STRATEGIE2. Juli 2025

Mark Branson zu Digitalstrategie und Aufsicht: „Innovation darf nicht auf Kosten der Stabilität gehen“

BaFin-Präsident Mark Branson hat sich bei der Konferenz BaFinTech in Berlin mit einer eindringlichen Rede zu Wort gemeldet. Vor dem Hintergrund tiefgreifender technologischer Umbrüche skizzierte er ein Spannungsfeld, das derzeit alle Akteure der Finanzbranche beschäftigt: Einerseits bieten Distributed-Ledger-Technologien, Künstliche Intelligenz und künftig auch Quantencomputer enorme Chancen für Effizienz, Wettbewerbsfähigkeit und digitale Souveränität. Andererseits rücken mit jeder neuen Innovation auch Risiken in den Vordergrund, die nicht nur einzelne Institute, sondern das gesamte Finanzsystem betreffen können.

Das Bild thematisiert die BaFinTech-Initiative in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank für das Jahr 2025. Branson betont die Notwendigkeit, Innovationen im Finanzsektor mit der Stabilität der Märkte in Einklang zu bringen.
BaFin
Branson begann seine Rede mit einem historischen Rückblick: Schon der britische Autor Samuel Butler habe vor mehr als 150 Jahren in seinem Roman Erewhon gefragt, ob der Mensch mit seinen Maschinen nicht eines Tages seine eigenen Nachfolger erschaffe. Butler entwarf darin eine Gesellschaft, die aus Angst vor den Folgen technischer Übermacht sämtliche Maschinen zerstörte, die jünger als 271 Jahre waren. Branson stellte klar, dass sich die BaFin nicht an diesem radikalen Szenario orientiere, warnte aber zugleich vor einer naiven Fortschrittsgläubigkeit: „Heute erleben wir wieder technologische Umbrüche. Wir alle sehen: Finance wird immer mehr zum Tech-Business. Digitale Technik definiert, was möglich ist im Finanzsektor.“

Gerade bei der Distributed-Ledger-Technologie sei Deutschland bereits weit vorangekommen. Branson hob hervor, dass Emission und Verwahrung tokenisierter Finanzinstrumente in der Bundesrepublik längst Realität seien. „In wenigen Jahren dürften tokenisierte Wertpapiere zum Standard gehören“, prognostizierte er.

Dementsprechend bereiten sich große Finanzintermediäre darauf vor, ihre Produkte auf Blockchain-basierten Infrastrukturen abzubilden. Deutschland ist dabei schon weit vorangeschritten. Emission und Verwahrung tokenisierter Finanzinstrumente sind schon jetzt Realität. Handel und Abwicklung können kurzfristig integriert werden. Auch dank der ersten BaFin-Erlaubnisse für Handel und Abwicklung nach dem DLT-Pilot-Regime.”

Mark Branson, Präsident BaFin

Künstliche Intelligenz bald auch in sensiblen Bereichen

Zugleich mahnte er, dass mit der zunehmenden Verflechtung klassischer Finanzakteure und Krypto-Märkten neue Risiken entstünden: Vor allem im Bereich der Stablecoins sei die Anbindung an das traditionelle Finanzsystem bereits weit fortgeschritten. Branson betonte, dass MiCAR-zugelassene E-Money-Token als E-Geld gelten und damit ein zugelassenes Zahlungsmittel darstellen. Diese Dynamik könne künftig auch Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben.

BaFinTechITFM/Dunja Koelwel

Ein weiteres Kernstück seiner Ausführungen war die Künstliche Intelligenz. Während aktuell viele Anwendungen vor allem auf interne Prozessoptimierung abzielen, werde KI laut Branson bald auch in sensiblen Entscheidungsprozessen eine zentrale Rolle spielen. Besonders hob er die nächste Entwicklungsstufe hervor – sogenannte KI-Agenten, die eigenständig Daten analysieren, Entscheidungen treffen und diese ohne menschliches Zutun umsetzen. Die Risiken seien vielschichtig:

KI kann zu ungerechtfertigter Diskriminierung führen, zum Beispiel, weil sie anhand nicht repräsentativer Daten trainiert wurde. Generative KI kann halluzinieren. Zudem kann die Einführung generativer KI zu neuen Abhängigkeiten führen, denn viele Unternehmen setzen dabei auf die großen Tech-Anbieter.”

Mark Branson, Präsident BaFin

Quantencomputing bringt Verschlüsselung über neue Grenzen

Am Horizont zeichne sich mit dem Quantencomputing bereits der nächste Umbruch ab, warnte Branson. Obwohl noch nicht absehbar sei, wann leistungsfähige und fehlertolerante Quantencomputer marktreif sein würden, sei ihr Einfluss potenziell gewaltig. Er wies besonders auf die Folgen für IT-Sicherheit hin: „Quantencomputer werden etablierte Verschlüsselungsverfahren überwinden können.“ Kriminelle Akteure sammelten bereits heute Datenbestände in Erwartung künftiger Entschlüsselungsmöglichkeiten. Daher appellierte Branson an die Branche, sich mit „gesunder Paranoia“ auf die Bedrohung vorzubereiten und rechtzeitig Strategien für Post-Quantum-Kryptografie zu entwickeln.

Der BaFin-Chef machte deutlich, dass es aus Sicht der Aufsicht darum gehe, die richtige Balance zwischen Fortschritt und Vorsicht zu finden:

Mark Branson, Präsident BaFin, steht in einem modernen Bürogebäude. Sein Blick ist ernst und nachdenklich. Die Umgebung vermittelt einen Eindruck von Professionalität und Fortschritt, was die Balance zwischen Innovation und Stabilität in der Finanzbranche symbolisiert.
BaFin/Matthias Sandmann

Wir wollen digitale Innovationen. Denn sie sind das Fundament einer starken, wettbewerbsfähigen Finanzbranche – und nur eine starke, wettbewerbsfähige Finanzbranche ist dauerhaft stabil.”

Mark Branson, Präsident BaFin

Innovation sei zugleich ein Element der strategischen Ziele der BaFin für die Jahre 2026 bis 2029, die in der Vorwoche veröffentlicht worden seien. Dort bekenne sich die Behörde ausdrücklich dazu, neue Technologien und Geschäftsmodelle zu fördern, sofern sie Kundinnen und Kunden einen Mehrwert bieten. Aber genauso klar sei der gesetzliche Auftrag, ein funktionsfähiges, stabiles und integres Finanzsystem sicherzustellen – hier wolle man keine Kompromisse machen, so der BaFin-Präsident.

Konkrete Beispiele für regulatorisches Eingreifen führte Branson ebenfalls an. So habe die BaFin auf Basis von MiCAR im Mai die Abwicklung eines Stablecoins angeordnet, weil im Zulassungsverfahren erhebliche Mängel festgestellt worden seien. Im Bereich Künstliche Intelligenz gelte besonderes Augenmerk der Governance. Entscheidend sei, dass Unternehmen jederzeit die Verantwortung für ihre Modelle und Entscheidungen trügen. Transparenz, Nachvollziehbarkeit und ein wirksames Risikomanagement seien dabei unerlässlich. Branson unterstrich, dass die europäische KI-Verordnung künftig eine maßgebliche Rolle spielen werde. Dabei sei es ihm wichtig, dass deren Definition eines KI-Systems nicht herkömmliche statistische Verfahren erfasse, die seit Jahrzehnten etabliert seien.

Finanzstabilität nicht gefährden, aber Innovation ermöglichen

Abschließend betonte Branson den Stellenwert einer konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten: „Es geht nur gemeinsam. Wenn wir die Chancen des digitalen Wandels auf verantwortungsvolle Art ergreifen wollen, müssen wir, Aufsicht, Zentralbank und Innovatoren, konstruktiv, entschlossen und mit Weitblick zusammenarbeiten.“ Der Anspruch sei, Innovation zu ermöglichen, ohne die Finanzstabilität oder den Schutz der Kundinnen und Kunden aufs Spiel zu setzen.

Damit formulierte Branson zum Start der BaFinTech ein klares Bekenntnis: Technologie werde den Finanzsektor grundlegend prägen. Doch sie brauche ein robustes Regelwerk, um Vertrauen und Integrität zu bewahren. Die Balance zwischen Fortschritt und Sicherheit sei, wie er es mehrfach betonte, die zentrale Richtschnur der BaFin in den kommenden Jahren.tw

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