Der Digitale Euro – EU-Antwort auf US-Herausforderung oder Paradigmen-Wechsel?

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von Prof. (em.) Dr. Klaus Fleischer
Der klare Trend zum digitalen Zahlungsverkehr ist ungebrochen. Allerdings verläuft die Entwicklung in einem stark fragmentierten digitalen Zahlungsuniversum nicht reibungsfrei, sondern konträr. So kann bei einer Bestandsaufnahme bestehender digitaler Zahlungssysteme die derzeitige Dominanz von Anbietern aus Nicht-EU-Staaten nicht übersehen werden.Hinzu kommen sich häufende Zahlungspannen aufgrund Anfälligkeiten von Cyberattacken und Ausfall der Sicherungssysteme wie zuletzt beim US-Bezahldienst Paypal aber auch bei der von der European Payments Initiative (EPI) getragenen europäischen Lösung Wero.
Deshalb werden Forderungen nach einer europäischen finanziellen Souveränität und Unabhängigkeit gestärkt und der zur Lösung erkorene Digitale Euro zur EU-Chefsache erklärt.
USA-Weg: Privatwirtschaftliche US-Dollar-Stablecoin
Die USA hat mit dem jüngst verabschiedeten Genius Act ein umfassendes Regulierungsframework für die Ausgabe und den Handel von US-Stablecoins verabschiedet. Es zeichnet sich durch Rechtssicherheit und einen leichten Markteintritt bei schlanken Genehmigungsverfahren aus. Gefordert wird von den zugelassenen Emittenten eine 1:1 Reservedeckung mit höchstliquiden Vermögenswerten, die eine hohe Nachfrage nach Treasury Bills mit sich bringt.
Erkannt wurde, dass Stablecoins zu den erfolgreichsten Anwendungsfällen der Blockchain-Technologie zählen. Die US-Dollar-Koppelung garantiert Preisstabilität und zugleich Vorteile dezentraler Netzwerke für sofortige und grenzüberschreitende Transaktionen.”
Allerdings beschränkt sich der Genius Act auf den Primärmarkt und weist folglich eine Lücke im Segment Sekundärmarkt auf. Kritiker leiten hieraus eine Bedrohung für das Bankensystem ab, da Banken Depositen verlieren könnten, wenn Stablecoins ausgestattet mit attraktiven Zinsen in den Markt eingreifen. Dies ist zwar für die Emittenten rechtlich untersagt, lässt sich aber über den Umweg von Krypto-Plattformen legal umgehen. Somit entsteht eine direkte Wettbewerbssituation im großen Markt Depositen zu denen zum Bankensektor.
Die Nutzung wächst rasant bei einem Marktvolumen von über 280 Milliarden US-Dollar in 2024 und könnte nach Expertenschätzung bis Ende 2028 auf über zwei Billionen US-Dollar anschwellen. Bereits jetzt übertrifft es das gesamte Transaktionsvolumen von Visa und Mastercard.
Mit dem überraschenden Erfolg wird auch der politisch gewollte Verzicht auf einen Digital-US-Dollar unter Federführung der US-Notenbank Fed gestärkt. Der Genius Act übt einen hohen Druck auf eine adäquate und zeitnahe EU-Reaktion aus, um einer dominierenden US-Abhängigkeit effizient entgegenzuwirken.
EU-Weg: Zentralbankdigitalwährung (CBCD)
Die EU erkennt gleichfalls die Bedeutung der Stabelcoin-Welten. Sie setzt mit dem verabschiedeten Rahmenwerk Crypto Assets (MiCA) für EU-Stablecoins mit einem strengen Regelwerk primär auf Finanzstabilität und Verbraucherschutz. Einschneidende Restriktionen und hohe Bürokratie erlauben wenig Spielraum für eine schlagkräftige marktorientierte EU-Paymentalternative als Antwort auf den Siegeszug der US-Dollar-Stablecoins. Sie bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Die bewusst gewählte enge Fassung lässt bei hoher Bürokratie wenig kreativen Spielraum für eine marktorientierte Payment-Alternative zu.
So weist das Pendant zu den erfolgreichen US-Dollar-Stablecoins, da das führende Euro-Stablecoin Circle-Produkt EURC ein nur bescheidenes Marktvolumen von knapp über 200 Millionen Euro auf. Insgesamt dürfte sich die europaweite Marktkapitalisierung der Euro-Stablecoins derzeit auf unter 500 Millionen Euro belaufen.
Offensichtlich wird als Lösung auf die US-Herausforderung und als Konkurrent zum Stablecoin in der EU die digitale Zentralbankwährung (CBDC) in Form des Digitalen Euro bevorzugt. Die EU schlägt bewusst diesen Weg im Gleichklang mit weiteren internationalen Zentralbanken ein und nimmt ein Mitspracherecht und Einbindung des Bankensektors in Kauf.
Paradigmen Wechsel
Aufgrund der aktuellen Marktentwicklung und der Sorge im globalen Wettbewerb digitaler Währungssouveränität auf der Verliererstrasse zu sein vollzieht sich in Brüssel beim Projekt Digitaler Euro ein bemerkenswerter, ja notwendiger Paradigmen Wechsel. Neben einer Beschleunigung der Prozessabläufe wird eine Evaluierung zentraler als auch dezentraler Technologien vorgenommen. Damit wird der Weg für etablierte Blockchains wie Ethereum und/oder Solana frei.
Bei einer Pro-Entscheidung für Blockchain würden zudem vielfach vorgetragene Kritikpunkte nach Stand des dritten Fortschrittsberichts der EZB zur Vorbereitungsphase für den Digitalen Euro entkräftet werden.”
Allerdings sind die Schwerpunkte Produktdesign, Applikation und Einbindung der Banken als Intermediäre neu zu justieren, um den veränderten Herausforderungen und gesetzgeberischen Entwicklungen gerecht zu werden. Entsprechend sind die installierte Informations- und Übungsplattform, die Rulebook Development Group, als Basis zum Austausch der Interessensgruppen und spezielle EZB-Workstreams neu aufzustellen, um realisierbare Spielräume auszuloten.
Vor- Nachteile
- Nach den EU- und EZB-Statements soll der Digitale Euro das klassische Bargeld als „resiliente und inklusive Währung“ online wie auch offline ergänzen. Er soll als Basis und Katalysator für Finanzinnovationen in Europa dienen.
- Die hoch gesteckten Ziele stützen sich auf die Stärke des Modells auf makroökonomischer Ebene. Unter der Hoheit der EZB erfolgt die alleinige Steuerung und Schöpfung von digitalem Zentralbankgeld, während bei Stablecoins ein System mit strikt limitierter Geldmenge vorliegt.
- Der Digital- Euro soll Vorteile für alle Beteiligten, ein Höchstmaß an Zugänglichkeit und Inklusivität in Abstimmung mit den Interessenverbänden, primär mit dem Bankensektor, bringen.
- Größter Unsicherheitsfaktor ist die Einstufung der potenziellen Akzeptanz, die abhängig ist vom Realisierungsgrad ausreichender Mehrwerte für Verbraucher.

Die Herangehensweise der EZB und weiterer Zentralbanken ist generell von Vorsicht geprägt, da sich Chancen und Risiken derzeit nur schwer beurteilen lassen. Im Vordergrund steht die Gefahr, dass digitales Zentralbankgeld in Krisenlagen den Geschäftsbanken Sichteinlagen unkontrolliert entzogen werden kann. Sie lässt sich nicht mit verordneten und in Untersuchungen getesteten Haltegrenzen – derzeit wird eine Bandbreite von dreihundert bis dreitausend Euro diskutiert – nur schwer begegnen. In der Abwägung der Vor- und Nachteile scheint der Digital-Euro derzeit durch politische Bürokratie und Lobbyismus stark in der Entwicklung gehemmt zu sein.
Verbraucher entscheidet
Die Verbraucher sind trotz öffentlicher Aufklärungskampagnen stark verunsichert. Sie befürchten, dass die Nutzung der CBDC-Infrastruktur die Gefahr eines „Gläsernen Kunden“ beinhaltet und ein weitreichendes finanzielles Überwachungs- und Steuerungspotential erlaubt. Trotz offizieller Beruhigungsrethorik müsste dies erst noch durch einen potentiellen Härtefall widerlegt werden. Die Befürchtung besteht, dass sich bei ändernden politischen Mehrheiten, verbunden mit gesetzlichen Rahmenveränderungen ein unberechenbares Gefahrenmoment entwickelt. Die jüngsten politischen Ereignisse in Übersee sowie geopolitische Verwerfungen bekräftigen dies.
Letztlich ist die Diskussion um Obergrenzen wenig verbraucherdienlich und rücken den Digital- Euro in die Kategorie Neuauflage der mehrfach gescheiterten GeldKarte. Derzeit scheint der geplante Mehrwert des Digitalen Euro nicht ausreichend zu sein, um Verbraucher im großen Maße zu motivieren, ihre gewohnten Zahlungsgepflogenheiten grundlegend zu ändern.Prof. (em.) Dr. Klaus Fleischer/dk
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