STRATEGIE21. Oktober 2025

Kollaboration statt Silos – Data‑Sharing gegen Betrug und Geldwäsche

Schwerpunkt: Datenschutz & Datensicherheit
Patrick Töniges, Co-Founder und Geschäftsführer, spotixx spotixx

Wir leben in einer Betrug-Epidemie – so nennt es selbst die Europäische Zentralbank. Digitale Bezahlwege, Instant Payments und KI-gestützte Social-Engineering-Methoden schaffen perfekte Bedingungen für Kriminelle. Täuschend echte Berater, Love-Scams und Cybererpressungen werden global orchestriert.

von Patrick Töniges, Co-Founder und Geschäftsführer, spotixx

Täter können „Crime as a Service“ buchen und sich über das Darknet ein Netzwerk aus Kontaktdienstleistern in Fernost, Money-Mule-Konten aus Zentralafrika, Fake-Kryptoplattformen aus Russland und Strohmänner im Balkan aufbauen. Betrug und Geldwäsche sind dabei zwei Seiten derselben Medaille. Die zunehmende weltweite Vernetzung, technologische Innovation und Vielfalt der Angriffswege verschärfen die Problemlage zusätzlich. Am Ende verschwindet das Geld der gutgläubigen Opfer in komplexen Netzwerken, irgendwo zwischen Offshore-Konten und Kryptowallets.

Herausforderungen für Finanzinstitute und Ermittlungsbehörden

Die Fragmentierung der Informationslagen stellt Ermittlungsbehörden und Finanzinstitute gleichermaßen vor große Probleme beim Betrug. So ist es für Ermittlungsbehörden nahezu unmöglich, den Überblick zu behalten. Auch Finanzinstitute kämpfen mit isolierten Informationsinseln, denn jede Bank hat eigene Systeme zur Betrugserkennung, eigene Datenmodelle, eigene Blocklists und das alles natürlich nur auf den eigenen Daten.

Was fehlt: Der Blick für das große Ganze: die Möglichkeit, verdächtige Transaktionen und daraus resultierende Netzwerke institutionenübergreifend zu erkennen.”

Zusammenarbeit ist der Schlüssel

Wenn Finanzinstitute Daten zu verdächtigen Transaktionen oder auffälligen Kontoverbindungen gemeinsam auswerten könnten, ließen sich Netzwerke und Betrugsmuster erkennen, die heute im Dunkeln bleiben. Etwa wenn ein Konto, das bei einer Bank bereits als betrugsverdächtig gilt, plötzlich von einer anderen Bank neue Gelder empfängt. Oder wenn eine Person in kurzer Zeit mehrere Konten bei unterschiedlichen Instituten eröffnet. Solche Verknüpfungen sind im Einzelsystem unsichtbar, im Netzwerk aber klar erkennbar.

Noch braucht diese Arbeit sehr viel Zeit und Ressourceneinsatz, die technischen Lösungen, die eingesetzt werden, sind nicht auf dem aktuellen Stand der Technik: Betrugsbearbeiter müssen die Kontakte zu anderen Instituten manuell pflegen und tun dies per Telefon oder E-Mail. Das ist fehleranfällig, kostet Zeit und ist sehr kleinteilig und mühsam.

Datenschutz als Herausforderung – und als Voraussetzung

Natürlich sind Finanztransaktionsdaten hochsensible Daten. Diese einfach wie Fotos etwa per Messenger zu teilen wäre gefährlich und unprofessionell. Der Datenschutz ist an dieser Stelle also essenziell. Richtig angewendet ist er aber kein Hindernis, sondern eine Designvorgabe: function before form.

In diesem Fall bedeutet es, dass Daten verschlüsselt und dezentral verarbeitet werden müssen. Rohdaten bleiben immer beim Eigentümer der Daten und werden nicht geteilt. Gemeinsame Erkenntnisse werden aus der dezentralen Verarbeitung von verschlüsselten Daten gewonnen. Moderne Verfahren wie Secure Multi-Party Computation ermöglichen genau das: Jeder Teilnehmer behält die Kontrolle über seine Daten, und doch entsteht ein gemeinsames Lagebild. Dabei ermöglicht nur ein erhärteter Verdacht die Anforderung weiterer Datensätze, die größere Zusammenhänge offenlegen.

Lehren aus anderen Projekten

Autor Patrick Töniges, spotixx
Patrick Töniges setzt auf Data-Sharing gegen Betrug.Patrick Töniges ist Co-Founder und Geschäftsführer von spotixx (Webseite), einem B2B-Fintech aus Frankfurt am Main. Der Volljurist bringt über 15 Jahre internationale Erfahrung in den Bereichen Bekämpfung von Finanzkriminalität und RegTech mit – unter anderem in Führungspositionen mit Stationen in Deutschland und Japan. Patrick engagiert sich in der Cultural-Diversity-Community 2hearts.

Es gab bereits vereinzelt Initiativen in Ländern innerhalb Europas und darüber hinaus, genau diese Prinzipien umzusetzen. Einige davon, so zum Beispiel in unserem Nachbarland Niederlande, wurden aber wegen rechtlicher und organisatorischer Hürden wieder eingestellt. Andere scheiterten schlichtweg am fehlenden Kooperationswillen der beteiligten Unternehmen.

Der nächste Schritt: sichere, dezentrale Plattformen

Die Zukunft liegt in Plattformen, die Kooperation technisch erzwingen und gleichzeitig Datenschutz garantieren: Systeme, in denen Daten verschlüsselt bleiben, während Muster in Echtzeit erkannt werden. Die beteiligten Banken sehen nur Ergebnisse, keine Kundendetails. So entsteht eine gemeinsame Intelligenz gegen Betrug, ohne das Grundrecht auf Datenschutz zu verletzen.

Ein solches Modell entlastet Ermittlungsbehörden, vor allem wenn konkrete Fälle lückenlos digital dokumentiert und transparent nachvollziehbar geliefert werden. Das beschleunigt den Informationsfluss und damit die Chance, Kriminelle schneller zu fassen. Und zwar dort, wo sie heute noch geschützt sind: in den Lücken zwischen einzelnen Finanzsystemakteuren.

Kollaboration kickt Kriminalität

Wer Finanzkriminalität wirksam bekämpfen will, braucht Vernetzung – technisch, organisatorisch und kulturell.”

Der Wettlauf zwischen Banken und Betrügern entscheidet sich nicht mehr allein über bessere Modelle oder strengere Regeln, sondern über gemeinsame genutzte Datenintelligenz. Die Kriminellen haben sie längst. Es wird Zeit, dass die Finanzwelt nachzieht.Patrick Töniges, spotixx/dk

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