STRATEGIE8. November 2021

„BNPL-Anbieter können auf preiswertere Ab­wick­lungs­me­tho­den – etwa Konto zu Konto – abzielen“

BNPL steht für Buy Now Pay Later - eine Art bequemer Ratenkredit
AndreyPopov/bigstock.com

Bislang dominieren die US-Kredit­karten­riesen weite Teile des Zahlungsverkehrs. Die Verflechtungen zwischen Geldinstituten, Abwicklern und Händlern wirken wie stabile Festungen zur Absicherung des Geschäftsmodells. Selbst der Trend hin zu Wallets, wie etwa von Apple oder Google, erfordert die Kooperation mit Kreditkartenanbietern. Kurzum: Noch sind die Netzwerke von Mastercard, Visa und Co. für weltweite Zahlungsabwicklungen kaum wegzudenken. Der Trend „Buy now pay later“ ( BNPL ) könnte jedoch an der Hegemonie der Etablierten rütteln.

von François Baumgartner

 Zuletzt machte der Shootingstar Square mit der Übernahme vom BNPL-Anbieter Afterpay Schlagzeilen. Auch das schwedische FinTech Klarna setzt seinen Expansionskurs weiterhin fort. Im Zentrum steht dabei die gebührenlose Ratenzahlung. Diese stellt für Endverbraucher eine attraktive Alternative zum teuren Ratenkreditgeschäft der etablierten Wettbewerber dar. Gerade die großen FinTechs setzen im Kampf um die aggregierende holistische Finanz-App von morgen auf den Trend „Buy now pay later“.

Bernd Richter, Payment-Experte bei FIS
Capco

Informatiker Bernd Richter (Payment-Experte bei FIS) im Interview zu den Umwälzungen und den „jungen Wilden“ im Zahlungsverkehr, zu BNPL-Geschäftsmodellen und State of the Art Innovationen im Kreditkartengeschäft.

Herr Richter, warum ist “Buy now pay later” (BNPL) der letzte Schrei und weshalb sind diese Zahlungsnetzwerke eine Bedrohung für Kreditkartenanbieter und traditionelle Geldinstitute?

Buy now pay later (BNPL) hat in den letzten zehn Jahren dramatisch an Bedeutung gewonnen und war zweifellos ein Trendthema des Jahres 2021 im Bereich des Zahlungsverkehrs. BNPL-Anbieter stellen eine Alternative zu den bekannten Bezahllösungen mit Karten beim Checkout-Prozess dar. Gerade im E-Commerce sind die Wachstumsraten stattlich.

Gelingt es den großen FinTech-Spielern, neben der E-Commerce-Offensive auch einen erheblichen Anteil der Zahlungen an der klassischen Ladenkasse zu ergattern, könnte auch der Burggraben der etablierten Spieler bröckeln.

BNPL-Anbieter können auf preiswertere Abwicklungsmethoden – etwa Konto zu Konto – abzielen: Also weg von den gängigen Karten und den damit hohen Interchange- und Scheme-Kosten, hin zu rein digitalen Lösungen. Dank BNPL steht die dazu notwendige Infrastruktur bereits zur Verfügung.

Was heißt das für traditionelle Wettbewerber? 

Der Erfolg von BNPL-Anbietern zeigt deutlich, dass Banken – aber auch klassische Player im Bereich Verbraucherkredite – auf diese Nachfrage und das sich wandelnde Nutzerverhalten reagieren müssen.

Der klassische Verbraucherkredit ist kaum noch zeitgemäß, die Aspekte Kosten, Preistransparenz aber auch Komfort und Bequemlichkeit stehen stärker denn je im Fokus der Kunden. Agile Player wie FinTech-Herausforderer Klarna kombinieren diese Features hervorragend und erzeugen damit eine neue Erlebniswelt. Sie gehören für Shoppingfans schon längst zur festen Adresse.

Eine passende und nutzerfreundliche Bezahloption ist für die Anwender stets nur ein paar Klicks entfernt. Für die Hausbank besteht das Risiko, im Ringen mit FinTech-Rivalen weiter verdrängt zu werden. So manche Bank wird möglicherweise wieder in das vor Jahren verkaufte Zahlungsakzeptanzgeschäft – auch Merchant Acquiring genannt – erneut einsteigen, um es dann in Kombination mit BNPL ihren Händlern anzubieten. Das alles in der Hoffnung, um ausreichend Kompensation für mögliche Verluste im Bereich Interchange oder Konsumentenkredit zu schaffen.

Welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang bislang die PSD2?

BNPL-Anbieter, die in Europa und Großbritannien unterwegs sind, nutzen bereits preiswertere Abwicklungsmethoden, wie beispielsweise Konto-zu-Konto-Zahlungen – aber meist mit Aufforderung an den Kunden, auf das Konto des BNPL-Anbieters zu überweisen. In der Regel also manuell durch den Verbraucher. Das Interesse, eine automatische, zeitlich terminierte PSD2-Zahlungsauslösung durch den BNPL-Anbieter durchzuführen, würde dem eigentlichen Geschäftsziel widersprechen, da ja Zahlungen seitens des Verbrauchers verspätet erfolgen sollten und damit BNPL-Gebühren erhoben werden können.

Es könnten zukünftig Verbrauchern trotzdem neue BNPL-Zahloptionen angeboten werden mit festen Zahlungszielen und Kosten, die dann auch über PSD2 unterstützt vom Verbraucherkonto an das BNPL-Zahlkonto überwiesen würden. Technisch wäre das alles möglich.

Im Interview: Bernd Richter, FIS

Bernd Richter, FIS

Bernd Richter ist Payment-Experte beim IT- und Dienstleistungsunternehmen Fidelity Information Services (FIS) in Frank­furt am Main. Der In­for­ma­ti­ker ver­fügt über fun­dier­te Er­fah­rungs­wer­te und Ex­per­ti­se in den Be­rei­chen mo­bi­ler und di­gi­ta­ler Zah­lungs­ver­kehr so­wie PS­D2 mit Schwer­punkt auf das Fir­men- und Pri­vat­kun­den­ge­schäft, Stra­te­gie, glo­ba­le Over­lays und Markt­dienst­leis­ter. Zu sei­ner Fach­ex­per­ti­se zählt eben­so die Ent­wick­lung und In­no­va­ti­on von PS­D2-Ge­schäfts­mo­del­len. Zu­vor war Rich­ter un­ter an­de­rem Part­ner bei Cap­co und Ma­na­ging Con­sul­tant bei Capgemini.

Womit verdienen BNPL-Anbieter also Geld und inwieweit unterscheidet sich das Geschäftsmodell im Hinblick auf Visa, Mastercard & Co.? 

Die etablierten Kartenanbieter verdienen an der Abwicklung der Transaktionen, welche über ihre Netzwerke abgerechnet werden. Ein Kreditrisiko tragen Visa und Mastercard als reine Abwickler nicht. Die Umsätze werden bei den Händlern generiert, da sie die Transaktionskosten tragen. Bei BNPL erfolgt die Bezahlung idealerweise mittels „Konto-zu-Konto-Zahlung“ – bei Klarna etwa, wenn die Funktion beim Händler hinterlegt ist. Mastercard, Visa und die jeweils kartenherausgebende Bank könnten dabei außen vor bleiben. Nehmen Kunden BNPL-Angebote in Anspruch, können für sie Gebühren anfallen.

Player wie Klarna versuchen ferner, sich als Marktplatz aufzustellen: Sie bieten Händlern eine digitale Präsenz und erschließen darüber Umsätze. Frei von Kritik sind BNPL-Lösungen freilich auch nicht. Für die Kredite ist etwa kein Schufa-Rating erforderlich. Die ,finanzielle Gesundheit von Verbrauchern steht hier sicherlich nicht im Fokus!

PayPal ist der Urvater dieser Bezahlmethode. Wie funktioniert BNPL heute technisch und welche Vorteile haben Händler und Endkunden dadurch?

BNPL-Anbieter arbeiten mit Einzelhändlern zusammen, um Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, einen Kredit im Voraus zu erhalten, der zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden kann. Das heißt entweder durch eine aufgeschobene Zahlung in voller Höhe oder durch eine Aufteilung der Zahlung auf mehrere feste Raten. Etwaige Zinsen werden dabei im Voraus vereinbart und sind im Rückzahlungsplan bereits enthalten. Das ist für viele Verbraucher ein attraktiver Deal, es lockt scheinbar unkomplizierter Konsum. Für den Handel birgt der Kauf auf Pump zahlreiche positive Effekte. So führt BNPL zu höheren Konversionsraten, steigert den durchschnittlichen Bestellwert und festigt die Loyalität der Nutzer.

Player wie Klarna, Square oder PayPal erlangen tieferes Wissen über ihre Nutzer und können infolgedessen weitere Services gezielter anbieten. Sie sind außerdem im Bereich Sicherheit absolut konkurrenzfähig und bauen ihre Kundenschnittstelle in Richtung Shoppingerlebnis aus, um die Transaktionsabwicklung und Zahlungssteuerung mit dem Kunden zu beherrschen.

Weshalb können diese FinTechs mehr Komfort und Flexibilität anbieten? 

FinTechs suchen sich eine Nische, in der sie erfolgreich starten können, um Kunden zu gewinnen und zu wachsen. In dieser Nische zählt der Fokus auf die Verbesserung, die dem Kunden einen entscheidenden Vorteil bringt. Dieser hat genau aus diesem Grund die Motivation, dieses FinTech beziehungsweise deren angebotenen Service zu nutzen. Oft geht es nicht um eine technische Verbesserung, sondern wie im Beispiel Klarna um den Komfort und das Kundenerlebnis aus Sicht des Verbrauchers, welches es eben zu verbessern gilt. Man versetzt sich in die Lage des Kunden und stellt sich vor: Wie müsste Einkaufen aus meiner Sicht wirklich sein? Es geht hierbei nicht um den Zahlungsverkehr an sich, sondern um die Frage: Kann ich nicht erst später bezahlen, wenn ich weiß, dass ich die Ware auch mag und behalten werde? Technologie dient hier nur als Mittel zum Zweck, um einen – aus Sicht des Verbrauchers – perfekten Prozess rund um das Einkaufen zu gestalten. Im Idealfall profitieren alle beteiligten Parteien: Verbraucher, Händler und das FinTech als Orchestrator.

Den Sofortkredit am POS per App gibt es jetzt auch bei der Sparkasse via 30 Tage in Form eines Lastschriftverfahrens für das Girokonto. Alternativ kann der Bankkunde den Expresskredit per Ratenkredit zurückbezahlen. Ist das die richtige Strategie, im BNPL-Umfeld zu reüssieren?  

Es ist ein guter Ansatz, das bekannte Produkt Ratenkredit in einen neuen Vertriebskanal zu bringen: ihm also ,neue Kleider’ anzuziehen, die zeitgemäßer, also in Mode, sind. Durch den mobilen Vertriebskanal der App können etliche Vorteile genutzt werden, wie zum Beispiel den Prozess schlank und einfach für den Verbraucher zu halten und ihn auch anonym zu gestalten.“

Der Verbraucher muss hierzu nicht den Bankmitarbeiter oder Händler persönlich sprechen, Formulare ausfüllen oder gar auf einen Entscheid warten. Es kann also aus Sicht der Sparkassen als „aktive Verteidigungsstrategie“ genutzt werden, eine solche Option ihren Kunden zur Verfügung zu stellen. Es ist absehbar: BNPL-Anbieter werden nach der E-Commerce-Welle auch zunehmend im Bereich POS expandieren. Square macht dies mit seiner App in den USA gerade vor.

Das Berliner FinTech Vantik bietet mit seiner neuen Debit Card Zahlungsverkehr und Geldanlage aus einer Hand. Nach jedem Einkauf fließen ein Prozent Cashback in einen Fond für ETFs. Was halten Sie davon? 

Das ist kein neues Modell. Andere FinTechs bieten ähnliches an, wie beispielsweise VIVID, eine Neobank, die auf der Solaris Bank aufsetzt und eine „Investment Pocket“ anbietet. Ausgaben mittels VIVID Karte am POS oder E-Commerce werden vom Nutzer selbstbestimmt in Aktienprämien oder ETFs gewandelt. Das Vantik-Modell ist teilfinanziert über die durch die Kartennutzung entstehende Interchange-Gebühr, die der Händler mit bezahlt sowie den Cashback, der wiederum dann anteilig in einen bestimmten ETF angelegt wird. Dabei bedient sich Vantik weiterer Partner, wie etwa die dazugehörige Depotbank und den ETF Emittenten. Für User ist das durchaus attraktiv, es entspricht dem Zeitgeist. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es für die Lösung eine wirklich relevante Zielgruppe gibt. Ähnliche Lösungen sind in der DACH-Region in der Vergangenheit nie aus einer kleinen Nische herausgekommen.

Was bedeutet die BNPL-Nische für Wallets wie etwa von Apple und Google? 

Die Klarna-Strategie hätte auch durch Apple, Google, Facebook oder Amazon entwickelt und ausgeführt werden können. Mittlerweile haben Klarna & Co. aber einen gewissen Burggraben gebaut, den beide Seiten – Händler und Kunden – schwerlich mehr missen wollen. Apple Pay und Google Pay verdienen an der Nutzung der registrierten Karten und haben die Klarna-Karte in verschiedenen Ländern bereits früh in ihren Wallet-Lösungen zugelassen. Was danach im Prozess passiert, ist ihnen letztlich egal.

Spätere, weitere Transaktionen durch die Klarna-gemanagte Kundenbeziehung werden aber dann nicht mehr via diese Wallets, sondern von den BNPL-Anbietern, meist über direkte, preiswerte Kontozahlungen vom Endkundenkonto stattfinden.

Herr Richter, welche Bedeutung nehmen Konto-zu-Konto-Zahlungen und Kickbacks in diesem Markt ein und wie werden sich BNPL-Anbieter wie Klarna positionieren?  

Für Klarna ist Zahlungsverkehr nur Mittel zum Zweck, um die direkte Kundenschnittstelle zu besetzen und zu beherrschen. Mittlerweile haben auch Banken begriffen, dass man durch das Merchant-Acquiring-Geschäft – also die Zahlungsakzeptanz, welches in der Vergangenheit aus Resignation und wegen schwacher Erträge nicht selten abgestoßen und verkauft worden ist, Kundenbeziehungen übernehmen und ausbauen kann.

Das hat Klarna erkannt und auf dem Weg hunderttausende Händler und Millionen von Endkunden gewonnen. Nun rollt man ein eigenes Ökosystem rund um das Shoppingerlebnis aus.

Nach der Worldpay Analyse entfielen im Jahr 2020 etwa 2,1 Prozent der weltweiten E-Commerce-Transaktionen auf das Bezahlen im Nachhinein, womit der Marktanteil weiter zunimmt und sich bis 2024 voraussichtlich verdoppeln wird. Wie sieht Ihrer Ansicht nach die Zukunft im Zahlungsverkehr aus? 

Ich bin überzeugt, in den kommenden Jahren erleben wir weitere Diversifikation, mehr Optionen, mehr Vielfalt an Zahlungsmitteln und Wegen. Transaktionen werden weiter rasant wachsen, die großen Player von heute werden eine wichtige Rolle spielen. Allerdings werden weitere Trends an Bedeutung gewinnen. Etwa das Zahlen via QR-Code wie in Asien – auch Kryptowährungen bergen ein disruptives Potenzial im Bereich Zahlungsverkehr und werden ein Teil des Mainstreams sein. Der Markt ist extrem in Bewegung, sodass eine treffsichere Prognose schwerfällt. Die Demokratisierung von Technologie, De-Regulierung sowie die Öffnung des Banken- und Zahlungsverkehrs wird weiter Innovation, Vielfalt und Wachstumschancen vorantreiben.

Herr Richter, herzlichen Dank für das Gespräch.Francois Baumgartner

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