STRATEGIE19. September 2025

ISO 20022: Wer jetzt nur konvertiert, verliert

Steffen Grenzheuser, DPS, lächelt in die Kamera. Der Hintergrund ist hell und modern gestaltet, mit blauen und pinken Elementen. Die Darstellung vermittelt Professionalität und Offenheit, was im Kontext der Diskussion um ISO 20022 relevant ist.
Steffen Grenzheuser, DPS

Banken investieren Millionen in ISO 20022 – und verpassen dennoch die eigentliche Chance. Statt ihre IT-Architektur zukunftsfähig zu machen, setzen viele Institute auf kurzfristige Konverterlösungen. Das Resultat: Die regulatorischen Anforderungen werden formal erfüllt – aber die Systeme bleiben strukturell in der Vergangenheit verankert.

von Steffen Grenzheuser, DPS und Udo Browarczik, Business Analyst

Dabei ist ISO 20022 weit mehr als der neue Nachrichtenstandard für den Zahlungsverkehr und absehbar auch die Wertpapierabwicklung. Wer das Format strategisch versteht, schafft nicht nur Ordnung in der Datenübertragung, sondern öffnet den Weg zu effizienteren Prozessen, automatisierten Prüfungen, klarerem Kundenfeedback und einem flexibleren Architekturmodell.

Udo Browarczik, Experte für IT-Architektur, betont die Bedeutung von ISO 20022 als Schlüssel zur Transformation im Bankensektor. Der externe Druck zur Anpassung wächst, weshalb proaktive Maßnahmen erforderlich sind.
Udo Browarczik

Umso wichtiger ist es, ISO 20022 nicht als reine Pflichtübung zu behandeln – sondern als Schlüssel für eine gezielte Transformation.

Warum jetzt handeln? Der Druck wächst von außen

Der Veränderungsdruck ist real – und er kommt nicht nur von Regulatoren oder IT-Abteilungen, sondern vor allem von den Kunden. Insbesondere im B2B-Auslandszahlungsverkehr werden Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Transparenz zur Erwartungshaltung. Die von ibi research und DPS durchgeführte Studie „Cross Border Payments – Die Zukunft des B2B-Auslandszahlungsverkehrs“ zeigt klar: 93 % der befragten Unternehmen wünschen sich transparente Gebühren, 89 % eine eindeutige Verknüpfung zwischen Zahlung und Rechnung, 75 % regelmäßige Statusinformationen zur Transaktion.
Gleichzeitig herrscht große Unzufriedenheit mit der gelebten Praxis. Besonders schwach schneiden die Anbieter bei Echtzeitzahlungen, Kostenstruktur und Tracking-Möglichkeiten ab.

Das technische Rückgrat vieler Banken – häufig jahrzehntealte Mainframe-Systeme – ist auf diese Anforderungen nicht ausgelegt. Der Wunsch der Kunden nach Klarheit kollidiert mit historisch gewachsenen IT-Strukturen.”

Legacy bleibt – aber nicht wie bisher

Steffen Grenzheuser, DPS
Steffen Grenzheuser, Senior Consultant bei DPS, ist auf die Implementierung von ISO 20022 im Zahlungsverkehr spezialisiert. Seine Expertise in der IT-Architektur unterstützt Banken bei der Anpassung an neue Standards und der Optimierung bestehender Systeme.Steffen Grenzheuser ist Senior Consultant bei DPS (Website) und dort in Kun­den­pro­jek­ten im Um­feld des Zah­lungs­ver­kehrs tä­tig. Der Au­tor ist seit 2018 in die­sem Be­reich ak­tiv und bringt so­wohl fach­li­che als auch tech­ni­sche Er­fah­rung mit. Zu­vor war er bei IT-Dienst­leis­tern und Un­ter­neh­mens­be­ra­tun­gen in ver­schie­de­nen Pro­jektrol­len tätig.
Gerade in diesem Spannungsfeld zwischen steigenden Anforderungen und begrenzten Systemfähigkeiten wird deutlich: Die Frage ist nicht, ob modernisiert werden muss – sondern wie. Mainframes haben sich über Jahrzehnte als zuverlässig erwiesen. Doch ihre Monolith-Struktur macht Anpassungen schwerfällig, teuer und riskant. Daher ist eine selektive Modernisierung einzelner Komponenten angeraten.
Hier liegt die Chance von ISO 20022. Der Standard erlaubt es, vorhandene Systeme kontrolliert zu öffnen.

Durch klar strukturierte XML-Daten können Banken neue Anwendungen anbinden, zusätzliche Informationen transportieren und bestehende Prozesse optimieren – ohne das Backend auf einen Schlag auszutauschen.”

Genau dieser schrittweise Modernisierungspfad eröffnet echte Gestaltungsspielräume, ohne die Stabilität zu gefährden.

Konverterlösungen führen in die Sackgasse

Udo Browarczik, Business Analyst Selbstständig
Udo Browarczik, Business Analyst, präsentiert sich lächelnd. Seine Expertise im Zahlungsverkehr und in SWIFT-Infrastrukturen ist relevant für die Diskussion über ISO 20022. Der Fokus liegt auf strategischen Ansätzen zur Implementierung.Udo Browarczik ist Ex­per­te für Zah­lungs­ver­kehr und SWIFT-In­fra­struk­tu­ren mit lang­jäh­ri­ger Er­fah­rung im Bank­we­sen (LinkedIn). Der Au­tor war vie­le Jah­re als SWIFT-Ma­na­ger im Aus­lands­zah­lungs­ver­kehr ei­ner Lan­des­bank tä­tig und ver­trat die Spar­kas­sen­or­ga­ni­sa­ti­on in ver­schie­de­nen SWIFT-User­groups. Heu­te be­schäf­tigt er sich mit stra­te­gi­schen The­men rund um ISO 20022 und Marktinfrastrukturen.
Trotzdem wählen viele Institute den vermeintlich pragmatischeren Weg über Konverterlösungen – und vergeben damit Potenzial. Denn Konverter simulieren nur Modernität. Sie übersetzen die Form, nicht den Inhalt. Zusätzliche Informationen wie LEI, UETR oder strukturierte Verwendungszwecke gehen entweder verloren oder werden nicht sinnvoll weiterverarbeitet.

Noch gravierender: Für Compliance- und AML-Prüfungen bedeutet das „Truncation Risk“ ein echtes Problem.”

Niemand würde sich hier grob fahrlässig auf eine einfache „Übersetzung“ verlassen wollen. Fehlende Datenstrukturen verhindern automatisierte Checks, erzeugen manuelle Aufwände und machen die Systeme auf Dauer ineffizient. Was bleibt, ist ein modern aussehender Altzustand – und der Eindruck, ISO 20022 sei mehr Last als Chance.

Modular modernisieren – statt alles neu bauen

Der bessere Weg liegt im stufenweisen Umbau. Statt komplette Kernsysteme zu ersetzen, können einzelne Funktionen – etwa für Reporting, Monitoring oder Case Management – als neue, XML-basierte Services eingeführt werden.

Mainframe und moderne Komponenten arbeiten dabei Hand in Hand. Die Vorteile: bestehende Investitionen bleiben nutzbar, regulatorische Anforderungen werden abgedeckt, und Innovationen lassen sich gezielt einführen, ohne den laufenden Betrieb zu gefährden.”

Aufwändige Parallelbetriebe ganzer Infrastrukturen z.T. über Jahre können vermieden werden.
So entsteht eine hybride Architektur, die Stabilität mit Flexibilität verbindet. Und: Sie lässt sich weiterentwickeln – statt sich selbst zu blockieren.

Mehrwert durch Struktur – nicht durch Format

Wenn ISO 20022 voll ausgespielt wird, entstehen messbare Fortschritte. Automatisierungsquoten steigen, Fehler werden reduziert, Compliance-Checks verlaufen zuverlässiger. Gleichzeitig können Zahlungen um Zusatzinformationen ergänzt werden, was insbesondere im internationalen Firmenkundengeschäft für mehr Transparenz sorgt.
Die von ibi research und DPS identifizierten Kundenanforderungen – von der Gebührentransparenz bis zum Zahlungs-Tracking – lassen sich mit strukturierten Daten direkt adressieren. Doch das setzt voraus, dass die Systeme diese Struktur auch verarbeiten – und nicht nur weiterleiten.

Strategische Entscheidung steht an

ISO 20022 ist keine reine Formatfrage – sondern ein strategisches Angebot. Wer heute nur konvertiert, wird morgen doppelt zahlen: durch Reibungsverluste, Medienbrüche und verspätete Innovationsfähigkeit.

Wer jedoch gezielt modernisiert, sich von Konverterlogik verabschiedet und Backend und Architektur neu denkt, profitiert mehrfach – intern wie extern.”

Jetzt ist die Zeit, den Mainframe nicht abzuschreiben – sondern gezielt „abzustauben“ und zu aktivieren. Steffen Grenzheuser, DPS und Udo Browarczik

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