SIBOS 2025 in Frankfurt: Was war da mit AI und Agentic Payments los?

Dirk Emminger
von Dirk Emminger
Was 1978 als internes Branchentreffen für SWIFT-Nutzer begann, hat sich in fast fünf Jahrzehnten zur Leitkonferenz für den globalen Zahlungsverkehr entwickelt. Die SIBOS war lange geprägt von Themen wie Interbankenkommunikation, Standardisierung (MT, MX) und Compliance. Doch mit dem technologischen Wandel hat sich auch der Fokus verschoben. Heute geht es um API-Ökosysteme, programmierbare Geldformen, digitale Identitäten – und zunehmend: um Künstliche Intelligenz und deren Zusammenspiel mit Zahlungsverkehr.Wenn Agenten Zahlungen auslösen – was hinter dem Konzept Agentic Payments steckt
Künstliche Intelligenz ist im Finanzsektor angekommen – doch während viele Diskussionen bei Chatbots und internen Automatisierungen oder Machine Learning Prozessen stehen bleiben, geht ein Teil der Tech Branche bereits weiter: hin zu agentischen Strukturen im Zahlungsverkehr. Gemeint sind Systeme, in denen KI‑gestützte Softwareagenten Transaktionen nicht nur analysieren, sondern eigenständig auslösen, konfigurieren oder ablehnen – innerhalb klar definierter Parameter.
Agentic Payments bezeichnen genau dieses Zusammenspiel: Zahlungen, die durch „intelligente“ Agenten ausgelöst werden, ohne dass jedes Mal ein Mensch direkt eingreift. Grundlage sind APIs, Event-Trigger, KI‑Modelle und teils auch On‑Ledger-Komponenten. Entscheidend ist, dass diese Agenten nicht bloß statisch Regeln abarbeiten, sondern kontextbasiert agieren – zum Beispiel auf Marktsignale, Systemmeldungen oder Nutzerpräferenzen reagieren.
Das macht Agentic Payments so grundlegend anders als bisherige Transaktionen im SWIFT-Kontext: Klassische Zahlungsprozesse sind auf menschliche Entscheidung ausgerichtet – ein:e Nutzer:in gibt aktiv eine Zahlung frei, meist über ein UI, mit klarer Authentifizierung und Kontrolle. Agentic Payments lösen diese Bindung auf. Der Auslöser ist nicht mehr der Mensch, sondern ein Software-Agent, der im Rahmen definierter Regeln selbstständig entscheidet, wann und wie Zahlungen erfolgen. Die Verantwortung verschiebt sich – vom Anwender zum Systemdesign.
Das Konzept entfaltet seine Wirkung erst durch das Zusammenspiel mehrerer Trends, die den Zahlungsverkehr derzeit prägen.
- Instant Payments: Agenten benötigen Echtzeitfähigkeit – Verzögerungen verhindern dynamische Steuerung.
- Tokenisierte Einlagen & Smart Contracts: Nur wenn Geld digital adressierbar ist, kann es durch Regeln und Agenten manipuliert werden.In DLT-basierten Architekturen sind Agenten oft in automatisierte Logik eingebettet.
- API-Zahlungsinfrastrukturen: Ohne offene, standardisierte Schnittstellen ist Agentisierung nicht skalierbar.

Dirk Emminger
Google / Google Cloud – das AP2‑Protokoll
Google hat mit der Einführung des Agent Payments Protocol (AP2) eine bedeutende Geste in Richtung Agentic Payments gemacht. AP2 ist ein offenes Framework, mit dem agentische Zahlungen – unabhängig vom darunterliegenden Zahlungsnetz (Kartenzahlung, Echtzeitüberweisung, stablecoins) – sicher, nachvollziehbar und interoperabel abgebildet werden können. Zentral sind sogenannte Mandate (z. B. Intent Mandate, Cart Mandate), kryptografisch signierte Anweisungen des Nutzers an den Agenten, die Autorität, Absicht und Nachvollziehbarkeit sicherstellen.
Google arbeitet hier mit mehr als 60 Partnern zusammen – darunter Zahlungsdienstleister, Kartenanbieter und Plattformen –, um AP2 als De‑Facto‑Standard zu positionieren. Diese Initiative war auch Thema auf der SIBOS‑Plattform, etwa in Tech‑Spotlights und moderierten Deep Dives.
Auf der SIBOS 2025 war Google Cloud nicht nur inhaltlich präsent: Mit einem der größten Meeting‑Hubs und zahlreichen Partnerveranstaltungen setzte der Konzern auch physisch ein sichtbares Zeichen.
Besonders interessant: AP2 baut auf dem bereits vorgestellten Agent2Agent (A2A)-Protokoll auf, das Agenten erlaubt, miteinander zu kommunizieren und kooperativ Aufgaben zu erfüllen. Damit skizziert Google eine Architektur, in der Agenten nicht isoliert operieren, sondern als Teil eines orchestrierbaren Ecosystems.
Open AI – nicht da aber trotzdem sprach jeder davon
OpenAI selbst war auf der Messe nicht mit einem Stand vertreten – veröffentlichte jedoch zeitgleich zur SIBOS relevante Ankündigungen rund um Payments in ChatGPT. Geplant ist, Zahlungsfunktionen direkt in Chat-Konversationen zu integrieren – eine logische Erweiterung des Agentic‑Commerce‑Gedankens.
Ein integrierter Checkout im Chat ist bereits in Tests: Nutzer:innen sollen Produkte sehen und direkt bezahlen können, ohne die App zu verlassen.
Dies entspricht genau dem Agentic Payments-Paradigma: Ein Agent erkennt Bedürfnisse, schlägt Optionen vor, und initiiert die Transaktion.
Was machen die anderen KI‑Anbieter? – Perplexity & Manus im Fokus
Neben Google, OpenAI und Amazon zeigen auch andere KI-Plattformen erste Schritte in Richtung agentischer Anwendungen – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Anthropic bringt mit Claude for Financial Services eine spezialisierte Version seines KI‑Modells in den Finanzbereich – bislang primär für Analyse, Research und Modellunterstützung. Konkrete Anwendungen im Zahlungsverkehr sind nicht öffentlich bekannt. Technologisch interessant bleibt das Claude Agent SDK: Es ermöglicht den Aufbau autonomer KI‑Agenten, die prinzipiell auch Zahlungsprozesse anstoßen könnten. Doch aktuell ist Claude im Umfeld von Agentic Payments eher als technische Infrastruktur denkbar – nicht als aktiver Zahlungsagent.
Perplexity geht einen pragmatischen Weg: In Kooperation mit PayPal testet das Unternehmen einen nahtlosen Checkout aus dem Chat-Interface heraus. Der Agent erkennt Kaufabsicht, schlägt Optionen vor, und Zahlungen können direkt über PayPal oder Venmo abgewickelt werden. Diese Integration ist weniger technologisch ambitioniert, aber marktnah – und zeigt, wie Agentic Commerce über etablierte Zahlungsprovider realisiert werden kann, ohne regulatorisch eigene Infrastruktur aufzubauen.
Manus, bekannt für workflowbasierte Agenten und Automatisierung, bleibt bislang ohne erkennbare Ambitionen im Zahlungsverkehr. Zwar wurde das Agentenframework jüngst mit erweiterten Nutzerrollen und Kollaborationsmodellen ausgestattet, doch Payments spielen im aktuellen Produktfokus keine Rolle. Denkbar ist, dass hier künftig über Plugin-Ansätze oder Partnerlösungen ergänzt wird.
Die Bandbreite zeigt: Während Google und OpenAI Agentic Payments strategisch angehen, sondieren andere Akteure vorsichtiger. Klar wird: Wer künftig Zahlungsströme durch autonome Agenten abwickeln will, braucht mehr als nur gute Modelle – nämlich Governance, Schnittstellen und vertrauenswürdige Partner.
Amazon & AWS – nah am Checkout, noch nicht im Zahlungsagentenmodus

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Amazon und AWS (naturgemäß mit einem großen Stand auf der SIBOS vertreten) verfügen über zentrale Bausteine für agentische Systeme – nutzen diese bisher aber primär in begleitenden Funktionen, nicht für eigenständig zahlende Agenten.
AWS bietet mit AgentCore und dem Bedrock-Agenten-Framework eine skalierbare Infrastruktur für KI-Agenten. In Demos – etwa im E‑Commerce‑Kontext wurden erste Checkout‑Szenarien gezeigt, bei denen Agenten Warenkörbe generieren und Bezahlprozesse einleiten. Die finale Freigabe bleibt aber beim Menschen. Zusätzlich experimentiert AWS mit blockchainbasierten Crypto-Agenten, etwa zur autonomen Wallet-Steuerung.
Amazon selbst erweitert seine Händler-Tools um Agentenfunktionen: Der neue „Seller Assistant“ kann Entscheidungen vorbereiten und künftig auch operativ handeln – etwa bei Lagerbeständen oder Preisen. Zahlungsagenten sind das aber noch nicht. Amazon Pay bleibt ein möglicher Kanal für spätere Integration.
Deutschland noch zurückhaltend – aber erste Initiativen suchen nach Use Cases

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Als einer der wenigen deutschen Aussteller adressierte EuroV auf der SIBOS 2025 konkrete Fragestellungen rund um Agentic Payments. Das Unternehmen – mit Wurzeln in der früheren van den Berg GmbH – beschäftigt sich seit Jahren mit Zahlungsinfrastruktur und Schnittstellen in der Bank-IT. In Frankfurt zeigte EuroV erste Überlegungen zur Integration von Mandatsmodellen, API-gestützten Freigabeprozessen und zur Einbindung agentischer Logik in bestehende Bankensysteme.
Gemeinsam mit Critical Software, einem Technologiepartner aus Portugal, wurden Prototypen gezeigt und über Lösungen diskutiert. Beide Unternehmen betonten, dass sie an Projekten arbeiten, die Core-Banking, Zahlungsplattformen und KI-Technologien zusammenbringen. Critical Software war in der Vergangenheit an der technischen Anbindung von Banken an EPIs Wero-Plattform beteiligt und euro-V bietet mit dem Verification of Payee System eine Produktbasis die auch im erweiterten ZV Umfeld mit Agenten nutzbar ist.
Der gemeinsame Auftritt verdeutlichte: Agentic Payments erfordern mehr als technische Einzellösungen. Ohne abgestimmte Rollen zwischen Banken, Systemintegratoren, KI-Anbietern und Zahlungsdienstleistern wird es kaum gelingen, tragfähige Modelle für Mandate, Autorisierung und Governance zu etablieren – geschweige denn, diese in bestehende Infrastrukturen zu überführen.

Dirk Emminger
Irgendwo zwischen Prototyp und Realität
Die SIBOS 2025 hat gezeigt: Agentic Payments kommt mit aber spätestens nach Agentic Commerce. Zwischen den Präsentationen von Google, OpenAI, AWS und anderen wurde deutlich, dass die technische Basis für autonome Zahlungsprozesse gelegt ist – auch wenn viele Modelle noch im Experimentierfeld stecken. Die Rolle von KI-Agenten im Zahlungsverkehr wird nicht über Nacht kommen, aber die Architektur dafür nimmt Form an.
Ob Deutschland dabei eine aktive Rolle spielen wird, ist offen. Noch dominieren große internationale Anbieter mit Ressourcen, Partnernetzwerken und einer hohen Geschwindigkeit in der Produktentwicklung. Doch Initiativen wie die von euro-V und Critical Software zeigen, dass es auch im DACH-Raum Kompetenz gibt. Es wird darauf ankommen, wie ernst Banken und Dienstleister diese Entwicklung nehmen und ob sie bereit sind, regulatorisch tragfähige Agentenmodelle mitzugestalten.
P.S.: Der Roboter am Stand der SQB ist mehr als ein Blickfang. Die usbekische Bank hat 30 Einheiten dieses Unitree-Modells angeschafft. Sie sollen noch in diesem Jahr als digital geschulte Filialassistenten im Einsatz sein. Ein symbolischer Vorbote dessen, was Agentik im Banking auch jenseits des Zahlungsverkehrs bedeuten kann.Dirk Emminger
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