STRATEGIE26. September 2025

End-to-End-Tests im Versicherungsumfeld: “Warum Kohlenstoffeinheiten überflüssig werden“

Thomas Dröge, Testmanager der Brockhaus AG, präsentiert sich in formeller Kleidung. Der Hintergrund ist hell und modern gestaltet. Die Thematik der End-to-End-Tests wird durch seine Expertise im Versicherungsumfeld unterstrichen.
Thomas Dröge, Testmanager Brockhaus AG

End-to-End-Tests im Jahr 2025 – und wir reden immer noch über manuelle Abnahmetests mit Fachbereichen? Während Künstliche Intelligenzen längst in der Lage sind, komplexe Prozesse zu entwerfen, auszuführen und zu bewerten, halten viele Versicherer weiterhin an überholten Methoden fest. Seit V’Ger in Star Trek sind wir „Kohlen­stoff­einheiten“ – biologische Objekte, die im Vergleich zur Effizienz künstlicher Systeme inkonsistent und fehleranfällig erscheinen. Diese Sci-Fi-Metapher trifft heute auf viele reale Testprozesse zu: Menschen klicken sich durch Testfälle, beurteilen nach Bauchgefühl und dokumentieren in Excel – während KIs längst in der Lage sind, strukturierte, objektive und vollautomatisierte Qualitätsbewertungen vorzunehmen.

von Thomas Dröge, Brockhaus AG

Künstliche Intelligenz (KI) hat die Versicherungsbranche längst infiltriert – beim Schadenmanagement, in Chatbots und zunehmend sogar bei der Vertragsanbahnung. Doch sobald es um Qualitätssicherung und Tests geht, hält sich hartnäckig ein seltsam romantisiertes Bild vom „Fachbereich als Qualitätswächter“. Gerade bei End-to-End-Tests – also jenen Szenarien, die die komplette Prozesskette von Angebot bis Schaden durchspielen – wird der Fachbereich noch gefeiert wie ein Rockstar in den 90er-Jahren.

Wir brauchen keine Kohlenstoffeinheiten mehr

Die Inszenierung des Fachbereichs als ritualisierte Instanz in End-to-End-Tests ist überholt. Die Realität? Fachbereiche sind überlastet, besitzen nicht immer technisches Verständnis für Systemzusammenhänge und stützen sich auf „gefühlte” Erfahrungen. Die Konsequenz: subjektive Testbewertungen, eine lückenhafte Testabdeckung – und ein Testbericht, der mehr Bauchgefühl als Evidenz enthält.

Doch warum all das aufrechterhalten, wenn es heute längst KI gibt, die…

  • Testfälle automatisch generiert, basierend auf Business Rules, historischen Daten und Prozessmodellen,
  • Testdaten synthetisiert, kontextsensitiv und DSGVO-konform,
  • Tests autonom ausführt und bewertet, inkl. Vergleich von Soll-/Ist-Prozessverhalten,
  • die Abdeckung lückenlos analysiert, ohne „blinde Flecken“ und Bauchgefühl,
  • und sofort rückmeldet, ob und wie die Software versicherertauglich agiert.

Shift-Right ≠ Monitoring

Autor: Thomas Dröge, Brockhaus AG
Thomas Dröge, Testmanager Brockhaus AG

Thomas Dröge ist seit über 20 Jahren in der IT-Branche tätig und berät als Testmanager Konzerne beim Aufbau intelligenter Testarchitekturen. Testing ist für ihn kein Selbstzweck, sondern Mittel zur Geschäftsrisikominimierung. Sein IT-Quereinstieg begann nach seiner Promotion im Umfeld der Expertensysteme 1995 mit dem Eintritt als Programmierer und Datenbankadministrator in eine Non-Profit-Gesellschaft. 2000 wechselte er in den IBM-Konzern und war bis 2016 in diversen IBM-Gesellschaften als Tester und Testmanager für Konzerne in den Branchen Automobilbau, Aviation, Handel und Telekommunikation tätig. Seit 2016 arbeitet Thomas Dröge als Testmanager bei der Brockhaus AG ausschließlich in der Versicherungsbranche.

Natürlich ist „Shift-Right“ gerade das Schlagwort in IT-Kreisen – die Verlagerung von Tests in den Betrieb, also „testen, während der Kunde lebt“. A/B-Tests, Canary-Releases, Feature-Toggles – das Ganze gerne getarnt als moderne DevOps-Kultur. Und ja, Monitoring und Logging liefern wertvolle Insights, aber:

„Shift-Right“ ist kein Test-Ersatz, sondern ein Symptom-Tracker.”

Wenn ein End-to-End-Prozess hakt, erkennt das Logging vielleicht den Schmerzpunkt, aber nicht die Ursache. Fehler sind dann bereits produktiv – mit allen Konsequenzen: entgangene Prämien, fehlerhafte Policen, Reputationsrisiken. Eine echte Qualitätsstrategie sieht anders aus.

KI kann hier ansetzen und eine Brücke schlagen – zwischen klassischem End-to-End-Test und Shift-Right-Beobachtung. KI simuliert das Kundenverhalten, bewertet Systemreaktionen vor dem Go-live und ergänzt diese mit operativen Daten aus dem Betrieb. So wird aus Tests eine integrierte Qualitätsschleife.

Goodbye, Fachabnahme – hello, KI-gesteuerte Validierung

Noch wird oft argumentiert: „Aber der Fachbereich muss doch sagen, ob alles richtig ist.“ Wirklich?

  • Ist der Fachbereich in der Lage, alle Vertragslogiken, Risikoprüfungen, Tarifkombinationen und Plausibilitäten konsequent zu prüfen?
  • Wie häufig wird „aus dem Bauch heraus“ akzeptiert oder abgelehnt?
  • Werden wirklich alle Versionen, Umstiege und Edge-Cases durchdacht?

KI übernimmt längst diesen Job

Eine trainierte Test-KI mit versicherungsspezifischen Regeln, angereichert durch Business Decision Models (z. B. DMN) und Produktportfolios, kann die Bewertung der Testergebnisse objektiver, schneller und umfassender durchführen als eine Prüfung durch einen Sachbearbeiter – erst recht wenn es nach Feierabend erledigt werden muss. Das ist keine Science-Fiction, das ist heute machbar.

Die CI/CD-Pipeline braucht keine Menschen am Ende der Kette

Der End-to-End-Test ist nicht das „Test-Ende“ – sondern ein integraler Bestandteil kontinuierlicher Qualitätssicherung.

Continuous Testing verlangt nach Geschwindigkeit, Skalierung und Wiederholbarkeit – und genau hier glänzt die Automatisierung, unterstützt durch KI.”

Bauen wir eine neue End-to-End-Teststrategie in der Versicherung, dann beachten wir folgende Punkte:

  • Autonome Testplanung:Planung auf Basis von Änderungen im Code, den betroffenen Business-Funktionen und historischen Fehlermustern
  • KI-generierte Testfälle:Ableitung aus BPMN-Modellen, Policen-Designs, Risikokategorien
  • Data Synthesis on Demand:Erstellung DSGVO-konformer, variantenreicher Testdaten in Sekunden
  • Bewertung mit AI-Oracle:KI-Entscheidung über Konformität mit Geschäftsregeln, SLA-Verhalten und Risiko-Grenzen
  • Operational Feedback Loop:Feedback anonymisierter Live-Daten  ins Testmodell

Fazit: Wer testet, verliert. Wer trainiert, gewinnt.

Wir müssen aufhören zu testen wie vor 15 Jahren – manuell, instabil, mit Menschen, die eigentlich anderes tun sollten.

Die Qualität unserer Versicherungssoftware hängt davon ab, ob wir bereit sind, den Testprozess komplett zu entrümpeln – zu automatisieren, zu virtualisieren, zu KI-fizieren.”

Thomas Dröge, Brockhaus AG

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