Digitale Souveränität: Nur möglich mit regulatorischem Umfeld, das Lösungen nicht benachteiligt

BVR
von Dunja Koelwel
„Digitale Souveränität ist die strategische Kontrolle und Entscheidungsfreiheit über eigene digitale Infrastrukturen und Daten. Um digitale Souveränität zu erreichen, ist eine Kombination aus technischer Sicherheit und strategischer Unabhängigkeit notwendig, beispielsweise durch die Reduzierung von Abhängigkeiten von ausländischen Technologieanbietern und die Förderung eigener Schlüsseltechnologien wie Cloud und KI“, soweit die Definition von AI Overviews von Google. Tanja Müller-Ziegler, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und Dr. Joachim Schmalzl, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen (DSGV) im Interview:
Wie definieren Sie bei sich im Haus das Thema Digitale Souveränität?

DSGV
Dr. Joachim Schmalzl: Digitale Souveränität bedeutet für uns, dass Europa in zentralen digitalen Infrastrukturen – etwa im Zahlungsverkehr, bei digitalen Identitäten, Cloud-Diensten und in der künstlichen Intelligenz – eigenständig handlungsfähig bleibt. Es geht darum, dass Innovation, Datensicherheit und Wertschöpfung nicht allein von außereuropäischen Technologiekonzernen abhängen. Als Sparkassen-Finanzgruppe stehen wir für ein Modell, das europäische Standards stärkt, Kundendaten schützt und sowohl die wirtschaftliche als auch die gesellschaftliche Unabhängigkeit bewahrt.
Tanja Müller Ziegler: Digitale Souveränität bedeutet für uns, dass Europa über seine digitale Infrastruktur und seine Daten eigenständig entscheiden kann. Im Finanzmarkt zeigt sich das besonders deutlich im Zahlungsverkehr: Wer hier auf eigene Systeme uns Standards setzt, stärkt wirtschaftliche Unabhängigkeit und behält die Kontrolle über Wertschöpfung und sensible Daten. Digitale Souveränität ist daher kein technisches Detail, sondern eine Frage strategischer Handlungsfähigkeit Europas.
Was unternehmen Sie, um die Digitale Souveränität zu stärken?

Dr. Joachim Schmalzl: Wir engagieren uns in verschiedenen Initiativen, die genau darauf abzielen. Mit der European Payments Initiative (EPI) und der Marke „Wero“ schaffen wir eine europäische Lösung im Zahlungsverkehr, als Alternative zu internationalen Karten-Schemes und BigTech-Wallets. Darüber hinaus treiben wir den Aufbau einer souveränen europäischen Identitäts-infrastruktur voran.
Ein wichtiger Schritt ist die EUDI-Wallet, eine Art digitale Brieftasche für ganz Europa. Sie wird Identitätsnachweise, Führerscheine, Zeugnisse und künftig auch Bezahlfunktionen bündeln.”
Die Sparkassen-Finanzgruppe bringt ihre Erfahrung im Zahlungsverkehr aktiv in die Entwicklung ein, etwa im europäischen Großprojekt APTITUDE, das Banking- und Payment-Funktionen in die EUDI-Wallet integriert. Ziel ist ein einheitlicher, souveräner europäischer Standard, der Menschen und Unternehmen digitale Dienste einfach, sicher und vertrauenswürdig zugänglich macht.
Was würden Sie sich in diesem Kontext von Politik und Industrie wünschen?

Tanja Müller-Ziegler: Wir brauchen ein regulatorisches Umfeld, das europäische Lösungen nicht benachteiligt, sondern ihr Wachstum gezielt ermöglicht. Politik und Industrie sollten in die Skalierung bestehender privatwirtschaftlicher Lösungen wie Wero oder girocard investieren und Interoperabilität konsequent fördern. Denn diese Systeme bieten nicht nur technische Leistungsfähigkeit, sondern auch Sicherheit, Nähe zum Markt und strategische Unabhängigkeit. Europa darf seine Zahlungsinfrastruktur nicht globalen Konzernen überlassen – wir müssen jetzt gemeinsam handeln, um digitale Eigenständigkeit zu sichern.
Dr. Joachim Schmalzl: Von der Politik wünschen wir uns, dass sie die Rahmenbedingungen so setzt, dass europäische Lösungen wirklich eine Chance haben. Regulierung sollte Innovation fördern und dabei verhindern, dass neue Vorgaben zum Hebel für internationale Technologiekonzerne werden.
Wenn Gesetze und Wettbewerbsregeln nicht mit Blick auf europäische Marktstrukturen ausbalanciert sind, entsteht leicht ein struktureller Vorteil für außereuropäische Anbieter – auf Kosten eigener Initiativen und technologischer Handlungsfähigkeit in Europa.
Von der Industrie erwarten wir, dass sie stärker in Allianzen denkt: Es braucht europäische Kooperationen über Sektorgrenzen hinweg, um eine gemeinsame digitale Basis zu schaffen. Digitale Souveränität entsteht nur, wenn Finanzwirtschaft, Industrie, Verwaltung und Technologiepartner gemeinsam handeln.
Frau Müller-Ziegler, Herr Dr. Schmalzl, vielen Dank für das Gespräch.dk
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