STRATEGIE19. Dezember 2025

Interessante Kombi: Bargeldmanagement, KI und die digitale Filiale

Schwerpunkt: Digitale Filiale mit KI
Irene Stier-Böttcher spricht über Bargeldmanagement
Irene Stier-Böttcher, Business Development Managerin, S&N Invent privat

Irene Stier-Böttcher ist als Business Development Managerin bei S&N Invent tätig. Im Interview erklärt sie, wie Bargeldmanagement, KI und die digitale Filiale zusammenpassen.

von Dunja Koelwel

Frau Stier-Bötcher, Themen treiben Banken im Bargeldmanagement am meisten um?

Trotz Filialabbau, reduzierter Geldautomaten-Infrastruktur und wachsender digitaler Zahlungsmethoden bleibt Bargeldmanagement für Banken ein zentraler Bestandteil ihrer Kundenbeziehung. Bankkunden erwarten weiterhin eine verlässliche und leicht zugängliche Bargeldversorgung – unabhängig davon, wie häufig und wie viel Bargeld sie tatsächlich benötigen. Neben den klassischen Geldautomaten nutzen Kunden aber auch zunehmend alternative Versorgungswege über den Handel.

Bei sinkender Nutzung der Versorgung in Filialen und an Automaten rückt die Wirtschaftlichkeit umso mehr in den Vordergrund, da die Kosten pro Transaktion deutlich steigen.

Banken müssen ihre Prozesse zur Steuerung von Bargeldbeständen und die Plattformkosten optimieren bei gleichzeitig hohen Qualitäts- und Verfügbarkeitsanforderungen an Backend-Systeme und Endgeräte.

In diesem Jahr verzeichnet das Bundeskriminalamt bisher deutlich weniger gesprengte Geldautomaten als in den letzten Jahren. Das entlastet die Banken auf der Kostenseite sehr; die Sicherheit der Filialen bleibt aber nach wie vor im Fokus.

Bargeldmanagement und die Software dahinter

Bargeldmanagement bedeutet aber nicht nur SB-Automaten bzw. Cash-Recycler sondern betrifft auch die Software dahinter. Was sind die größten Herausforderungen, die Software für Bargeld-Management derzeit lösen muss?

Mit fortschreitender Modernisierung von Legacy Backend Systemen müssen Schnittstellen für das Bargeldmanagement angepasst und Prozesse weiterentwickelt werden.

Viele Software Komponenten müssen ineinandergreifen, um Logistik-, Lager- und Befüllprozesse effizient zu steuern und Bargeldbedarfe möglichst präzise vorherzusagen. Das Zusammenspiel dieser Komponenten muss regelmäßig getestet werden – bei Hardware bezogenen Vorgängen vorwiegend manuell.

Für einen stabilen und effizienten Betrieb werden innovative Support Prozesse wie Predictive Maintenance eingesetzt – so können Ausfallzeiten frühzeitig verhindert werden.

Damit wird Bargeldmanagement zunehmend zu einem datengetriebenen, vernetzten und strategisch relevanten Softwarethema, das weit über klassische Automatensteuerung hinausgeht.

KI, Agentic AI und Bargeldmanagement – wie passt das zusammen?

Agentic AI ist derzeit ein sehr intensiv diskutiertes Thema. Bietet sich das auch in diesem Kontext an? Und wenn ja, inwiefern?

Während klassische KI heute vor allem Daten analysiert oder Empfehlungen gibt, kann Agentic AI aktiv Entscheidungen vorbereiten, Prozesse anstoßen und autonome Abläufe orchestrieren. Im Bargeldmanagement bedeutet das konkret: KI kann selbstständig Bedarfe prognostizieren, Befüllungszyklen planen, Serviceaufträge auslösen, Transportwege optimieren oder Compliance-Meldungen vorbereiten – ohne manuellen Eingriff. Besonders in einem fragmentierten Ökosystem aus Banken, Dienstleistern, Cash-Logistik, Behörden und Softwaremodulen bietet Agentic AI die Chance, Prozesskomplexität zu beherrschen, eine automatisierte Handlungsfähigkeit herzustellen und operative Exzellenz zu erreichen.

Meist wird bei KI diskutiert, dass KI unterstützen und entlasten kann. Was ist aber mit „vergifteter KI“ (poisened AI) – kann dies bei Software im Bargeldmanagement ebenfalls geschehen und was wären mögliche Folgen?

Irene Stier-Böttcher, S&N Invent
Irene Stier-Böttcher ist als Business Development Managerin bei S&N Invent (Webseite) tätig. Ihr beruflicher Fokus liegt auf den Bereichen strategische Partnerschaften, Innovation und Kundenfokus.

Wenn über KI gesprochen wird, steht häufig der Nutzen im Vordergrund: Automatisierung, Entlastung und höhere Effizienz. Weniger diskutiert, aber zunehmend relevant, ist das Risiko einer sogenannten „poisoned AI“ – also absichtlich oder unbeabsichtigt manipulierten Trainings- oder Betriebsdaten. Dieses Risiko betrifft auch Software im Bargeldmanagement.

Da KI-Modelle dort zunehmend Entscheidungen vorbereiten oder sogar selbstständig Aktionen anstoßen (z. B. Befüllungsplanung, Serviceaufträge, Compliance-Einstufungen), könnte eine manipulierte oder fehlerhaft „instruierte“ KI erhebliche Folgen haben. Beispiele wären fehlerhafte Cash-Forecasts, falsche Risiko- oder Fraud-Einstufungen, falsche Priorisierung von Transportwegen oder sogar Missbrauch durch systematische Über- oder Unterversorgung von Standorten.

Im schlimmsten Fall könnten dadurch Bargeldverfügbarkeit, Sicherheit oder regulatorische Vorgaben gefährdet werden. Daher ist es essenziell, KI-Systeme durch robuste Governance, Datenvalidierung, Zugriffsschutz, Auditierbarkeit und „Human-in-the-Loop“-Kontrollen abzusichern, bevor sie operative Entscheidungsprozesse autonom übernehmen.

S&N bietet auch Lösungen an, mit denen sie Tausende Endgeräte von einer zentralen Stelle aus überwachen und managen können. Worauf legen Banken für Ihre Kunden derzeit besonderen Wert?

Das Management aller Endgeräte auf einer zentralen Plattform ermöglicht Banken einen reibungslosen Ablauf ihrer Bargeldprozesse. Eine fast vollständige Automatisierung im Forecasting und in der Steuerung der WTUs reduziert die täglichen Arbeitsaufwände im Back Office. Intelligente Abgleiche mit externen Faktoren, die die Nutzung beeinflussen, wie z.B. Wetterdaten oder verkaufsoffene Sonntage, können mit KI umgesetzt werden und sind Grundlage für flexible Bestellungen, senken die Anfahrtskosten und stellen eine hohe, optimierte Bargeldverfügbarkeit sicher.

Dabei werden Geräte-Meldungen zentral protokolliert und stehen so für Auswertungen und automatisierte Maßnahmen zur Verfügung. Die Transaktionsdaten können des Weiteren für regulatorisch erforderliche Reports zentral genutzt werden.

Besonders herausfordernd ist die Versorgung der Geräte mit Software- und Konfigurationsupdates. Das zentrale Monitoring verschafft einen Überblick über alle Software und Firmware und bildet so die Grundlage für einen kontrollierten Rollout.

Somit tragen diese Lösungen maßgeblich dazu bei, einen hohen Service Level aufrecht zu erhalten und regulatorischen Auflagen nachzukommen.

S&N kooperiert aktiv im Zahlungsverkehr mit der Bundesbank. Über welche Innovationen wird hier derzeit am meisten gesprochen?

Im Zahlungsverkehr prägen derzeit vor allem souveräne europäische Bezahllösungen, Instant Payments und zukünftig der digitale Euro (CBDC) die Innovationsagenda. Mit wero, dessen Implementierung und Rollout S&N bei Bankkunden entwickelt, bzw. unterstützt, ist eine europäische Alternative zu internationalen Zahlungsplattformen entstanden. wero ist in 2024 mit realtime person-to-person Bezahlungen gestartet und wird aktuell von Händlern ausgerollt, um insbesondere online Einkäufe zu ermöglichen.

S&N engagiert sich auch in den öffentlichen Diskussionen um den digitalen Euro und entsprechende technische Realisierungen. Abhängig von den finalen Eigenschaften des digitalen Euros bieten sich neue, spannende Perspektiven im privaten und geschäftlichen Bereich sowie zwischen Banken.

Frau Stier-Böttcher, vielen Dank für das Gespräch.dk

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