STRATEGIE21. März 2024

Apple Pay: Der Digital Markets Act ist eine Chance für EU‑Banken

Schwerpunkt: Mobile Payment
Dominik Siebert, Managing Partner bei CoreCore

Im Jahr 2014 startete die Bezahllösung Apple Pay. Seitdem feierte sie einen globalen Siegeszug mit kontinuierlich wachsenden Transaktionsvolumina, zahlreichen neu erschlossenen Märkten und stetiger funktionaler Weiterentwicklung. Die Lösung hat de facto einen Lock-in-Effekt für Banken geschaffen, die mit Apple kooperieren und ihren Kunden den Service anbieten: Noch keine Bank hat bislang Apple Pay wieder abgeschaltet.

von Dominik Siebert und Fabian Meyer, Managing Partner bei Core

Möglich geworden ist dies nicht nur durch die komfortable Nutzung, sondern auch weil Apple aktiv die Etablierung alternativer NFC-basierter Bezahlverfahren auf Apple-Geräten verhindert.

Fabian Meyer, Managing Partner von CoreCore

Somit ist bis heute der Zugang zur NFC-Schnittstelle für Drittparteien im Zahlungsverkehr verwehrt – etwa für bankeneigene Wallets. Die kartenausgebenden Banken rücken dabei in der Kundenwahrnehmung immer weiter in den Hintergrund und sie müssen gleichzeitig Erträge aus dem Kartengeschäft mit weiteren Teilnehmern wie etwa Apple teilen.

Schon 2019 hat die Bundesregierung im Rahmen der „Lex Apple Pay“ versucht, die Exklusivität für die Verwendung der NFC-Schnittstelle aufzulösen, allerdings bisher ohne nachhaltigen Erfolg.”

Regulatorischer Gegenimpuls: Der Digital Markets Act

Der im Herbst 2022 in Kraft getretene „Digital Markets Act“ (DMA) stellt explizit einen regulatorischen Gegenimpuls dar.

Die EU-Kommission zielt darauf ab, die Marktmacht großer Plattformbetreiber zu beschränken und einen größeren Wettbewerb zu ermöglichen.”

Anbieter von Zahlungslösungen als Wettbewerber der Banken - Angebote von Apple
Anbieter von Zahlungslösungen als Wettbewerber der BankenCore

Nun unterliegen Plattformservices mit besonderer Marktmacht als Bindeglied zwischen Unternehmen und Verbrauchern definierten „Do’s“ und „Don’ts“, wenn sie von mindestens 45 Millionen Kunden aktiv genutzt werden. So soll verhindert werden, dass die marktbeherrschende Stellung der Plattformbetreiber genutzt wird, um eigene Produktangebote auf der Plattform zu bevorzugen.

Vorgaben für die „Gatekeeper“ (Alphabet, Apple, Microsoft, Amazon, Meta & ByteDance) – die so genannten „Do’s“ und „Don’ts“
Vorgaben für die „Gatekeeper“ – die so genannten „Do’s“ und „Don’ts“Core, EU Kommission 2023

Sechs Plattformbetreiber wurden im September 2023 mit ausgewählten Dienstleistungen als „Gatekeeper“ deklariert: Alphabet, Apple, Microsoft, Amazon, Meta & ByteDance.”

Nach einer sechsmonatigen Frist müssen diese entsprechende Vorgaben bis März 2024 erfüllen – für etwaige Verstöße drohen drakonische Strafen, etwa Geldbußen in Höhe von zehn Prozent des globalen Konzernumsatzes und 20 Prozent bei wiederholten Verstößen.

Einzelschritte zur Einführung des Digital Markets Acts
Einzelschritte zur Einführung des Digital Markets ActsCore, EU Kommission 2023

Grundlegende Zugeständnisse von Apple

Auch wenn es keine direkte Zustimmung von Apple mit Bezug zum DMA gibt, hat die EU-Kommission im Januar 2024 ein Angebot von Apple veröffentlicht – also kurz vor Auslaufen der Frist.

Die AutorenFabian Meyer und Dominik Siebert, CO­RE
Fabian Meyer ist Managing Partner bei Core (Website) und hat über 10 Jah­re Er­fah­rung im Be­reich der di­gi­ta­len Trans­for­ma­tio­nen. Er hat ei­nen Mas­ter of Sci­ence in Con­trol­ling & Con­sul­ting von der Stein­beis Hoch­schu­le und wei­te­re Qua­li­fi­ka­tio­nen in In­ter­na­tio­nal Ma­nage­ment von der To­kyo Uni­ver­si­ty of Agri­cul­tu­re and Tech­no­lo­gy und der In­dia­na Uni­ver­si­ty – Kel­ley School of Busi­ness. Ne­ben sei­ner Haupt­tä­tig­keit ist er seit mehr als 7 Jah­ren Ma­na­ging Di­rec­tor bei C3 Ven­tures und en­ga­gier­te sich ehe­mals als Frei­wil­li­ger bei UN-Ha­bi­tat, wo er sich für so­zi­al und öko­lo­gisch nach­hal­ti­ge Städte einsetzte.

Dominik Siebert ist Ma­na­ging Part­ner bei CO­RE und ver­fügt über 8 Jah­re Er­fah­rung in der Lei­tung und Um­set­zung von kom­ple­xen Trans­for­ma­ti­ons­pro­jek­ten – pri­mär in der Fi­nanz­in­dus­trie. Er hält ei­nen Mas­ter­ab­schluss in Wirt­schafts­in­ge­nieur­we­sen der TU Braun­schweig und ist Spe­zia­list für den Zah­lungs­ver­kehr mit Fo­kus auf Stra­te­gie­ent­wick­lung und Ent­wick­lungs­steue­rung im Kon­text kar­ten­ba­sier­ter und di­gi­ta­ler Zah­lungs­ver­fah­ren. Da­bei ver­fügt er über Ex­per­ti­se im Um­gang mit ent­spre­chen­den Markt­ent­wick­lun­gen und da­zu­ge­hö­ri­ger Regulatorik.

Es handelt sich um ein erhebliches Entgegenkommen in Richtung der EU, Apple bietet eine Reihe Zugeständnisse an.”

Zum Beispiel soll Drittanbietern ermöglicht werden, kostenlos auf die NFC-Funktion von iOS-Geräten zuzugreifen, ohne Apple Pay oder die Apple Wallet verwenden zu müssen. Hierfür würde Apple APIs bereitstellen, die einen gleichwertigen Zugang zu den NFC-Komponenten über eine Host Card Emulation-Architektur ermöglichen. Der Geltungsbereich solle alle im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ansässigen Drittanbieter und alle iOS-Nutzer mit einer im EWR registrierten Apple-ID umfassen. Ferner werde Apple die Nutzung dieser Apps für Zahlungen in Geschäften außerhalb des EWR nicht verhindern. Zusätzliche Merkmale und Funktionen sollen bereitgestellt werden, einschließlich der Voreinstellung bevorzugter Zahlungs-Apps, dem Zugang zu Authentifizierungsfunktionen wie FaceID und einem Unterdrückungsmechanismus.

Apple bietet faire, objektive, transparente und diskriminierungsfreie Kriterien für die Gewährung des NFC-Zugangs für Entwickler von Apps für mobile Geldbörsen an.”

Und letztlich soll ein Streitbeilegungsmechanismus etabliert werden, bei dem Apples Entscheidungen über die Verweigerung des Zugangs zu NFC-Eingaben von unabhängigen Experten überprüft werden.

Die Gültigkeit dieser Zugeständnisse wird zunächst für eine Dauer von 10 Jahren zugesichert. Interessierte Parteien hatten noch bis zum 19. Februar 2024 die Möglichkeit, Apples Vorschläge bei der EU-Kommission zu kommentieren.

Für Banken und andere Akteure des Zahlungsverkehrs eröffnen sich damit neue Perspektiven:

Sie können eigene NFC-basierte Bezahllösungen auch für iOS-Geräte entwickeln und damit die Zahlung von Gebühren an Apple vermeiden, Differenzierungspotenziale erschließen und die Kundenbindung verbessern.”

Große Plattformen müssen sich dem Wettbewerb stellen – Banken profitieren

Die Voraussetzungen für eine gleichwertige Lösung am POS werden mit dem zur Disposition stehenden Vorschlag geschaffen.

In Zukunft würde die geöffnete NFC-Schnittstelle eine Kommunikationstechnologie ermöglichen, die mit bestehenden Terminals kompatibel ist.”

Für den Nutzer stünden komfortable Authentifizierungsmöglichkeiten zur Freigabe von Zahlungen bereit – inklusive TouchID und FaceID. Auch ein Zahlmittel einer alternativen Bezahllösung könnte als „präferiertes Zahlmittel“ eingestellt werden. Und schließlich wäre die Zahlungsmöglichkeit auch über die Grenzen des EWR hinaus gegeben.

Damit werden ganz generell Zahlungs-Alternativen auf iOS-Geräten ermöglicht. Dies beschränkt sich nicht nur auf die Seite der Zahler. Auch Akzeptanzlösungen (analog Tap-to-Pay) für das iPhone wären denkbar und würden Banken ein Produktangebot beispielsweise für KMUs ermöglichen.

Allerdings handelt es sich nicht um eine vollständige Freigabe – es gibt auch Einschränkungen: Endkunden können voraussichtlich bei Bezahlungen mit der Apple Watch weiter nur Apple Pay einsetzen, denn das Betriebssystem WatchOS ist nicht in den aktuellen Vorschlag eingeschlossen. Zudem deckt das Angebot von Apple zur Freigabe der NFC-Schnittstelle lediglich Use-Case-Szenarien am POS-Terminal ab.

eCommerce-Payments und In-App-Käufe sind davon nicht betroffen.”

Apple Pay beharrt hier – vor allem durch die Einbindung in den App Store – auf seiner starken Marktposition. Ein Verfahren zur Überprüfung des Betriebssystems iPadOS wurde allerdings vom Regulator angestoßen.

Use-Case- und Funktionsabdeckung bei einer NFC-basierten Lösung im Vergleich zu Apple Pay
Use-Case- und Funktionsabdeckung bei einer NFC-basierten Lösung im Vergleich zu Apple PayCore

Neue Handlungsoptionen für Banken

Heute bietet eine große Mehrheit der Banken ihren Kunden Apple Pay an. Damit müssen die Finanzinstitute erhebliche Anteile ihrer Kartenerträge an Apple abführen.

Banken, die sich wegen der hohen laufenden Kosten gegen eine Einführung von Apple Pay entschieden hatten, könnten ihren Kunden nun ein eigenes Gegenangebot machen.”

Auch Banken, die aktuell Apple Pay anbieten, dürften nun prüfen, ob sich auf Grundlage der geänderten Rahmenbedingungen langfristige Kosteneinsparungen und strategische Vorteile realisieren lassen – sei es mit einem alternativen Angebot oder auch dank einer verbesserten Verhandlungsposition.

Dabei ist stets zu bedenken, dass die Umsetzung einer Bezahllösung generell ein Vorhaben mit signifikant hohem Investment ist.

Die Institute müssen bei der Entwicklung einer eigenen NFC-basierten Bezahllösung die eigene iOS-App um eine entsprechende NFC-Komponente erweitern und zentrale Sicherheitskomponenten wie etwa Tokenisierungsdienste integrieren.”

In Abhängigkeit von der Lösungsoption stehen aufwändige Zertifizierungsverfahren, zum Beispiel bei den Card Schemes, an. Im Zentrum steht die Entscheidung über den Umsetzungsansatz. Dabei sind drei Szenarien denkbar.

Größere Banken, die ihren Kunden eine Alternative zu Apple Pay anbieten möchten, könnten die erforderlichen Komponenten selbst entwickeln. Für sie wird Time-2-Market, das Differenzierungspotenzial und die zu gewinnende Flexibilität im Vordergrund stehen. Die Kosten für die Eigenentwicklung müssten diese Banken individuell tragen.

Alternativ können sich Banken Softwareanbieter suchen, die eine entsprechende Lösung für iOS anbieten.”

Naheliegend sind Anbieter, die heute NFC-Wallets als SDK oder White-Label-Apps für Android anbieten und diese für iOS adaptieren könnten. Banken würden hier also durch die Verwendung von fertigen SDKs Zeit und teilweise auch Entwicklungsaufwände einsparen. Es ist davon auszugehen, dass jene Anbieter von ihren Erfahrungen auf Android Devices profitieren und Effizienzen heben können. Da eine iOS-Lösung von diesen Anbietern jedoch erst entwickelt und anschließend von den Banken adaptiert werden müsste, ist die zu erwartende Time-2-Market voraussichtlich ähnlich hoch wie bei einer Individualentwicklung, das Differenzierungspotenzial aber bedeutend geringer. Dafür können Kosten sozialisiert werden.

Das dritte Szenario ist die Entwicklung einer gemeinsamen Lösung im Verbund.

Banken schließen sich einem Verbund an oder initiieren einen solchen, um die sich neu ergebenden Lösungspotenziale gemeinschaftlich zu erschließen.”

Das eröffnet die Chance einer Sozialisierung der entstehenden Kosten. Initiativen wie EPI für Konto und Instant-Payment-basierte Zahlungen decken bereits andere Facetten des Zahlungsverkehrs ab. So wäre man bei der Erweiterung der Lösung um kontaktfreies Bezahlen nicht auf die von Apple zugestandenen NFC-Use-Cases limitiert. Auf der Basis von Instant Payments könnten auch E-Commerce- oder In-App-Zahlungen ermöglicht werden. Falls der Prozess durch die Terminals unterstützt würde, wären mittelfristig sogar Zahlungen am POS denkbar. Dabei wird mittels NFC die IBAN zwischen Zahler und Zahlungsempfänger ausgetauscht, es besteht keine Notwendigkeit mehr für die Involvierung eines Card Schemes. Das dürfte im Rahmen der regulatorischen Agenda der EU durchaus gewollt sein.

Wie lässt sich der Verbraucher überzeugen?

Auf jeden Fall sollten europäische Banken die beschriebenen Entwicklungen aufmerksam verfolgen und die Beantwortung der sich aufdrängenden Fragen kurzfristig auf ihre strategische Agenda nehmen – und zwar ganz unabhängig davon, ob sie heute bereits Apple Pay integriert haben oder nicht. Auch Softwareanbieter oder Initiativen wie EPI sollten ihre strategische Positionierung und resultierenden Optionen neu bewerten.

Angesichts der starken Marktmacht und der großen Beliebtheit von Apple Pay gehört zur Entscheidung unverzichtbar die Überlegung dazu, wie sich Verbraucher dazu bewegen lassen, ein alternatives Angebot der Banken anzunehmen. Naheliegend wäre der Ansatz, die künftig vermeidbaren Apple-Gebühren für kundenzentrierte Cashback-Programme zu verwenden, sofern dies mit den kommerziellen Vorgaben aus den Verträgen mit Apple vereinbar ist (Stichwort „Non-discrimination Rule“). Auch funktionale Ergänzungen, die hierzulande noch nicht von Apple angeboten werden, könnten ein Hebel sein – etwa das viel diskutierte Buy-now-pay-later-Verfahren.aj

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