Vom Wallet ins Kernbanksystem: Warum Banken jetzt Kredite auf Bitcoin-Basis wagen müssen

Sopra Financial Technology
von Joachim Dierig, Sopra Financial Technology und Dr. Tom-Michael Hesse, Sopra Financial Technology
Das Modell des Crypto-backed Lending entspricht dabei dem Lombardkredit, nur dass digitale Assets statt Aktien oder Anleihen genutzt werden. Der Kreditnehmer hinterlegt Kryptowährung als Sicherheit (Collateral) und erhält dafür Liquidität in Euro.
Sopra Financial Technology
Das Modell ist insbesondere für junge, digitalaffine Anleger interessant, die in den letzten Jahren in Bitcoin investiert und von dessen Performance profitiert haben. Viele von ihnen verfolgen dabei die Strategie, ihre Bestände langfristig zu halten. Kryptobasierte Kredite verschaffen ihnen Liquidität, ohne dass sie ihre Assets verkaufen müssen. Zudem würden sie als Kreditnehmer weiterhin von möglichen Kurssteigerungen profitieren und hätten darüber hinaus keine steuerlichen Nachteile, weil ein kreditbesichertes Darlehen keinen steuerpflichtigen Verkauf auslöst.
MiCAR macht den Weg für Banken frei
Gleichzeitig haben Finanzinstitute die Chance, von Anfang an Schwächen wie kurze Laufzeiten bereits bestehender Krypto-Kreditprodukte zu überwinden, oder den Stablecoin-Zwang vergleichbarer US-Angebote. Stattdessen können sie regulierte Euro basierte und langfristige Produkte entwickeln. MiCAR, die Verordnung über Märkte für Kryptowerte, schafft dafür erstmals einen einheitlichen rechtlichen Rahmen in der Europäischen Union.
MiCAR definiert sogenannte Crypto Asset Service Provider (CASP), welche der Zulassung und laufender Aufsicht unterliegen.”

Für Banken liegt darin die Chance, ihre regulatorische DNA als Vorteil im Wettbewerb zu nutzen. Offenlegungspflichten und AML- sowie KYC-Prozesse schaffen Vertrauen beim Kunden und positionieren Banken als verlässlichen Partner, der eine stabile und regulierte Umgebung für Krypto-Finanzgeschäfte bietet.
Technische Integration ins Kernbanksystem
Die größte Hürde liegt für viele Finanzinstitute in der technischen Umsetzung. IT-Verantwortliche in Banken suchen nach einer Antwort auf die Frage, wie der Bitcoin ins Kernbanksystem passt. Die Antwort lautet: Mit Hilfe einer geeigneten „Middleware“ innerhalb der Kernbank-Architektur. Eine solche Lösung verbindet die klassischen Systeme wie Core Banking, Front- und Middle-Office mit Kryptosystemen wie Verwahrstellen und Handelsplätzen. Ihre Aufgabe ist es also, Datenflüsse zu steuern, Partner zu orchestrieren und sicherzustellen, dass Prozesse regulatorisch sauber ablaufen.
Ein zentraler Punkt ist dabei das Wallet-Management.
Für Crypto-backed Lending müssen Banken eigene Wallets für die Verwahrung der Sicherheiten einrichten. Das sind in der Regel sogenannte Omnibus-Wallets mit Subwallets für jeden Kunden, um eine klare Trennung zu gewährleisten.”

Gleichzeitig ist es wichtig, Kursverluste zu handhaben. Die Bewertung der Sicherheiten erfolgt dabei in Echtzeit. Sinkt der Kurs unter einen vereinbarten Schwellenwert, wird zunächst ein sogenannter Margin Call ausgelöst. Der Kunde kann zusätzliche Assets hinterlegen oder alternativ den Kredit ganz oder teilweise zurückführen. Erfolgt weder Nachbesicherung noch Rückzahlung, wird das Collateral automatisch über eine angebundene Handelsplattform liquidiert.
Alle Prozesse müssen dabei eng mit der bestehenden Bank-IT verbunden sein. Schnittstellen zum Haupt- und Nebenbuch sorgen für eine saubere Buchung.
Am effizientesten lässt sich das als Software-as-a-Service (SaaS)-Modell umsetzen, dann müssen Banken keinen eigenen Infrastrukturbetrieb aufbauen.”
Sopra Financial Technology gilt dabei als erster Anbieter in Deutschland, der eine solche Middelware-Lösung mit der Crypto-backed Lending Solution für den Einsatz im Kernbankenumfeld entwickelt.
Für Banken ist diese Architektur ein entscheidender Vorteil: Risikomanagement, Buchhaltung und regulatorische Meldeprozesse bleiben in den gewohnten Bahnen und bieten Kunden ein Produkt, bei dem die Bank als einzig sichtbarer Kreditgeber fungiert.
Warum Banken nicht auf Smart Contracts setzen können
Während Middelware-Ansätze die Integration in die Kernbank-Architektur ermöglichen, verfolgen sogenannte Decentralized Finance (DeFi)-Plattformen eine andere Logik. Sie wickeln Kredite ausschließlich über Smart Contracts direkt auf der Blockchain ab, ohne Bank als Intermediär. Für Banken schlicht ein No-Go. Der Grund liegt in der Starrheit dieser Verträge:
Alles, was zu Beginn in den Code geschrieben wird, gilt unveränderbar für die gesamte Laufzeit.”
Anpassungen wie etwa Sondertilgungen sind in diesen Verträgen schlicht nicht vorgesehen, im deutschen Kreditrecht dagegen festgeschrieben. Weitere regulatorische Probleme können entstehen, wenn – im Extremfall – Dutzende Gegenparteien Bitcoin als Sicherheit hinterlegen. Für die Bank würde das bedeuten, dass sie jede einzelne Herkunft prüfen und sämtliche AML- und KYC-Verpflichtungen erfüllen müsste, ein kaum handhabbarer Aufwand.
Fazit: Jetzt handeln!
Die Schwächen der meisten technischen Lösungen zeigen, wo Banken mit Hilfe eines SaaS-Modells punkten können: Statt starrer Kurz-Kredite ließen sich auch langfristige Darlehen mit Kryptowährungen besichern, etwa zur Immobilienfinanzierung oder beim Kauf eines neuen Fahrzeugs. Durch flexible Tilgungsmodelle könnten Kunden ihre Raten jederzeit anpassen. Eine Auszahlung in Euro ist dabei entscheidend, damit die Mittel sofort nutzbar sind.
Die Regulierung durch MiCAR und die Steuerklarheit sorgen für Vertrauen beim Kunden. Einige Banken sammeln bereits erste Erfahrung mit Crypto-backed Lending und erobern so ein zukunftsfähiges Geschäftsfeld mit Zugang zu einer neuen Anlegergeneration.”
Erste Pilotprojekte als SaaS starten Ende des Jahres, dann können erste Kredite bereits 2026 Realität werden. Joachim Dierig, Sopra Financial Technology und Dr. Tom-Michael Hesse, Sopra Financial Technology
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