MEINUNG7. Mai 2025

Mobile Wallets: Warum die Banken gute Chancen auf einen Platz auf dem Homescreen haben

Auf dem Bild ist ein Smartphone zu sehen, das eine Zahlungsanwendung zeigt. Die Hand hält das Gerät über ein Kartenlesegerät. Der Hintergrund ist unscharf, mit verschiedenen Textilien. Die Szene deutet auf eine kontaktlose Bezahlung mit Apple Pay hin.
DenPhoto / Bigstock.com

Die klassische Girocard, einige Debit- und Kreditkarten der zwei bis fünf großen Kartenanbieter, dazu Wero, Paypal, Klarna und nicht zuletzt Google Pay und Apple Pay – nie zuvor hatten wie so viele Varianten, um bargeldlos zu bezahlen. Einige haben mit Mobilgeräten zu tun, andere folgen der klassischen Karte, immer mehr der Varianten sind kontaktlos am POS, andere wiederum funktionieren über die unterschiedlichsten PSD2-konformen Lösungen im Onlinehandel. Doch was zählt, ist vor allem im Zusammenhang mit den entsprechenden Mobilgeräten die Wallet. Und um die ist – nicht erst durch die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Apple eine Öffnung der NFC-Schnittstelle abverlangen, ein großes Rennen entbrannt. Dass Paypal hier neuerdings mitmischen will, ist schön, denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Doch die Banken sind hier alles andere als chancenlos, wenn sie einige wichtige Punkte beachten.

Der Digital Markets Act (DMA) verlangt von Apple die Öffnung der NFC-Schnittstelle. Lange Jahre hat sich das Unternehmen mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, inzwischen jedoch eingesehen, dass man nicht darum herumkommen wird. Android-Nutzer kennen diese Freiheit schon seit Jahren, können aus einer Vielzahl an Wallets wählen. Das wird in der Applewelt bald ähnlich sein – zur Freude des Handels und der beteiligten Diensteanbieter über die bessere Zugänglichkeit zu den als zahlungskräftig geltenden Kudnen – und nicht zuletzt auch zur Freude der Kundschaft selbst.

Von Genobanken bis Paypal: Konkurrenz belebt das Geschäft

Dieser Tage haben die Volksbanken erstmals einen Geldtransfer an Apple Pay vorbei über die NFC-Schnittstelle realisert – und spätestens mit der Ankündigung von Paypal, eine entsprechende Wallet an den Start zu bringen, ist das Thema wieder ganz oben auf der Agenda. Dass Deutschland hier erster Markt und Pilotland ist, ist zumindest bemerkenswert, ergibt aber auch Sinn. Ob sich die Volks- und Raiffeiesenbanken, wie es gerüchteweise heißt, komplett von der Apple-Pay-Unterstützung lossagen werden, bleibt dagegen abzuwarten, ist aber in diesem Spiel letztlich (außerhalb der Atruvia-Welt) auch nicht der entscheidende Punkt.

Sparkassen

Für den Kunden wird’s damit zwar demokratischer, aber auch ein Stück unübersichtlicher. Schon heute verstehen viele Kunden außerhalb der Payment-Nerd-Bubble kaum, was sie da gerade tun, wenn sie mit Hilfe ihres Mobilgerätes bezahlen. Zahlungsdienst, Wallet, Bankunterstützung, NFC-Chip – und das ist nur die eine (Kunden-)Seite. Spätestens wenn es zu einer Ungereimtheit bei der Abwicklung kommt, also etwa eine Zahlung nicht oder falsch ausgeführt wird, übersteigt das die Nachvollziehbarkeit für viele Kunden. Dass das so ist, zeigt sich auch immer wieder in Diskussionen im Netz im Hinblick auf die Frage, wer denn jetzt was über den Kunden und seine Einkaufsgewohnheiten (bis hin zu Warenkörben, also wer wann was gekauft hat) weiß. Spoiler: Dank Zahlungsauslösung ist das Ganze diskreter als manche Alternativlösung.

Welche Wallets wirklich vorne mitspielen könnten

Interessant ist das natürlich auch für zahlreichen Player, die das Spiel mitspielen. Da geht es um Datenhoheit, um das Generieren von Touchpoints, um ein prominentes Auftauchen auf dem Gerät des Kunden – und bei all dem nicht zuletzt natürlich auch ums Geld. Denn die Kunden öffnen ihre Wallet und folgen in den meisten Fällen einfach dem hierdurch vorgegebenen Workflow. Wer hier quasi „per default“ an der ersten oder prominenten Stelle rangiert, macht das Geschäft.

Tobias Weidemann,
IT Finanzmagazin
Tobias Weidemann, IT Finanzmagazinprivat

Tobias Weidemann ist Stellvertreter des Chefredakteurs von IT Finanzmagazin und als Redakteur und Berater für Content und Kommunikation tätig. Er schreibt seit vielen Jahren über Technik- und Wirt­schafts­themen, vor allem mit digitalem Dreh und Schwerpunkt auf Banken, Versicherungen und Payment.

Doch wer wird in Zukunft ganz vorne mitspielen? Apple und Google als Wallet-Anbieter aus dem Silicon Valley sicherlich, Paypal wahrscheinlich aufgrund der über 30 Millionen Kunden alleine in Deutschland auch, gegebenenfalls auch einige europäische Player von Wero über Payback und vielleicht Klarna bis hin zu nationalen Anbietern wie Twint in der Schweiz oder Vipps aus dem skandinavischen Markt. Wer hier die Nase vorn hat, wird einerseits davon abhängen, wie intuitiv und gut bedienbar die Lösungen sind – und mit wie viel Macht sie auf die Endgeräte gepusht werden. Apple und Google haben da sicher einen Vorteil, gegen den die einschlägigen Gerichte und der Verbraucherschutz aber sicherlich ihre Stimme erheben werden.

Doch es geht auch um die Interoperabilität. Denn die Zeiten, in denen der Kunde nur ein Konto bei einer bestimmten Bank hatte, sind wohl spätestens seit der Karten- und Zahlungslösungsvielfalt, die wir haben, vorbei. Doch einige der Wallets sind gewollt oder ungewollt alles andere als Multi-Banking-fähig. Das gilt selbst für Anbieter wie Paypal, die (noch und wohl auch dauerhaft) nicht als Open Issuing Wallet konzipiert sind. Damit ist klar, wohin die Reise geht – zum kompletten Handels- und Payment-Ökosystem, das souverän alle möglichen Daten erhebt und bestenfalls auch die Datensparsamkeit und den Datenschutz des Kunden im Blick hat (aus Sicht vieler Banken wohl eher nicht).

Welche Wallet? Das Rennen geht jetzt erst richtig los

Wero

Ist das Rennen zu Ungunsten der Banken damit schon gelaufen? Nein, sicherlich nicht. Noch haben die Banken gute Chancen, mit eigenen Angebote bei den marktführenden Wallets dabei zu sein. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, obwohl die regulatorischen Rahmenbedingungen hier vieles verändert haben, was (Stichwort Multibanking) nicht nur den Non-Bankings genutzt haben, sondern auch den Banken selbst. Entscheidend wird sein, ob es den Banken und Sparkassen gelingt, endlich anbieterübergreifend und aus Sicht des Kunden zu denken. Sie könnten vernünftigerweise gerade in der heutigen Zeit mit europäischer Souveränität argumentieren, mit der Unabhängigkeit von US-Diensten – wohl wissend, dass in einer digitalen (und damit US-zentristischen) Welt ein solches Selbstverständnis nur mit vielen Fußnoten umzusetzen ist.

Letztlich wird es aber vor allem darum gehen, dass eine Lösung so intuitiv und einfach wie möglich ist und eine sichere Anbindung an das Konto ermöglicht – eine Domäne, auf die naturgemäß die Banken und Sparkassen einwirken können, aber bei der sie auch viel falsch machen können. Wer das schafft, erobert den Homescreen der Smartphones, wer hier allerdings versagt, riskiert gerade in Zukunft auch die Kundenbeziehung.tw

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