ARCHIV9. Juni 2021

IOHK testet smarte Finanzverträge in Marlowe-Pilotprojekt

Blockchain-basierende Smart Contracts bieten Vorteile bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen. <Q>MicroOne / Bigstockphoto
Blockchain-basierende Smart Contracts bieten Vorteile bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen. MicroOne / Bigstockphoto

Die Demo-Anwendung „Marlowe Run“ von IOHK soll es Nutzern unabhängig von ihrem Know-how in Sachen Blockchain ermöglichen, sichere, smarte Finanzverträge zu entwickeln. Damit nähert sich die Entwicklungssprache langsam der Praxisreife an.

Marlowe ist eine Embedded Domain Specific Language (EDSL), die speziell auf Smart Contracts in der Finanzbranche ausgerichtet ist. Sie stammt von IOHK, dem Forschungs- und Entwicklerunternehmen, das auch hinter der Blockchain Cardano steht. Dementsprechend eng ist die Verknüpfung: Derzeit läuft Marlowe ausschließlich auf der Cardano-Blockchain und ist in deren primäre Programmiersprache Haskell eingebettet. Langfristig sollen auch andere Blockchains unterstützt werden; eine Programmierung unabhängig von Haskell ist bereits heute mittels Javascript und Typescript realisiert.

Weitere Erläuterungen (auf Deutsch) liefert unter anderem dieses Übungs-Skript der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Regensburg. Tiefergehende Informationen finden Entwickler über die ACTUS-Website, die unter anderem auf die Webseite für Test-Entwicklungen, das ausführliche schriftliche Tutorial und diverse Video-Schulungen verweist.

Jedes Bankprodukt als „Smart Contract“?

IOHK nennt zwei unterschiedliche Anwendungen für Smart Contracts. Zum einen die automatische Abwicklung von Finanzverträgen bis hin zur Auszahlung per Blockchain-basierten Kryptowährungen, zum anderen für Audit-Zwecke, um die Handlungen der Vertragspartner in der realen Welt aufzuzeichnen und damit die Einhaltung der Vertragsvereinbarungen zu bestätigen.

Das Open-Source-Projekt ACTUS (Algorithmic Contract Type Unified Standard, Website) hat einen algorithmischen Standard entwickelt, der 32 elementare Klassen von Finanzkontrakten umfasst. Diesen liegen jeweils verbindliche Anweisungen für eine elektronische Verarbeitung zugrunde. Auf dieser Basis lassen sich fast alle Finanzprodukte als Smart Contracts abbilden, die maschinell abgewickelt werden können.

Kompatibel mit ACTUS-Bibliothek

Der Anwendungsprototyp von Marlowe enthält die vollständige ACTUS-Bibliothek, laut IOHK derzeit der Industrie-Standard für Finanzverträge. So ist die Marlowe-Run-App mit Vertragsvorlagen ausgestattet, die von ACTUS-Experten geschrieben, verifiziert und getestet wurden. IOHK ist selbst Mitglied der ACTUS-Foundation.

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Für Banken und Finanzdienstleister heißt das: Sie können mit Hilfe von Marlowe die meisten ihrer Produkte und deren Abwicklung konform zum ACTUS-Standard vollständig digitalisieren. Dabei zielt Marlowe insbesondere auf den aufstrebenden DeFi-Sektor (Decentralized Finance), wie etwa direkte Peer-to-Peer-Kredite, Differenzkontrakte (CFD) und verschiedene andere Tools und Anwendungen.

Transaktionen ohne Vermittler

Da die Marlowe Smart Contracts auf einer Blockchain basieren, können Anwender Finanzvereinbarungen abwickeln, ohne dass ein zusätzlicher Vermittler für eine Transaktion benötigt wird. IOHK erwartet, dass sich dadurch die Art und Weise, wie Finanztransaktionen durchgeführt werden, verändert. Sowohl für globale Finanzakteure wie für kleine Startups in den Entwicklungsländern sollen globale Transaktionen und Vereinbarungen einfacher und kostengünstiger werden. Mit dem Wegfall spezialisierter Vermittler würden Bürokratie und hohe Gebühren für internationale Geschäftsvereinbarungen reduziert.

Darüber hinaus eröffnet sich auch denjenigen, die keinen Zugang zu traditionellen Finanzdienstleistungen haben, die Nutzung von Finanzverträgen. Per Blockchain könnten beispielsweise Mikrokredite leichter bereitgestellt und die Liquidität für kleinere Produktionsbetriebe in den Entwicklungsländern gesichert werden, so IOHK.

Zugleich garantieren Verschlüsselung und Kryptographie der Blockchain, dass die Informationen, die im Rahmen der Smart Contracts abgelegt werden, sicher und unveränderbar sind. Diese fälschungssichere Aufzeichnung von Transaktionen bietet allen Vertragsparteien einen transparenten Prüfpfad.

Kein tiefes Blockchain-Know-how benötigt

Für Aparna Jue, Product Director bei IOHK, ist Marlowe ein entscheidender Meilenstein in der Entwicklung von Bank- und Finanzdienstleistungen der nächsten Generation. Die Plattform vereinfache die Implementierung der Technologie, mit der sich die Sicherheits- und Geschwindigkeitsvorteile der Blockchain nutzen lassen. Sie biete vertraute Vertragsfunktionen, ohne dass Vorkenntnisse über die Blockchain-Technologie erforderlich sind.

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Durch die Bereitstellung von einfach zu bedienenden, auf Blockchain basierenden Finanzverträgen mit geringem Programmieraufwand, die bereits mit bestehenden Prozessen kompatibel sind, können wir nicht nur die Einführung von Blockchain im Finanzwesen beschleunigen, sondern auch den Zugang zu Finanzdienstleistungen für Unternehmen auf der ganzen Welt demokratisieren – von großen Unternehmen bis hin zu Startups in Entwicklungsländern.“

Aparna Jue, IOHK

Zu den Entwicklerwerkzeugen gehört Marlowe Build, mit dem Nutzer den Smart-Contract-Code zusammenstellen, sowie Marlowe Play, um den so erzeugten Code formell zu verifizieren. Grundlage bildet die Open-Source-Smart-Contract-bibliothek Marlowe Library.

Das nun vorgestellte Marlowe Run zählt zu den Tools für Endanwender. Der Prototyp läuft zunächst in einer Pilotphase mit einer Reihe von ausgesuchten Nutzern. Später sollen auch Produkte für Unternehmenskunden folgen. hj

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