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STRATEGIE11. Juni 2021

Bundesbank-Vorstand Balz zum digitalen Euro: Zwischen Innovation und Stabilitätsrisiko

Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen BundesbankBundesbank

Anlässlich der 76. Bankwirtschaftliche Tagung der Volksbanken und Raiffeisenbanken hat Bundesbankvorstand Dr. Burkhard Balz in dieser Woche eine Rede zum digitalen Euro gehalten. Dabei machte Balz deutlich, dass die Bundesbank zwar durchaus solche Themen als Chance versteht, gleichzeitig aber auch Risiken hinter der Innovation sieht.

Schon seit längerer Zeit diskutiert die Fachwelt über digitales Geld, über Kryptowährungen, aber auch über die Veränderungen, die sich daraus ergeben können – für die Banken, für die Zentralbanken und nicht zuletzt auch für das gesamte deutsche und internationale Wirtschafts- und Finanzsystem. Dr. Burkhard Balz, der in der Vergangenheit keinen Hehl daraus machte, dass die Bundesbank hier nichts überstürzen will – Befürworter von Kryptowährungen unterstellten ihr gar eine Verweigerungshaltung – suchte hier einerseits aktiv den Meinungsaustausch. Er machte deutlich, dass das Vertrauen der Menschen und Märkte in den Euro und die Sta­bi­li­tät un­se­res Fi­nanz­sys­tems oberste Priorität haben müsse. „Die Frage nach di­gi­ta­lem Zen­tral­bank­geld ge­hört ge­gen­wär­tig zu den wich­tigs­ten und span­nends­ten im Fi­nanz­sek­tor“, ordnete Balz die Fragestellung ein und und betonte, dass es dabei um „nicht we­ni­ger als die Zu­kunft des Gel­des der Fi­nanz­wirt­schaft“ gehe.

Wir sind auf­ge­schlos­sen für Neues. Wir un­ter­stüt­zen neue Tech­no­lo­gi­en oder neue Geld­for­men, wenn sie uns wei­ter­brin­gen und wenn wir die damit ver­bun­de­nen Ri­si­ken be­herr­schen kön­nen.

Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank

Es sei, so Balz, nicht unüblich, dass der Zahlungsverkehr sich mit ge­sell­schaft­li­chen, wirt­schaft­li­chen und tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen verändere, die Achillesferse vieler, wenn nicht aller Kryp­to-Token sei aus seiner Sicht der wenig er­folg­ver­spre­chen­de Ver­such, Ver­trau­en al­lei­ne durch Tech­nik und pri­va­te Re­gel­wer­ke zu er­zeu­gen. Zentralbankgeld habe sich inzwischen weltweit als ultimatives Zahlungs­mit­tel eta­bliert, als aus­fall­si­cheres Fun­da­ment un­se­res Geld­we­sens. „Ge­schäfts­ban­ken­geld ge­nie­ßt heute ein sehr hohes Ver­trau­en. Der Bür­ger kann je­der­zeit seine Ein­la­gen als Bar­geld ab­he­ben. Zudem zah­len die Ban­ken un­ter­ein­an­der den Spit­zen­aus­gleich im Zah­lungs­ver­kehr in Zen­tral­bank­geld.“

Digitaler Euro als Grundlage für automatisiertes Bezahlen

Die Idee des digitalen Zentralbankgeldes, die aus der Blockchain-Bewegung kommt, weise dagegen eine äu­ßerst vo­la­ti­le Wert­ent­wick­lung auf und habe daher den Cha­rak­ter eines Spe­ku­la­ti­ons­mit­tels, nicht aber eines all­ge­mei­nen Zah­lungs­mit­tels. Resultierend aus den Stablecoins, die bezüglich ihres Wertes an eine echte Wäh­rung ge­bun­den sind, kam die Idee auf, Zen­tral­bank­geld künf­tig auch in Form di­gi­ta­ler Token auf de­zen­tra­len, vir­tu­el­len Net­zen ver­wen­den zu kön­nen. Die­ses di­gi­ta­le Zen­tral­bank­geld könn­te auch in de­zen­tra­len Net­zen di­rekt ohne In­ter­me­diä­re über­tra­gen wer­den.

Die di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on und die Ent­ste­hung neuer di­gi­ta­ler Geld­for­men könnten sich die Anforderungen an die Art und Weise des Bezahlens verändern – insbesondere im M2M-Payment-Umfeld ergeben sich hier neue automatisierte Ge­schäfts­pro­zes­se. „Als fi­na­les Puz­zle­teil wird zur Ab­wick­lung je­doch noch ein si­che­res, ef­fi­zi­en­tes und di­gi­ta­les Zah­lungs­mit­tel be­nö­tigt, wel­ches sich in eben­je­ne Pro­zes­se in­te­grie­ren lässt“, führt Balz aus. Neue Anbieter aus der FinTech-Welt drän­gten mit in­no­va­ti­ven, ein­fa­chen und kun­den­freund­li­chen Dienst­leis­tun­gen in die­sen Markt – oft auch mit dem Ziel, den Kunden allumfassend und für alle Facetten des täglichen Lebens an die jeweilige Plattform zu binden.

Die Dis­kus­si­on um di­gi­ta­les Zen­tral­bank­geld ist des­halb nicht nur eine Dis­kus­si­on über ein neues Zah­lungs­mit­tel, son­dern auch über die Frage, wie sich die­ses Zah­lungs­mit­tel in die neue, di­gi­ta­le Welt naht­los ein­fü­gen lässt.

Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank

Balz will nicht aus­schlie­ßen, dass etwa ein Stablecoin eines glo­bal agie­ren­den Tech­no­lo­gie­kon­zerns eine weite Ver­brei­tung im Eu­ro­raum fin­den könn­te oder dass di­gi­ta­les Zen­tral­bank­geld einer an­de­ren Wäh­rung auch im Eu­ro­raum ge­nutzt würde. Angesichts des Rückgangs des Bargelds auch im bargeldaffinen Deutschland müsse man erwägen, ob nicht digitales Zentralbankgeld eine gute digitale Zahlungsform für den Endnutzer sein kann.

Ein di­gi­ta­ler Euro wäre zudem rein eu­ro­pä­isch ge­steu­ert und un­ter­stütz­te die Be­mü­hun­gen nach eu­ro­päi­scher Sou­ve­rä­ni­tät bei stra­te­gi­schen In­fra­struk­tu­ren. Zudem böte er etwa im Un­ter­schied zu pri­va­ten Stablecoins den ge­bo­te­nen Schutz vor der Aus­beu­tung sen­si­bler Zahlungs­da­ten.

Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank

Heißt auf Deutsch: Lieber die Bundesbank oder die EZB, in deren High Level Task Force zum di­gi­ta­len Euro Balz Mitglied ist, könnte dies umsetzen als die Kunden in die Arme nur mäßig regulierter Digitalkonzerne mit US- oder China-Hintergrund zu treiben. Sinnvoll könnte die Emission etwa zur Un­ter­stüt­zung der Di­gi­ta­li­sie­rung der Wirt­schaft sein. Der EZB-Rat entscheidet im Som­mer dar­über, ob eine Un­ter­su­chungs­pha­se zu einem Pro­jekt di­gi­ta­ler Euro ge­star­tet wird. Und Balz spoilert regelrecht: „An­ge­sichts der zahl­rei­chen Her­aus­for­de­run­gen wäre eine po­si­ti­ve Ent­schei­dung keine Über­ra­schung.“

Eines der ambitioniertesten Projekte seit dem Euro selbst

Der digitale Zentralbankeuro, wenn er denn kommt, wäre auf jeden Fall eines der ambitioniertesten Projekte seit Be­stehen des Eu­ro­sys­tems. Einerseits weil all das tech­ni­sches und öko­no­mi­sches Neu­land darstellt, auch wenn Staaten hier voneinander lernen können.

Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen BundesbankBundesbank
Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen BundesbankBundesbank

Die Ei­gen­schaf­ten, die ein di­gi­ta­ler Euro haben soll­te, müs­sen sich aus der Ziel­set­zung er­ge­ben. Wir kön­nen dessen Ei­gen­schaf­ten erst fest­le­gen, wenn wir wis­sen, was wir genau damit be­zwe­cken, wer damit wel­che Ge­schäfts­fäl­le be­zah­len soll.

Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank

Doch Balz sieht auch Chancen, etwa in der Smart Eco­no­my oder Volks­wirt­schaft 4.0 un­ter­stüt­zen, wenn er pro­gram­mier­ba­re Zah­lun­gen er­mög­licht und die Ab­wick­lung über mo­der­ne Tech­no­lo­gi­en wie die Dis­tri­bu­ted Led­ger Tech­no­lo­gie geld­sei­tig un­ter­stütz­ten würde. Allerdings, so machte der Bundesbankvorstand deutlich, würde er wie auch seine Kollegen auf den nachweislichen Zusatznutzen schauen, bevor man über die Ausgestaltung nachdenke.

Im Rahmen einer öf­fent­li­chen Kon­sul­ta­ti­on wurden dazu die Men­schen im Eu­ro­raum ex­pli­zit nach ihrer Mei­nung ge­fragt. Die Antwortenden machten deutlich, dass der Schutz der per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten der mit Ab­stand wich­tigs­te As­pekt darstelle – neben der Si­cher­heit des Zah­lungs­mit­tels, der Ver­füg­bar­keit in­ner­halb des ge­sam­ten Eu­ro­raums und der Ver­mei­dung von Zu­satz­kos­ten.

Digitaler Euro ist nicht ohne Risiken umsetzbar

Doch Balz skizziert auch Risiken, die er und die Bundesbank sehen, etwa aus der Ge­fahr einer Sub­sti­tu­ti­on der Sicht­ein­la­gen bei Ban­ken durch di­gi­ta­les Zen­tral­bank­geld. „Sollten die Bürger den di­gi­ta­len Euro als Er­satz für ihre Ein­la­gen bei Ge­schäfts­ban­ken an­se­hen und diese Ein­la­gen in gro­ßem Um­fang in di­gi­ta­les Zen­tral­bank­geld um­wan­deln, könn­te dies er­heb­li­che Fol­gen für die bis­he­ri­gen Ge­schäfts­mo­del­le und Bilanzen haben. Auch wären Aus­wir­kun­gen auf die Kre­dit­ver­ga­be nicht aus­zu­schlie­ßen.

Na­tür­lich er­gä­ben sich auch er­heb­li­che Ver­än­de­run­gen im Zah­lungs­ver­kehrs­markt der Ban­ken und Fi­nanz­dienst­leis­ter. Wich­ti­ger noch, wir müss­ten Fol­gen für die Fi­nanz­sta­bi­li­tät und die Um­set­zung der Geld­po­li­tik er­war­ten.

Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank

mkabakov / bigstock

Mögliche Vorkehrungen wären hier be­trags­mä­ßi­ge Nut­zungs­be­gren­zun­gen und dif­fe­ren­zier­te Ver­zin­sung. Hinzu kämen ordnungspolitische Risiken, weil die Zen­tral­ban­ken mehr Si­cher­heit versprechen, die Ge­schäfts­ban­ken und Fi­nanz­dienst­leis­ter dagegen in­no­va­ti­ver, kun­den­freund­li­cher und er­fah­re­ner im Um­gang mit pri­va­ten Ri­si­ken seien. Balz machte deutlich, dass er auf keinen Fall an dieser Rollenverteilung und dem damit verbundenen Gleichgewicht festhalten will. „denn auch das ist ein Teil des Ver­trau­ens­as­pek­tes“. Der Zah­lungs­ver­kehr solle wei­ter­hin eine öf­fent­lich-pri­va­te Ko­pro­duk­ti­on blei­ben, die pri­va­ten Zah­lungs­dienst­leis­ter soll­ten das „Ge­sicht“ zum Kun­den blei­ben.

Denkbar sei allerdings auch, dass Ge­schäfts­ban­ken selbst di­gi­ta­les Geld her­aus­ge­ben, wobei der Ausgleich von Forderungen eine technische Herausforderung darstelle, für das gegebenenfalls ge­mein­sa­me Clea­ring­-Ver­fah­ren für funk­ti­ons­fä­hi­ge Lö­sun­gen benötigt würden.

Die Bun­des­bank je­den­falls wäre sehr auf­ge­schlos­sen für ent­spre­chen­de Ak­ti­vi­tä­ten der Ge­schäfts­ban­ken. Ein sol­ches Pro­jekt setzt al­ler­dings eine be­son­ders hohe Ko­ope­ra­ti­ons­be­reit­schaft der Markt­teil­neh­mer vor­aus.“

Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank

Die Trigger-Lösung: Eher Ergänzung als Alternative

Eine wei­te­re Op­ti­on ist dabei die so­ge­nann­te „Trig­ger-Lö­sung“, welche die Bun­des­bank ge­mein­sam mit der Deut­schen Börse, der Fi­nanz­agen­tur des Bun­des und sechs Ge­schäfts­ban­ken im Rahmen eines Experiments erprobt hat. Hierfür habe man zur Un­ter­stüt­zung der Ab­wick­lung eines Wert­pa­pier­ge­schäf­tes auf der Blockchain eine tech­ni­sche Brü­cke von der Blockchain zu un­se­rem Zah­lungs­sys­tem TARGET2 ge­baut. Die Ab­wick­lung des Wert­pa­pier­ge­schäf­tes auf der Block­chain stößt dabei die Ab­wick­lung der Zah­lung über TARGET2 an (woraus sich die „Trig­ger-Lö­sung“ ergibt). Die fi­na­le Ab­wick­lung des Wert­pa­pie­res er­folge erst, nach­dem die Bun­des­bank be­stä­tigt, dass das Geld dafür ge­zahlt wird. Kann die Zah­lung nicht er­fol­gen, er­hält der Ver­käu­fer das Wert­pa­pier zu­rück. „Wir er­mög­li­chen also ein Delivery-versus-Payment auf der Blockchain ohne di­gi­ta­les Geld“ – ohne dass dass Zah­lungs­sys­tem ­ver­än­dert werde. Balz erklärt, er sehe das als mög­li­che Er­gän­zung zum di­gi­ta­len Euro.

Deutlich wird an den Ausführungen, dass bis­lang nichts ent­schie­den ist und viele Varianten durchdacht werden. Das Pro­jekt di­gi­ta­ler Euro ist eines der wich­tigs­ten und span­nends­ten im Eu­ro­sys­tem – und Dr. Burkhard Balz machte deutlich, dass die Bundesbank unter Einhaltung sämtlicher Vorsicht den Varianten digitalen Geldes gegenüber gar nicht so abgeneigt ist, wie es bislang scheint. Bemerkenswert ist aber auch, dass Balz offenbar lieber die Geschäftsbanken mit ins Boot holen würde und an der bewährten Aufgabenverteilung in der Kundenansprache gerne nichts oder nur wenig verändern würde. tw

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