Apple Pay und nun? – der Kommentar und Einordnung von Rudolf Linsenbarth

Rudolf Linsenbarth
Vor ca. 6 Jahren sagte mir ein ehemaliger Mitarbeiter des Deutschen Sparkassen und Giroverbandes: Mastercard und VISA würden auf Dauer die girocard ersetzen. Ein Szenario, das für mich zum damaligen Zeitpunkt völlig ausgeschlossen war. Seit dem 11.12.2018 halte ich es zumindest für vorstellbar. An diesem Tag gab es ein paar schwere Breitseiten für das Kartenprodukt der Deutschen Kreditwirtschaft. Nun – dass Apple Pay kommt, wissen wir im Prinzip schon seit 4 Jahren. Wie wurde diese Zeit eigentlich genutzt?
Nicht besonders gut, ist die traurige Antwort! Damit sind weniger die „Techniker“ in den Banken gemeint. Denen ist klar, welche Schritte dringend eingeleitet werden müssten und sie stehen in den Startlöchern.Was aber fehlt, ist eine Strategie zu Apple Pay …
Nur so lässt sich das hektische Umsteuern einer DKB oder ING erklären, mit dem man die „Fehlentscheidung“, den Apple Pay Start zu ignorieren, hastig korrigierte. Für den Stunt der Santander Bank, erst Apple Pay anzukündigen und dann doch wieder auszusteigen, ohne die Kunden weiter über die nächsten Schritte zu informieren, fehlen mir einfach die Worte. Warum eine Commerzbank ihrer Tochter Comdirect ein Go für Apple Pay gibt und selber den beiden Wettbewerbern Deutscher Bank und HVB einfach mal den Vortritt lässt, muss ich auch nicht verstehen. Aber den Vogel hat für mich BarclayCard abgeschossen: Nachdem man sich schon in UK eine blutige Nase beim Apple Pay Launch geholt hatte, brauchte man diese Erfahrung in Deutschland anscheinend unbedingt noch einmal.

CC by 2 – Wikipedia
Wir überschätzen immer die Auswirkungen der Veränderungen der nächsten 2 Jahre und unterschätzen den Wandel, der in den nächsten 10 Jahren passieren wird. Lassen Sie sich selbst nicht vom Nichtstun einlullen!
Bill Gates, Microsoft Gründer
…und wo bleiben die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen?
Damit kommen wir wieder zum Anfang des Artikels, der girocard. Säule 1 und 2 unseres Bankensystems sind blockiert! Klar könnte man relativ schnell einen Deal mit Apple hinbekommen, bei dem diese beiden Bankengruppen sich in die Reihe derer stellen, die nun auch Mastercard und VISA Produkte herausgeben. Allerdings ginge das dann eindeutig zu Lasten der girocard.
Dann sollen sie halt die girocard über Apple Pay in das iPhone bringen, mag manch einer denken. Gute Idee, aber das dauert, Vertragsverhandlungen, Austausch von Spezifikationen, Aufbau einer Infrastruktur und schließlich sehr aufwändige Testverfahren.”
Nicht, dass hier die notwendigen Maßnahmen bereits anlaufen, nur viel zu spät. Zur Erinnerung diese Entscheidungen hätte man bereits vor 4 Jahren treffen können und nicht erst letztes oder dieses Jahr.

DSGV
Stattdessen kommt von den Sparkassen die Verbalnote, Apple möge doch die NFC-Schnittstelle öffnen. Eine Forderung, die ich übrigens im vollen Umfang teile!
Nur Fakt ist, Apple sitzt hier am längeren Hebel. Wer sich an den Browserkrieg zwischen Microsoft und Netscape in den 90er Jahren erinnert, weiß auch, wie lange solche Verfahren dauern. Wenn man hier auf die Wettbewerbsaufsicht wartet, ist die girocard Geschichte.
Was werden wir stattdessen in der nächsten Zeit sehen?

Selbstverständlich werden in zwei Jahren nicht alle mit dem Handy bezahlen, aber wir sind hier ja auf einer Sicht von 10 Jahren unterwegs!”
Apple Pay ist gekommen, um zu bleiben und kein Testballon wie andere Mobile-Payment-Verfahren davor. Es wird also genauso wenig verschwinden wie das Internet oder das iPhone selber. Bei der weiteren Entwicklung treibt eine N26 die 3 großen Direktbanken vor sich her, was ja auch umgehend Wirkung gezeigt hat. Von da aus pflanzt sich der Impuls fort in Richtung Commerzbank, Postbank, Santander, Targobank & Co. und erreicht zeitgleich auch die Sparkassen und Genossenschaftsbanken. In einigen Monaten haben wir einen enormen Druck im Kessel!

Jennifer Bailey die weltweite Apple-Pay-Chefin war ja zum Launch in Deutschland, vielleicht haben einige Banken die Chance genutzt und eine Wartemarke für eine Sprechstunde gezogen.
Apple wird in der nächsten Dekade der Maßstab beim Mobile Payment sein. Kein Unternehmen versteht es, die Klaviatur der Kundenbegeisterung so virtuos zu spielen,wie die California Company. Das wissen auch deren Partner. Hier zwei Beispiele:
1. Der Lebensmitteldiscounter Penny hatte sich jahrelang standhaft geweigert, Kreditkarten zu akzeptieren. Nur um wenige Tage vor dem Apple Pay Launch diese Strategie zu ändern und sich dann als Apple-Pay-Akzeptanzpartner zu präsentieren. 2. Beeindruckend fand ich auch, wie mit Hilfe von Apple das für die Fans unvorteilhafte Closed-Loop-Zahlverfahren in der Allianz Arena gekippt wurde. Nebenbei hat der FC Bayern München auch noch einen Deal mit Apple geschlossen, um das Stadion-Ticket ebenfalls ins iPhone zu bringen. Chapeau an beide!Apple Pay: Wenn es so viele Gewinner gibt, wer sind dann die Verlierer?

Mastercard
Auch das ist wiederum eine Frage des Zeithorizonts. In den nächsten 2 Jahren auf jeden Fall die Banken, die nicht in den sauren Apfel beißen. Langfristig sind es die Kunden, wenn durch Oligopole der Wettbewerb zum Erliegen kommt. Wenn jeder Kunde bei Apple ist, vom gemeinen Endkunden über die Banken, Amex, Mastercard und VISA bis zum Händler, der keine Kartenakzeptanz mehr hat, sondern zum Apple-Pay-Partner mutiert ist. Zum Glück gibt es dann noch Google! 😉
Aber diese Entwicklungen kommen ja nicht wie ein Urknall über uns. Ich verweise dazu auf meinen ersten Mobile Payment Beitrag bei Mobile Zeitgeist aus dem Jahr 2012 und meinen Vortrag bei Next Generation Payment des Banking Club im Jahr 2014.
Wie die Payment Welt in 10 Jahren genau aussieht, wissen wir nicht, sie wird aber definitiv eine andere sein, als die heutige!”
Lassen Sie sich selbst nicht vom Nichtstun einlullen!Rudolf Linsenbarth
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