STRATEGIE21. November 2023

DORA und NIS-2 – kommt jetzt das Audit-Chaos?

Experte für DORA und NIS-2: Ingolf Rauh, Head of Product and Innovation Management bei Swisscom Trust Services will beide zusammen auditieren
Swisscom Trust Services

DORA und NIS-2 sollen die Cybersicherheit im Finanzsektor stärken. Doch das kann zu viel Bürokratie führen. Ingolf Rauh, Head of Product and Innovation Management bei Swisscom Trust Services, schlägt vor, Auditverfahren zu harmonisieren und Zuständigkeiten zusammenzuführen.

Cyberangriffe sind für Unternehmen aller Branchen eine elementare Gefahr. Im selben Takt der wachsenden Bedrohungslage erlässt die EU neue Verordnungen, Richtlinien und Regularien.

Für die Finanzwelt spannend sind aktuell vor allem DORA und NIS-2.”

Zwar helfen solche Vorgaben, die Resilienz zu stärken, allerdings erhoffen sich betroffene Parteien wie Banken und ihre Software-Zulieferer häufig mehr gegenseitige Absprachen zwischen den Parteien, die die verschiedenen Gesetze und Richtlinien ausarbeiten, beziehungsweise mehr Abstimmung zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten der europäischen Union.

Was unterscheidet die Rechtsvorschriften?

NIS2 (Network and Information Security 2) soll die Cybersecurity-Anforderungen für viele Bereiche der Grundversorgung und lebenswichtigen Infrastrukturen der EU harmonisieren. Sie stellt grobe Anforderungen, hohe Strafen bis auf Geschäftsleitungsebene, Meldungswege und Einrichtungen für die Cybersecurity in den Vordergrund. Sie ist eine Richtlinie, die bis Oktober 2024 in nationales Recht umzusetzen ist.

Jedes Land der EU kann diese Umsetzung allerdings anders realisieren, was multinationalen Unternehmen wie Banken häufig Probleme bereitet.”

Auch die Wettbewerbssituation kann dadurch in den verschiedenen EU-Ländern verzerrt werden.

Autor Ingolf Rauh, Swisscom Trust Services
Ingolf Rauh ist derzeit Head of Product and Innovation Management bei Swisscom Trust Services (Website), seit Januar 2022. Er hat umfassende Erfahrungen in der Führung von Produktmanagement und Innovation, mit einer besonderen Expertise in elektronischen Signatur- und Identitätslösungen. Rauh hat einen Abschluss als Diplom-Ingenieur in Elektrotechnik von der RWTH Aachen University (1984–1990) und ein Zertifikat in Management von der Lake Constance Business School (2000–2001). Seine Karriere umfasst über zwei Jahrzehnte in führenden Positionen bei Siemens und SwissSign AG, bevor er zu Swisscom Trust Services kam.
DORA (Digital Operational Resiliance Act) ist eine Verordnung, das heißt ein direkt gültiges, europäisches Gesetz und tritt 2025 in den Mitgliedsstaaten unmittelbar und unverändert in Kraft. Stellt NIS2 noch das Risikomanagement in den Vordergrund, konzentriert sich DORA mehr auf die Betriebsstabilität im Finanzsektor, sodass diese einem Cyberangriff standhalten kann und Finanzdienstleistungen weiter verfügbar sind. Die Ausgestaltung von Strafen wird hierbei den nationalen Behörden überlassen.

Beide Rechtsvorschriften setzen einen besonderen Schwerpunkt auf die Supply Chain. Software-Zulieferer müssen eng in das Risikomanagement und in die Betrachtung der Betriebsstabilität einbezogen werden. DORA legt hierbei Wert auf Pen-Tests und Sicherheitsüberprüfungen (alle drei Jahre), NIS2 erfordert zumindest in Deutschland alle zwei Jahre ein Sicherheitsaudit.

DORA und NIS-2: Zu viele Zuständigkeiten

Schwierig wird es dann wieder bei den Zuständigkeiten: Für NIS2 fällt die Prüfkompetenz in Deutschland auf das BSI bzw. die BaFin. Artikel 46 von DORA enthält eine ganze Reihe von Behörden, die darüber hinaus die Einhaltung der Regularien garantieren sollen – bestenfalls die EZB bzw. auch die BaFin.”

Für den Bereich der Vertrauensdienste erarbeitet das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (European Telecommunications Standards Institute; ETSI) gerade Anforderungen, die auch NIS2 mit enthalten, sodass bestenfalls das Auditschema und auch die Meldekette eines Vertrauensdienstes dieselben bleiben könnte.

Ein ähnliches Vorgehen wäre auch im Finanzsektor wünschenswert. Nichts verlangsamt die Maßnahmen gegen eine Cyberbedrohung mehr, als wenn Vorfälle im Dickicht der unterschiedlichen behördlichen Zuständigkeiten untergehen und Unternehmen ganze Meldeorganisationen aufrechterhalten müssen, um im Fall der Fälle aktiv zu werden. Die damit einhergehenden erhöhten Kosten für die geforderte Cyber-Resilienz werden Finanzinstitute und andere NIS2-Betroffene letztlich an ihre Kunden weitergeben müssen.

Eine Zusammenführung und Vereinfachung der Zuständigkeiten und Harmonisierung der Audits bzw. Zertifizierungen wäre also auch im Interesse der Verbraucher.”

Ingolf Rauh, Swisscom Trust Services

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