STRATEGIE9. Dezember 2025

Minuten statt Tage: Wie PayTechs Banken mit KI-Onboarding technisch vorführen

Schwerpunkt: Digitale Filiale/KI im Kreditgeschäft
Die Integration moderner Technologien wie Echtzeit-Datenanalyse oder KI-gestützte Beratung bleibt dadurch schwierig.
Judith Petersen, Head of Payments, Capgemini Invent Deutschland Capgemini

Viele Banken sehen sich als digital gut aufgestellt – aber nur ein Viertel der Kunden (26 %) sieht das genauso. Jeder zweite Kunde (47 %) bricht gar den Onboarding-Prozess ab – zu kompliziert, sagt der World Retail Banking Report 2025 von Capgemini. Ineffizienzen bei Banken entstehen vor allem durch fehlende Automatisierung und veraltete Strukturen. Der Onboarding-Prozess ist unter anderem geprägt von manuellen KYC- und Identitätsprüfungen und langsamer Kreditrisiko-Bewertung. Diese Prozesse laufen häufig auf fragmentierten, legacy-basierten Plattformen mit langen Durchlaufzeiten und geringer Flexibilität. Die Integration moderner Technologien wie Echtzeit-Datenanalyse oder KI-gestützte Beratung bleibt dadurch schwierig.

von Judith Petersen, Head of Payments, Capgemini Invent Deutschland

PayTechs setzen hier neue Standards: Sie sind cloud-native und API-getrieben, integrieren Services direkt in Händler-Workflows und fokussieren sich auf Geschwindigkeit, datenbasierte Personalisierung und Value Added Services (VAS) – wie etwa Unzer: Das Unternehmen bietet eine modulare Plattform, die nahtlos Shop-Systeme integriert, unterstützt Omnichannel-Zahlungen und ergänzt klassische Payment-Funktionen um Services wie Betrugsprävention und Chargebacks. Dies ermöglicht Händlern, Trends und Umsatzpotenziale zu erkennen. Banken hingegen haben erheblichen Nachholbedarf: Nur jede fünfte Bank bietet personalisierte Services, so der World Payments Report 2026.

Obwohl 86 Prozent der Führungskräfte auf Vorstandsebene Omnichannel-Erlebnisse priorisieren wollen, fehlt es an End-to-End-Strategien, so der World Retail Banking Report 2025. Das Delta zwischen Anspruch und Realität ist groß.

Die Schlüsseltechnologien: KI und Daten

KI und datenbasierte Insights sind die Schlüsseltechnologien für die nächste Evolutionsstufe. Sie verkürzen Onboarding-Prozesse von Tagen auf Minuten – ein Benchmark, den PayTechs laut World Payments Report 2026 bereits setzen – und schaffen die Basis für hochgradig personalisierte Value Added Services (VAS).

Entscheidend sind kurze Innovationszyklen, agile Entscheidungsprozesse und die konsequente Umsetzung digitaler Lösungen.”

Banken, die digitales Onboarding optimieren, moderne Plattformen integrieren und datengetriebene Entscheidungen in Echtzeit ermöglichen, schaffen die Basis für Wachstum. Ergänzt durch branchenspezifische Service-Bundles und starke Ökosystempartnerschaften entsteht ein strategischer Vorteil, der über die Zukunftsfähigkeit entscheidet. Daten sind dabei der zentrale Hebel – auch als Treiber für neue Geschäftsmodelle und personalisierte Kundenerlebnisse.

Einen entscheidenden Vorteil haben Banken aber noch: Vertrauen und Daten. Zwei Drittel der Händler (66 %) bevorzugen laut World Payments Report 2026 Banken für Finanzservices.

Vertrauen ist ein starkes Alleinstellungsmerkmal, sowohl bei Firmen- als auch Privatkunden.”

Mittelständler setzen bei der Finanzierung eines neuen Standorts auf die persönliche Beratung ihrer Bank, die ihre Historie kennt und Risiken realistisch einschätzen kann. Privatkunden vertrauen bei komplexen Entscheidungen wie Geldanlage oder Immobilienfinanzierung dem langjährigen Bankberater, den sie schon vom Golfplatz kennen.

Autor Judith Petersen, Capgemini Invent Deutschland
Judith Petersen ist Head of Payments bei Capgemini Invent in Deutschland (Website). Sie berät Banken, Zahlungsdienstleister und Händler zu digitalen Strategien, Innovationen und regulatorischer Transformation. Mit über 15 Jahren Erfahrung im Bereich Financial Services – davon viele Jahre im internationalen Umfeld – verantwortete sie die strategische Leitung von Transformationsprojekten im Zahlungsverkehr sowie die Steuerung komplexer IT-Migrationen und Großprogramme. Ihre Schwerpunkte liegen in Governance, Performance Management und der digitalen Transformation im Zahlungsverkehr.

KI eröffnet darüber hinaus erhebliche Potenziale für Hyper-Personalisierung und Effizienz. Sie kann die Produktivität im Kundensupport um bis zu 45 Prozent steigern und gleichzeitig die Kosten um 50 Prozent senken, so der World Cloud Report – Financial Services 2026. Im Zahlungsverkehr ermöglicht sie dynamische Gebührenmodelle, die sich in Echtzeit an Wechselkurse und Kundenstatus anpassen – so wissen Nutzer sofort, was eine Transaktion kostet.

Ebenso unterstützt KI bei der Liquiditätsplanung, etwa wenn junge Menschen ihre erste Wohnung beziehen. Sie analysiert das Budget und gibt Tipps, damit am Monatsende genug übrigbleibt. Und sie schützt: KI erkennt ungewöhnliche Transaktionen blitzschnell und warnt den Kunden, bevor Schaden entsteht. Gleichzeitig sorgt sie für persönliche Angebote – etwa den passenden Kredit für größere Ausgaben. So wird Banking sicherer, spürbar individueller und komfortabler. Dennoch erwarten Kunden Transparenz und menschliche Kontrolle.

Erfolgreiche Institute setzen daher auf hybride Modelle: Die ING hat mit „Contact Center 2.0“ eine Plattform eingeführt, die KI-gestützte Automatisierung mit persönlicher Beratung kombiniert. Routineanfragen werden durch Conversational AI und generative KI effizient gelöst, während komplexe Fälle an erfahrene Berater weitergeleitet werden. Das Ergebnis: deutlich weniger Weiterleitungen, höhere Kundenzufriedenheit und ein Service, der Geschwindigkeit und Nähe vereint. Dieses Modell zeigt, wie KI und menschliche Expertise erfolgreich zusammenspielen – und liefert wertvolle Impulse für Banken, die ihre Kundenbeziehungen zukunftsfähig gestalten wollen.

Erfolgsformel für Banken: KI, Daten, Vertrauen

Banken sprechen viel über digitale Exzellenz, doch in der Beratung zeigt sich ein anderes Bild: Prozesse sind oft fragmentiert, kanalübergreifend nicht konsistent und die Integration von Daten und KI bleibt punktuell. Das führt zu einem Widerspruch zwischen Selbstwahrnehmung und tatsächlicher Kundenerfahrung.

Digitale Souveränität bedeutet nicht nur Technologie einzusetzen, sondern dabei die Hoheit über Daten und Kundenschnittstellen zu behalten. Viele Institute unterschätzen, wie stark sich die Kunden verändert haben: Sie erwarten heute proaktive, personalisierte Empfehlungen statt digitaler Broschüren oder statischer Produktinformationen.

Die Kundenschnittstelle ist kein Kanal, sondern das Spielfeld der Zukunft. Wer hier handelt, bestimmt den Kurs – statt sich treiben zu lassen.Judith Petersen/dk

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