Kontrovers: Hat Bitcoin überhaupt eine Chance?

Wir haben die bekannten Blogger Maik Klotz und Rudolf Linsenbarth zum Meinungsduell eingeladen. Ein spannender Schlagabtausch.
Rudolf: Wer glaubt, dass Bitcoin für krumme Geschäfte geeignet ist, der versteht das System nicht. Alle Transaktionen sind in einer öffentlichen für jeden einsehbaren Datenbank verzeichnet und nachvollziehbar. Für ein Verbot von Bitcoin gibt es keinen Grund und nur autoritäre Regierungen liegen noch auf dieser Schiene. Als Weltwährung ist der Bitcoin selbstverständlich nicht geeignet. Das liegt schon in seiner Volatilität begründet. Außerdem fehlt auch noch der technische Beweis der Vollastfähigkeit. Am bisher stärksten Handelstag verzeichnete das Netzwerk gerade einmal 100 000 Transaktionen.
Was aber die Usability betrifft da bin ich sehr zuversichtlich. Wir sehen eine kontinuierliche Verbesserung Clientsoftware. Auf dem Smartphone ist Bitcoin so einfach zu handhaben, wie jede andere App auch. Bitcoin wird im Zahlungsmix einen Platz belegen, der sicher nicht nur im Promille Bereich liegt.
Maik: Die wichtigste Frage wie immer aus Sicht des Nutzers: Welches Problem löst eine Kryptowährung wie zum Beispiel Bitcoin? Diese Frage bleibt unbeantwortet. Um überhaupt erstmal den Hintergrund bei Kryptowährungen zu verstehen braucht man ein ähnliches Verständnis wie von Quantenphysik. Kein Konsument der Welt quält sich durch minutenlange Youtube-Tutorials oder Dokumentationen um etwas zu verstehen, dessen Nutzen ihm nicht mal klar ist. Dementsprechend ist Bitcoin nichts für den Joe Sixpack User. Wenn also nicht für Normalsterbliche konzipiert, muss natürlich die Frage erlaubt sein für wen eine anonyme digitale Währung interessant ist und natürlich spielt dann auch die Kriminalität eine Rolle. Aber im Kern sehe ich keinen Nutzen für den Konsumenten, was nicht bedeutet das die dahinterliegende Technik interessant ist oder irgendwann im Zahlungsverkehr eine Rolle spielen wird.
Rudolf: Laut Deiner Argumentation müsste man auch verstehen wie ein Mobilfunknetz funktioniert damit man ein Smartphone verwenden kann. Um mal bei Joe Sixpack zu bleiben. Den interessiert nicht was passiert, wenn er sein “EC Karte” in ein Terminal steckt. Dabei ist das für ihn schon ein Unterschied ob eine Girocard Transaktion oder eine Lastschrift erfolgt. Genauso wird er das mit den Bitcoins sehen. Es muss nur funktionieren und das tut es auch, wenn er sich eine Bitcoin App auf sein Smartphone lädt. Installieren und glücklich sein. Selbst eine Registrierung, der Pain jeder sonstigen App entfällt. Damit beantwortet sich auch Deine Eingangsfrage welches Problem hier gelöst wird. Der Nutzer enthält das einfachste Echtzeit P2P System das es am Markt gibt.
Maik: Nein, man muss nicht verstehen wie ein Mobilfunknetz funktioniert, aber welchen nutzen Mobilfunk stiftet. Und bei Kryptowährungen ist der Kundennutzen nicht klar. Ob es das einfachste P2P System der Welt ist darf bezweifelt werden. Denn wenn es so wäre wie Du sagst und man sofort loslegen kann, dann machen wir den Test: Lädt man Breadwallet als empfohlene App von Bitcoin, dann kann man Geld senden und empfangen. Woher das Geld kommt, erfährt der Nutzer nicht. Wie ich Geld in die Wallet bekomme, kein Wort dazu. Also zurück auf die Website von Bitcoin und Studium beginnen. Es mag sein, das wenn man das alles mal eingerichtet hat, der eigentliche Prozess einfach ist, bis dahin ist es ein langer Weg und der ist bei Kryptowährungen sogar ganz ohne Registrierung lang.
Wenn also Kryptowährungen so einfach und so nützlich sind, warum interessiert es dort draußen außer Nerds niemanden? Weil es kein Problem löst. Eine Analogie: Seit dem wir im Netz unterwegs sind, gilt die Empfehlung den E-Mail Verkehr zu verschlüsseln und das nicht nur im Business-Umfeld. Niemand nutzt aber E-Mailverschlüsselung, obwohl es sinnvoll ist. Selbst die NSA Affäre hat daran nichts geändert. Der Wunsch nach Sicherheit ist vorhanden, die Bequemlichkeit aber siegt. Deshalb hat Apple auch TouchID gebracht, weil nicht alle Konsumenten Lust hatten sich ein vierstelliges Passwort zu merken. Nun ist jedes iPhone (aber auch viele Android-Geräte) automatisch mit dem Fingerabdruck verschlüsselt. Der Kundennutzen ist klar: Sicherheit ohne auf Bequemlichkeit zu verzichten. Bei Kryptowährungen kommen noch viele andere Faktoren dazu: Kaum Akzeptanzstellen, fehlende Nutzerbasis, etc. Erkläre mal meinem Vater, Anfang 60, in drei Sätzen warum er Kryptowährungen nutzen sollte.
Rudolf: Den Test können wir sofort machen: Du öffnest Deine App und gehst in den Bereich Geld Empfangen. Dort klickst Du auf deine Bitcoin Adresse, ein Options-Feld poppt auf und Du wählst senden an… Wenn ich die Nummer habe paste ich diese in meine App und gebe den Beitrag ein, den ich Dir schicken will. Der Versand der Bitcoins braucht dann auch nicht länger als die Mail zuvor.
Ob wir in unserer Elterngeneration die Zielgruppe finden, die das Durchbruchsmoment für eine neue Technologie mitbringt? Ein Beispiel: 2005 gab es in meinem Bekanntenkreis niemanden außer mir, der Mails auf dem Handy gelesen und geschrieben hat. Mir wäre es nie in den Sinn gekommen meine Eltern von den Vorzügen dieser Technik überzeugen zu wollen. Etwa 5 Jahre später waren Mobile Mails bei meiner Generation im Alltag angekommen. Letzte Woche hat mein Vater (80 Jahre), ohne dass ich Ihn dazu gedrängt habe sich ein Android Handy gekauft. Er will unbedingt seine Mails, Kontaktdaten und Termine auch unterwegs im Zugriff haben.
Genauso wird es auch für die Bitcoins kommen. Nerds begeistern Smart Follower und reichen das an andere weiter. Dazu würde ich den Fun Faktor von Bitcoins nicht unterschätzen. Der Spieltrieb ist hier eine Triebfeder. Dazu kommt ja auch noch der spekulative Anreiz hinzu. Tausche ich meine Bitcoins sofort zurück in Giralgeld oder setze ich auf einen Kursanstieg.
Maik: Wir drehen uns im Kreis und die wichtigste Frage bleibt unbeantwortet. E-Mail hat den postalischen Versand ergänzt und in vielen Bereichen abgelöst. Das Argument bei E-Mail ist einfach: Verschicke Post elektronisch in Echtzeit und kostenlos. Kommen wir zu Kryptowährungen: Ich kann schon heute elektronisch und ich Echtzeit Geld verschicken. Was macht Bitcoin besser? Die Anonymität? Interessiert mich nicht. So wie den meisten der NSA Skandal egal war. Geschwindigkeit? Kann es auch nicht sein. Usability? Wohl eher nicht. Erkläre dann doch mir warum ich Bitcoin nutzen sollte? Ich erkenne keine Argumente. Spieltrieb? Spekulation? Welches Problem oder welchen Use-Case kann ich mit Bitcoins erledigen, welches ich nicht heute schon mit PayPal und Co erledigen kann? Für Kryptowährungen sprechen aus meiner Sicht vor allem politische Dinge, die sind mir aber aus Konsumentensicht (fast) egal. Es bedarf schon etwas mehr als “Spieltrieb” oder “Spekulation” in eine Währung die niemand versteht. Kryptowährungen werden als Produkt für den Konsumenten in absehbarer Zeit keinerlei Relevanz haben. Als Technologie für Backend-Prozesse sehe ich das schon eher, aber das interessiert den Konsumenten nicht. Zumindest nicht primär.
Rudolf: In der Tat. Wenn Du Echtzeit P2P nicht als Use Case siehst oder meinst die können mit Bitcoins nicht durchgeführt werden, kommen wir nicht zusammen. Die Finanzindustrie versucht gerade ein Echtzeit Clearing aufzubauen und wird bis zu deren Umsetzung noch drei bis fünf Jahre brauchen. Bitcoins können all das schon heute. Der große Pain Point von Bitcoins, Erwerb und Verkauf am Markt, wird verschwinden. Wir sind hier Deutschland mal wieder hinten dran. Gebremst wird der Bitcoin in erster Linie nicht durch die Banken, sondern durch die Politik. Kein Anbieter mit einer deutschen Banklizenz kann derzeit Bitcoins an Endkunden verkaufen, weil er sonst auf den Gesamtbetrag Mehrwertsteuer erheben müsste. Mehrwertsteuer auf Bitcoins, nicht aber auf Gold und Goldmünzen die in ihren Ländern Zahlungsmittel sind, ist ein weiteres Kapitel in der deutschen Posse der Mehrwertsteuersystematik. Zum Glück ist das Thema gerade am EUGH und die Generalanwältin Juliane Kokott hat schon für die Abschaffung votiert. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir innerhalb eines Jahres auch Angebote sehen werden, die nicht nur von einer FinTech getriebenen Bank wie Fidor kommen.
Maik: Ich stimme Dir zu, politisch gesehen werden Kryptowährungen gebremst. Man darf aber nicht vergessen, warum Satoshi Nakamoto Bitcoins entwickelt hat. Er kam aus einer Bewegung, die sich dem Schutz der Privatsphäre verpflichtet sah und er sah die Zentralbanken als gescheitert an. Kein Wunder also das man das ganze nicht forciert. Ich sehe die Zukunft von Kryptowährungen wie Bitcoins eher in der Technologie. Finanzdienstleister werden ein solches System künftig verwenden, um Zahlungen zu veranlassen. Der Kunde wird weiterhin mit Euro oder einer anderen Währung bezahlen, aber die Gleise auf denen das System fährt könnte Bitcoin oder etwas Ähnliches sein.Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
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