STRATEGIE25. September 2025

Kann- und die Soll-Perspektive der EUDI Wallet: Banken müssen eIDAS2, PSR und PSD3 verheiraten (DSGV)

Schwerpunkt: Zahlungsverkehr & EU-ID
Oliver Lauer, Chief Digital Officer der Stabstelle Digitallabor des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands e.V. (DSGV), steht lächelnd an einem Baum. Die Umgebung ist von herbstlichen Blättern geprägt, was eine entspannte Atmosphäre vermittelt.
Oliver Lauer, Chief Digital Officer, Stabstelle Digitallabor, Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V.DSGV

Oliver Lauer ist derzeit Leiter von digitallabor.berlin sowie Chief Digital Officer des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Mit über 35 Jahren Erfahrung in der Banken- und Versicherungsbranche hat er verschiedene Rollen als Entwickler, Manager, Architekt und Impulsgeber übernommen – und sich natürlich auch mit Zukunftsthemen wie der EU Digital Identity Wallet und dem Digitalen Euro befasst. Im Interview spricht er unter anderem über die gesellschaftspolitische Komponente dieser zwei Themen.

von Dunja Koelwel

Herr Lauer, die EU Digital Identity Wallet umfasst die folgenden fünf Kernfunktionen: Dokumentenspeicher, Identifizierungsfunktion – Durchführung der geldwäscherechtlichen Identifizierung. Welcher Bereich ist für Sie am relevantesten?

Ich möchte die unterschiedlichen Bereiche nicht so klar voneinander trennen, denn das Interessante ist ja, dass die Wallet das Portemonnaie komplett ablösen kann: Eine App, in der ich alles speichere, das ist ein synergetischer Ansatz: Kombination von Funktionalitäten in einer Transaktion aus einer einzigen Wallet. In der Wallet finden sich dann Personalausweis, Führerschein, die Karte des Fitnesscenters, Versicherungsdokumente und so weiter.

Hier muss ich zwischen zwei Perspektiven für uns als Sparkasse unterscheiden. Die Kann- und die Soll-Perspektive.”

Das, was wir mit der neuen Wallet machen können und was wir per eiDAS 2-Gesetz können müssen. Aus dieser “Kann-Perspektive” kann ich sagen: Die Wallet-Vision ist sehr verlockend und beeindruckend. Im Grunde könnte man sich vorstellen, dass beispieksweise der Prozess der Autovermietung erheblich vereinfacht wird. Stellen Sie sich vor, Sie betreten die Vermietstation und scannen einfach Ihr Smartphone. Die gesamte Abwicklung, von der Reservierung bis zur Bezahlung, könnte dann digital erfolgen. Mit nur einem „Tap“ auf Ihrem Gerät wäre die gesamte Buchung abgewickelt. Gleichzeitig könnten die notwendigen Dokumente, wie Ihr Führerschein, ebenfalls digital hinterlegt und verifiziert werden.

Dieses Konzept ähnelt stark den Funktionalitäten von Super-Apps wie WeChat in China, die eine Vielzahl von Diensten in einer einzigen Anwendung bündeln.”

Oliver Lauer, Chief Digital Officer, DSGV
Oliver Lauer sieht die EUDI Wallet als Chance für Europa.Oliver Lauer ist derzeit Leiter von digitallabor.berlin (Website) sowie Chief Digital Officer des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Mit über 35 Jahren Erfahrung in der Banken- und Versicherungsbranche hat er verschiedene Rollen als Entwickler, Manager, Architekt und Impulsgeber übernommen,

Der entscheidende Unterschied und Vorteil in Europa wäre jedoch, dass ein solches System nicht in einem regulierungsfreien Raum operieren würde. Vielmehr wäre es fest in den rechtlichen Rahmen des europäischen Gesetzgebers eingebettet. Das bedeutet, dass Datenschutz, Verbraucherrechte und finanzielle Transparenz durch bestehende EU-Verordnungen und -Richtlinien gewährleistet wären, was ein hohes Maß an Sicherheit und Vertrauen für die Nutzer schaffen würde.

Und die “Soll-Perspektive”?

In Bezug auf die angestrebte Soll-Perspektive bestehen hinsichtlich der Aspekte Sicherheit und Regulatorik noch offene Fragen, insbesondere im Hinblick auf die Authentifizierung. Gemäß eIDAS2 sind wir verpflichtet, die EUDI Wallet zu akzeptieren. Um dies jedoch umsetzen zu können, bedarf es aus meiner Sicht noch der Anpassung relevanter Standards für die Wallet sowie der Regulatorik, wie beispielsweise im Falle von PSR. Selbstverständlich engagieren wir uns intensiv für den Aufbau eines europäischen Vertrauensnetzwerks.“

Denn die Wallet ist eine unglaubliche Chance für die digitale Inklusion: Sie ist allen Bürgern in Europa zugänglich, funktioniert on- und offline, erlaubt auch älteren Menschen eine Teilhabe am digitalen Bezahlen und vieles mehr.

Es wird jedoch, wie üblich, Fraktionen geben, die dies befürworten, und solche, denen dies Sorgen bereitet. Letztlich bleibt die Frage, wie die Infrastruktur gehandhabt werden kann, wobei die Nutzung der Wallet für die Menschen in Europa freiwillig ist, was positiv zu bewerten ist.

Um insbesondere ältere Menschen einzubeziehen, ist es unerlässlich, Vertrauen aufzubauen und die Funktionsweise der Wallet detailliert zu erklären.”

Ein gemeinsames Durchgehen der einzelnen Funktionen könnte dabei hilfreich sein. Banken und Sparkassen in ihren Filialen spielen hier eine wichtige Rolle, um mögliche Berührungsängste abzubauen.

Was ist aus Ihrer Sicht noch konkret nachzubessern?

ibi-Zahlungsverkehrsforum 2025
Oliver Lauer spricht zu diesem Thema auf dem Zahlungsverkehrsforum am 04. und 05.12.2025 in Frankfurt. Leser des IT Finanzmagazin erhalten exklusiv Tickets mit 10 % Preisnachlass. Ticketcode: ITF-ZV-10%
Ein wichtiger Punkt betrifft die Abstimmung von eIDAS2 mit den Regeln für den Zahlungsverkehr. eIDAS2 ist eine europäische Verordnung, die keine nationale Umsetzung mehr braucht. Damit die Wallet im Bereich Payment funktioniert, muss sie aber auch zu den bestehenden Vorschriften passen – insbesondere zur neuen Payment Services Regulation (PSR) und zur aktualisierten Payment Services Directive (PSD3).

Wenn hier Lücken oder Risiken bestehen, werden private Anbieter im Umfeld von starker Kundenauthentifizierung (SCA) und Payment kaum einsteigen. Technisch und datensparsam ist die Wallet machbar – aber solange die regulatorischen Standards nicht klar und synchronisiert sind, bleibt das Ganze ein theoretisches Vorhaben.

Und was ist aus Ihrer Sicht dazu notwendig?

Es braucht präzise Vorgaben und realistische Rahmenbedingungen, damit Banken und Wallet-Betreiber ohne überhöhte Risiken arbeiten können. Erst wenn die vertikalen Gesetze für den Zahlungsverkehr mit der horizontalen eIDAS-Regulierung zusammenspielen, wird die Wallet praxistauglich – auch mit Blick auf den digitalen Euro.

Auf dem ibi ZVF, einer der wichtigsten Veranstaltungen zum Zahlungsverkehr, sprechen Sie im Dezember über „EUDI-Wallet & Wero: Bausteine für ein souveränes Europa“. Welche Kernpunkte möchten Sie den Teilnehmern nahebringen?

Selbstverständlich vertrete ich hier die Interessen des DSGV. Dennoch möchte ich einen Appell richten, der meines Erachtens für alle relevant ist:

Die EUDI Wallet stellt eine immense Chance dar, in Europa etwas Neues und bisher Unverwirklichtes zu schaffen – ein Instrument, das Innovationen und somit Wachstum fördern kann. Sie bietet eine zweite Möglichkeit, ein unabhängigeres digitales Europa zu etablieren.”

Diese Initiative ist von entscheidender Bedeutung, da sie das Potenzial hat, die digitale Souveränität Europas nachhaltig zu stärken. In einer Welt, die zunehmend von wenigen großen digitalen Plattformen dominiert wird, ermöglicht die EUDI Wallet, die Kontrolle über digitale Identitäten und persönliche Daten in europäischer Hand zu behalten. Dies ist nicht nur aus Gründen des Datenschutzes wichtig, sondern auch, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft europäischer Unternehmen zu sichern.

Die EUDI Wallet kann als Basis für eine Vielzahl neuer digitaler Dienste dienen, von sicheren Online-Transaktionen über den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen bis hin zu innovativen Anwendungen im Bereich des Smart Living oder der Mobilität. Sie könnte die Fragmentierung digitaler Identitäten überwinden und ein nahtloses, grenzüberschreitendes digitales Erlebnis für Bürger und Unternehmen schaffen.

Um dieses Potenzial voll ausschöpfen zu können, ist es jedoch unerlässlich, dass die EUDI Wallet benutzerfreundlich, sicher und interoperabel gestaltet wird. Es bedarf einer engen Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Technologieunternehmen, Finanzinstituten und anderen relevanten Akteuren, um ein robustes und vertrauenswürdiges Ökosystem aufzubauen. Nur so kann die EUDI Wallet zu einem echten Game Changer für die digitale Zukunft Europas werden und als Modell für andere Regionen der Welt dienen. Es geht darum, nicht nur eine technische Lösung zu implementieren, sondern eine Vision für ein offenes, sicheres und innovatives digitales Europa zu verwirklichen.

Und nicht zuletzt: Wer würde sich in diesem Kontext besser einfügen, besser dazu passen als Wero? Wero und die EUDI Wallet sind wie Zwillinge, die sich perfekt ergänzen und hervorragend zusammenpassen.

Herr Lauer, vielen Dank für das Interview.dk

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert