher Einkaufsagent erkennt, dass die Vorräte an Büromaterial zur Neige gehen. Er gleicht automatisch Preise und Lieferzeiten verschiedener Anbieter ab, wählt die günstigste Option aus und löst die Bestellung innerhalb zuvor festgelegter Rahmenbedingungen selbstständig aus.

Im Hintergrund kommunizieren dabei mehrere spezialisierte Agenten miteinander: Einkaufsagenten der Konsumenten mit Angebotsagenten der Händler. Über standardisierte Schnittstellen und Protokolle tauschen sie Produktdaten, Konditionen und Transaktionsdetails aus. Die zugrundeliegende KI analysiert Kontextdaten, Vorlieben und historische Entscheidungen, um Empfehlungen und Käufe immer präziser zu gestalten.

Das Ergebnis ist ein hochgradig automatisierter, kontextsensitiver Handelsprozess, der Zeit spart, Fehler reduziert und in Echtzeit auf Marktveränderungen reagieren kann. In dieser neuen Handelswelt handeln Maschinen nicht nur für Menschen, sie verhandeln auch miteinander.

3. Welche Technologien stecken hinter Agentic Commerce?

Im Kern basiert Agentic Commerce auf autonomen KI-Agenten, die auf Large Language Models (LLMs) wie GPT-5, Claude oder Gemini aufbauen. Diese Modelle verleihen den Agenten ein semantisches Verständnis von Sprache, Kontext und Intention. Dies ist die Grundlage für das Treffen eigenständiger Entscheidungen.

Ein zentraler Treiber hierbei ist OpenAI. Ende September 2025 kündigte das Unternehmen ein „Agentic Commerce“-Protokoll an. Damit lassen sich Käufe direkt in ChatGPT abwickeln, von der Beratung über die Auswahl bis zum Checkout. Weil Unternehmen ihre Shops über Schnittstellen verbinden können, wird die Customer Journey komplett verschlankt.

Dazu kommen Multi-Agenten-Systeme (MAS), in denen verschiedene spezialisierte Agenten zusammenarbeiten. So kann sich ein Agent beispielsweise für die Bonitätsprüfung bei Immobilienkrediten kümmern. Ein anderer bewertet die Immobilie, analysiert Wertgutachten oder führt eine Standortanalyse durch. Ein dritter Agent wiederum entwickelt auf Basis dieser Informationen maßgeschneiderte Finanzierungsvorschläge und passt die Angebote an das Risikoprofil des Kunden an.

Diese jeweils autonomen beziehungsweise selbstständig handelnden Agenten bilden ein Netzwerk, das ohne zentrale Steuerung funktioniert. Ihre Stärke liegt im Austausch von Daten und der gemeinsamen Problemlösung. Die Agenten lernen also nicht nur individuell, sondern auch im Zusammenspiel, indem sie Strategien anpassen, aufeinander reagieren und gemeinsame Ziele optimieren.

Entscheidend hierfür sind standardisierte Schnittstellen, die den Informationsfluss ermöglichen. Agentic Commerce ist somit kein einzelnes Tool, sondern ein Zusammenspiel moderner KI-, Daten- und Schnittstellentechnologien. Google A2A (Agent-to-Agent) oder das MCP (Model Context Protocol) sind Beispiele für standardisierte Schnittstellen, über die verschiedene Agenten nahtlos miteinander kommunizieren können – automatisiert, strukturiert und regelbasiert.

Erwähnenswert im Zusammenhang mit MAS ist das sogenannte Reinforcement Learning. Dabei handelt es sich um eine Form maschinellen Lernens, bei der Agenten durch Trial and Error lernen, welche Handlungen zu den besten Ergebnissen führen. Agenten lernen beispielsweise, wann sie Rabatte aushandeln, welche Lieferanten am zuverlässigsten sind oder wann sich eine Bestellung lohnt.

4. Welche wirtschaftlichen Chancen bietet Agentic Commerce?

Für Unternehmen eröffnet Agentic Commerce völlig neue wirtschaftliche Perspektiven. Statt Kunden über klassische Marketingkanäle anzusprechen, können sie künftig direkt mit den Agenten ihrer Zielgruppen interagieren – also dort, wo Kaufentscheidungen tatsächlich fallen. Das verschiebt den Wettbewerb von Sichtbarkeit und Werbung hin zu Algorithmus-Kompatibilität und Datenqualität.

Ein weiterer Vorteil ist die Steigerung der Effizienz. Autonome Agenten übernehmen Routineaufgaben wie Preisvergleiche, Bestellprozesse oder Vertragsabschlüsse und reduzieren damit operative Kosten. Im B2B-Bereich können Beschaffungs- und Verkaufsagenten komplexe Angebotsprozesse automatisiert abwickeln – von der Bedarfsanalyse bis zur Nachverhandlung.

Zugleich entsteht eine neue Form der Hyperpersonalisierung: Agenten kennen die Präferenzen und Budgets sowie weitere Faktoren ihrer Nutzer im Detail und handeln entsprechend. Unternehmen, die ihre Datenstrategien frühzeitig anpassen, können maßgeschneiderte Angebote in Echtzeit bereitstellen und so die Kundenzufriedenheit erhöhen.

5. Was sind mögliche Use Cases für Banken und Versicherer?

Während Agentic Commerce oft mit Online-Handel und Konsumgütern assoziiert wird, gibt es auch in der Finanz- und Versicherungswirtschaft Anwendungspotenziale. In der Finanzbranche könnten Agenten künftig die Rolle persönlicher Finanzassistenten übernehmen. Dafür analysieren sie etwa Einkommen, Ausgaben und Sparziele, vergleichen automatisch Kreditangebote oder Anlageprodukte. Transaktionen führen sie im definierten Rahmen selbst aus. So könnte ein KI-Agent beispielsweise erkennen, dass ein Tagesgeldkonto zu wenig Rendite abwirft, Alternativen prüfen und nach Zustimmung des Kunden automatisch umschichten.

Ein weiteres denkbares Einsatzfeld ist die personalisierte Kundeninteraktion im Vermögensmanagement: KI-Agenten schlagen passend zur Lebenssituation und zum Anlageprofil maßgeschneiderte Finanzprodukte vor.

Konkrete Use Cases zeichnen sich auch in der Versicherungwirtschaft ab. Kunden-Agenten könnten beispielsweise Versicherungsbedingungen und Prämien laufend vergleichen, während Anbieter-Agenten dynamisch auf diese Anfragen reagieren und individuelle Angebote kalkulieren.

Mittels personalisiertem Cross- und Upselling könnten Kundendaten aggregiert und analysiert werden, um gezielt neue Produkte oder Tarifoptimierungen vorzuschlagen.

Ausblick

Agentic Commerce wird schon heute nicht mehr nur als Trend verstanden, sondern als ein Paradigmenwechsel. KI-Agenten übernehmen immer mehr Teile der Customer Journey – von der Recherche bis zum Checkout. Für Unternehmen eröffnen sich damit Chancen auf höhere Conversion Rates, effizientere Prozesse und neue Vertriebskanäle.

Langfristig könnte Agentic Commerce dazu führen, dass etwa Bank- oder Versicherungskunden nicht mehr direkt mit dem Unternehmen interagieren, sondern mit deren Agenten. Diese handeln als vertrauenswürdige Stellvertreter und tätigen selbstständig Abschlüsse.dw

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