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STRATEGIE2. Februar 2023

Wir sind noch nicht so weit! – Wo Metaverse & Finanzbranche wirklich stehen

Simon Alioth, Synpulse8Synpulse8

Das Metaverse ist in aller Munde – aber kaum jemand beleuchtet die technischen Hürden, die vor uns liegen. Die Finanzbranche wittert bereits ihre Chance auf einen neuen, virtuellen Markt, der alles verändern könnte. Doch zunächst sollte man einen Blick darauf werfen, wie Investitionen Innovation vorantreiben können und einen Überblick bekommen, wo technisch sowie regulatorisch noch etwas getan werden muss.

 von Simon Alioth, Managing Director bei Synpulse8

Aktuell sprechen einige Experten vom Metaverse als die “Revolution des Internets”. Tatsächlich handelt es sich eher um eine Weiterentwicklung – also die Evolution des Internets, wie wir es kennen. Weg von einem Web 2.0, hin zu einem Web 3.0, in dem Nutzer und ihre Daten selbst das Produkt sind. Das Internet wird zu einer – mittlerweile Dank AR & VR sogar dreidimensionalen – virtuellen Welt, die menschliche Interaktion realitätsnah imitiert. All das basiert auf dem Einsatz neuer Technologien und birgt das Potenzial, ganze Bereiche unseres Lebens zu beeinflussen und zu verändern. Doch noch gibt es erhebliche Schwächen im System. Um diese nachvollziehen zu können, sollte man einen kurzen Blick auf den technischen Aufbau eines Metaverse werfen:

Physische Infrastruktur bildet die Grundlage für den Datenfluss und -austausch und besteht aus essentieller Hardware wie Servern, Prozessoren und Chips.

Die Netzwerk-Ebene stellt durchgehende Kommunikationsmittel (Stichwort Transmission Control Protocol (TCP) und Internet-Protokoll (IP)) bereit und legt die Art und Weise fest, wie Daten und Informationen ausgetauscht werden.

Protokoll- und Interface-Ebene: Darauf aufbauend werden verschiedene Protokolle (z.B. Ethereum im Bereich der Distributed Ledger Technology, kurz DLT, und Interface-Toolkits (z.B. Virtual-Reality-Hardware)) geschaffen, die den Zugang, die Visualisierung und die Programmierbarkeit für Entwickler und Nutzer definieren.

All das zusammen bildet die Grundlage, um spezifische Plattformen bzw. virtuelle Welten wie Horizon Worlds von Meta oder Decentraland zu erstellen, in die Nutzer mit Hilfe von individuellen Avataren eintauchen können.

Im letzten Schritt, der Content-Ebene, können Provider und Entwickler Webanwendungen (z.B. Spiele oder Business-Apps) implementieren, die User dann nutzen können und so die Plattform interessant machen.

Die Struktur des Metaverse
Die Struktur des MetaverseSynpulse8

Das Web 3.0 verspricht dezentraler zu sein, was es für die Nutzer einfacher macht, ihre eigenen Daten zu kontrollieren und vermarkten zu können. Diese Dezentralisierung des Internets kann durch die DLT (Distributed Ledger Technology, die auf Blockchain Technologie basiert) erreicht werden, die insbesondere dazu genutzt werden kann, Eigentums- und Verfügungsrechte an persönlichen Daten, aber auch an digitalen oder digital dargestellten physischen Gütern, zum Beispiel in Form von Tokenisierung, aber auch virtuellen Gütern wie NFTs zu ermöglichen.

Hier muss man nochmal zwischen verschiedenen Arten von Metaverse unterscheiden:

Zum einen dem zentralisierten Metaverse, in dem die Daten von einer einzigen, zentralen Einrichtung bzw. einem Unternehmen (z.B. Facebook) kontrolliert, gespeichert und verarbeitet werden.

Was aus technischer Sicht unkomplizierter sein mag, wirft aus Sicht des Datenschutzes und -sicherheit jedoch einige Fragen auf, da zentralisierte Server eine einzige Fehlerquelle und Angriffspunkt darstellen.”

Zudem gibt das kontrollierende Unternehmen die Richtlinien und Standards vor und Nutzer können interagieren, aber nicht die digitale Umgebung kontrollieren oder besitzen.

Dem gegenüber stehen DLT-basierte, dezentralisierte Metaverses. Hier liegt die Entscheidungsgewalt nicht bei einer zentralen Organisation, sondern bei den Nutzern, die im Besitz ihrer Daten sind. Damit sind sie unabhängig von einer zentralen Gegenpartei, die ihr Konto löschen oder ihren Zugang zu bestimmten Inhalten oder Funktionen beschränken kann. Die Daten selbst werden über ein Netzwerk von Peer-to-Peer-Knoten oder Nutzern verteilt.

Vor welchen Herausforderungen steht die Finanzwelt beim Thema Metaverse?

Es mag aktuell anders erscheinen, aber eigentlich müssen sich Finanzunternehmen keinen Druck machen, so schnell wie möglich Teil des Metaverse zu werden. Wir sind einfach noch nicht so weit. Es bleibt also jedem Unternehmen überlassen, ob es mit den neuen Möglichkeiten experimentieren will und vielleicht ein Thought-Leadership-Zeichen setzen kann und möchte oder ob Unternehmen noch warten. Schätzungen gehen davon aus, dass es noch Jahre dauern wird, bis die wichtigsten Merkmale des Metaverse zum Mainstream werden. Damit das gelingt, müssen zunächst einige Hürden überwunden werden.

Infrastruktur und Interoperabilität

Im aktuellen Zustand ist die Internet-Infrastruktur ungeeignet für den Aufbau einer Metaverse-Welt, in der man vollumfänglich interagieren kann. Ein technisches Problem stellt die erforderliche Latenzzeit dar (was oftmals mit der Serverleistung zusammenhängt). Diese sollte weniger als 12 Millisekunden betragen.”

Zum Vergleich: Zwischen 75 und 150 Millisekunden werden für Videotelefonie und Cloud-Gaming benötigt.

Für einige Features des Metaverse werden deutlich mehr Speicher- und Rechenkapazitäten benötigt. Zudem reden wir von einer virtuellen Welt, die auf Daten und deren Verarbeitung beruht. Daher wird auch ein verstärkter Wechsel zu cloudbasierten Servern stattfinden, da diese kosteneffizienter sind sowie einfacher zu warten und zu unterhalten. Zudem können sie große Mengen von Daten und Pixeln schnell verarbeiten – eine Grundlage des Metaverse.

Autor Simon Alioth, Synpulse8
Dr. Simon Alioth ist Managing Director bei Synpulse8 (Website) und Mitglied des ExCo von Synpulse Schweiz. Er ist spezialisiert auf Konnektivität und Open Finance und unterstützt Finanzinstitute bei der Entwicklung von Ecosystem- und Platform-Banking-Geschäftsmodellen mit Dienstleistungen und Produkten von der Strategie bis zur Umsetzung. Zudem ist er Mitbegründer und Vizepräsident der OpenWealth Association und leitet das Team, das die globale Vermögensverwaltungs-Community orchestriert und die Spezifikation des OpenWealth API Standards entwickelt.

Eine der größten Hürden – besonders für Unternehmen, die sich im virtuellen Raum positionieren wollen – ist allerdings die fehlende Interoperabilität. Sie schränkt den Zugang der Nutzer zum Metaverse ein, anstatt dass sie sich frei durch mehrere virtuelle Welten bewegen können. Menschen in der realen Welt können verschiedene Orte auf der Welt besuchen und ihre physischen Güter problemlos von einem Ort zu einem anderen bewegen. Die Nutzer eines Metaverse-Projekts streben dieselbe Interoperabilität an. Nur so kann ein global vernetztes Metaverse-System entstehen, in dem Nutzer nahtlos miteinander interagieren und Geschäfte tätigen können.

Regulierungen & Gesetze

Wie in der realen Welt müssen auch im Metaverse bestimmte Regeln gelten – sei es im Geschäftskontext oder in Bezug auf Datenschutz und Cybersicherheit. Noch gibt es sie allerdings nicht, auch wenn im Zuge der Pandemie und des damit verbundenen mobilen Arbeitens bereits einige Regularien angepasst wurden.

Gerade im Finanzbereich der realen Welt gibt es eine Vielzahl nationaler wie internationaler Regularien, die strikt eingehalten werden müssen. Die Umsetzung im Metaverse muss noch geklärt werden – besonders hinsichtlich der Identitätsüberprüfung auf Avatar-Basis sowie Sicherheitsfragen.”

Das ist insbesondere für Finanzunternehmen relevant, die im Bereich Financial Advice tätig sein wollen und Ihre Kunden – ob in einer virtuellen Filiale oder an anderen Orten im Metaverse – beraten möchten. Informationen zu Herkunfts- und Wohnort der Kunden müssen in diesem Beratungskontext zum Beispiel korrekt sein. Handelt es sich dabei um ein anderes Land als das des Finanzunternehmens, gelten grenzüberschreitende Finanzregulierungen auf beiden Seiten, die nochmal stärker kontrolliert werden.

Investitionsmöglichkeiten für die Finanzbranche

Obwohl das Metaverse noch nicht bereit ist für day-to-day Business und es keine konkreten Finanzanwendungen gibt, bestehen trotzdem verschiedene Investitionsmöglichkeiten, um von den Trends zu profitieren. Das sind in erster Linie die zugrundeliegenden Technologien. Dazu zählen DLT-basierte Plattformen (wie z.B. NFT-Marktplätze), die bei finanziellen Transaktionen im Metaverse entscheidend werden könnten, VR- oder AR-Geräte oder Avatar-Entwicklungsmaschinen. Aber auch das Sponsoring von virtuellen Events im Metaverse kann eine Investitionsmöglichkeit sein.

Der nächste Schritt der Finanzbranche

Das Metaverse ist noch lange nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen, was die noch recht eingeschränkten Nutzerzahlen belegen. Es ist wie man so schön sagt ‘work in progress’, sowohl hinsichtlich der noch recht einfach gehaltenen Darstellung der DLT-Welten bis zum Equipment wie den VR-Brillen. Aber mit jedem neuen Player in diesem Bereich wird diese Entwicklung auch vorangetrieben.

Daher sollte sich die Finanzbranche bereits heute überlegen, wie sie diese Bewegung durch gezieltes Investment vorwärts treiben kann.”

Es gibt bereits vereinzelte Finanzdienstleistungen im Metaverse, die sich zumeist im Gaming-Kontext oder in beratender Funktion und nicht in Form von konkreten Finanzlösungen für Kunden bewegen. Dieses frühe Engagement mancher Firmen dient nämlich in den meisten Fällen vor allem der Informationssammlung. Und das ist zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich nicht die schlechteste Entscheidung.Simon Alioth, Synpulse8

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