Low Code war der Anfang – jetzt kommen Vibe Coding und Agentic Coding

Sopra Steria
von Per Schulte, Sopra Steria Custom Software Solutions
Etablierte Plattformen wie Appian, Mendix, n8n oder Microsoft Power Platform stoßen allerdings bei hochperformanten Systemen und komplexen regulatorischen Anforderungen an Grenzen.Inzwischen rücken neue Ansätze in den Fokus der Entwickler-Community. Vibe Coding übersetzt natürlichsprachliche Anforderungen in funktionierenden Code. Agentic Coding erweitert diesen Ansatz für Enterprise-Umgebungen – mit Governance, Audit-Trails und der Fähigkeit, komplette Entwicklungsworkflows autonom zu orchestrieren.
Vibe Coding: vom Prompt zum Produkt
Der Begriff Vibe Coding geht auf Andrej Karpathy zurück, dem ehemaligen KI-Chef von Tesla. Die Idee: Man formuliert sein Ziel in natürlicher Sprache – die KI generiert den Code. Tools wie Cursor, Claude Code oder Replit machen das möglich.
Und der Bedarf für neue Ansätze ist groß: Finanzinstitute experimentieren bereits intensiv mit KI-gestützter Entwicklung, besonders bei der Legacy-Modernisierung. COBOL verarbeitet immer noch rund 70 Prozent aller Banking-Transaktionen. Hier könnten Tools wie Claude Code den Durchbruch bringen.
Vibe Coding zeigt seine große Stärke im Rapid Prototyping: Mit Tools wie Lovable.dev entstehen funktionierende Prototypen innerhalb von Stunden.”
Banking-Oberflächen oder Schadensmeldungs-Frontends lassen sich damit in Tagen statt Wochen entwickeln.
Agentic Coding: Enterprise-ready Vibe Coding
Agentic Coding erweitert Vibe Coding um Enterprise-Anforderungen: Governance, Audit-Trails und Integration in bestehende Toolchains. Der Model Context Protocol (MCP) ermöglicht die Anbindung an Jira, GitHub oder Confluence.
Typische Einsatzszenarien: DSGVO-konforme Testdatengenerierung, automatisierte Code-Reviews bei Kreditprodukten, Compliance-Prüfung neuer Code-Änderungen.
Claude Code hat seit Februar 2025 den Markt auf diesem Gebiet revolutioniert und gilt als Benchmark für Coding-Agenten. Amazon folgt mit Kiro (spec-driven development), während GitHub Copilot und Gemini Code Assist ähnliche Ansätze verfolgen.
Sicherheit und Governance sind die kritischen Erfolgsfaktoren
Alle Ansätze sind nur so stark wie ihre Governance. Prompt Injection, unklare Haftung oder technische Schulden sind reale Risiken, die Banken und Versicherer im Blick haben müssen.”
Deshalb braucht es klare Quality Gates, ein automatisiertes Security Scanning und Reviews durch Menschen– gerade, weil etablierte Best Practices für AI-gestützte Entwicklung in regulierten Umgebungen noch im Entstehen sind.
Best Practices: Automatische Security-Scans (SAST/DAST), Human-in-the-Loop für kritische Systeme, lückenlose Audit-Trails, DORA/MaRisk-Compliance von Anfang an.
Business-Argumente für die neuen Ansätze

Banken und Versicherer profitieren enorm von den KI-Technologien: Entwickler arbeiten mit generativer KI bis zu doppelt so schnell, zeigen Untersuchungen von McKinsey. GitHub spricht von einer 55 Prozent schnelleren Aufgabenerledigung mithilfe von Microsoft Copilot.
Die Investitionen in die neuen Ansätze rechnen sich durch eine gesteigerte Innovationsfähigkeit bei deutlich reduzierten Entwicklungskosten und einer kürzeren Time-to-Market.
Banken profitieren insbesondere durch schnellere Compliance-Anpassungen (Basel III, MiFID II, DORA), schnellere Anpassung von Anti-Financial-Crime-Prozessen und bei neuen Geschäftsmodellen wie Hyperpersonalisierung.
Spezielle Vorteile für Versicherer sind unter anderem dynamischere Beitragsmodelle, die automatisierte Erkennung von Versicherungsbetrug, die Entwicklung innovativer Policen für Mikrozielgruppen.
Drei Ansätze, ein Zielbild: So funktioniert Entwicklung
Der vielleicht wichtigste Punkt: Vibe Coding und Agentic Coding sollen Low Code/No Code nicht ersetzen – sondern sinnvoll ergänzen. Jedes der drei Modelle hat im Bank- und Versicherungsalltag seinen Platz. Das ideale Setup:
- No-Code/Low-Code ermöglicht Fachbereichen die eigenständige Modellierung von Geschäftsprozessen und Regelwerken
- Vibe Coding schafft individuelle, schnell änderbare Anwendungen mit vollem Code-Zugriff
- Agentic Coding professionalisiert die Agenten-basierte Softwareentwicklung und wird damit Enterprise-ready in Form strukturierter Prozesse, nachvollziehbarer Entscheidungen, revisionssicherer Dokumentation
Die Kunst liegt im Zusammenspiel: Jedes Projekt sollte darauf geprüft werden, welche Teile automatisiert, welche individuell entwickelt und welche mit einem visuellen Baukasten erstellt werden können – entlang von Kriterien wie Sicherheit, Komplexität und Änderungsdynamik.
Fazit: Augmented statt ersetzt
Low-Code/No-Code war der Anfang – jetzt kommt die nächste Evolutionsstufe. Vibe Coding und Agentic Coding erweitern den Werkzeugkasten von IT-Teams in Banken und Versicherungen. Sie erlauben mehr Geschwindigkeit, mehr Flexibilität und mehr Kontrolle.
Entscheidend ist dabei nicht die Technik, sondern die Haltung: Es geht nicht um den Ersatz von Menschen durch KI, sondern um eine neue Arbeitsteilung. Richtig eingesetzt, helfen diese Ansätze, Qualität und Geschwindigkeit gleichzeitig zu steigern – bei voller Kontrolle über Prozesse, Sicherheit und regulatorische Anforderungen. Per Schulte, Sopra Steria/dk
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