Anzeige
STRATEGIE14. April 2020

Corona als Game-Changer und Motor zum Ausbau der Digitalisierung

Im November letzten Jahres – zu einer Zeit also, als niemand sich vorstellen konnte, wie ein Virus in kürzester Zeit die gesamte Welt verändern würde – habe ich an gleicher Stelle über die Zukunft des Bargelds „philosophiert“. Und nun ein paar Monate später hat Corona das bargeldlose und vor allem auch das kontaktlose Bezahlen mit Karte, Smartphone oder sogenannten Wearables (Fitnessarmbänder, Smartwatches etc.) beim Verbraucher fast an die erste Stelle der verwendeten Zahlungsmittel katapultiert.

von Anno Lederer

dilsiz/bigstock.com
Aber – und das ist besonders bemerkenswert – auch der Handel, ob klein oder groß bittet seine Kunden vermehrt, bargeldlos zu bezahlen. Es soll sogar Einzelhändler geben, die in der aktuellen Situation kein Bargeld mehr akzeptieren. Ob aus gesundheitsbezogener und hygienischer Sicht – was die Verbreitung des Corona-Virus durch sog. Schmierinfektion anbelangt – begründet oder nicht, sei hier mal außen vor.

Und so hat sich mit und seit Corona einiges, was vorher gar nicht oder nur schwer vorstellbar war, in rasantem Tempo verändert.”

Ich möchte nachfolgend auf einige dieser Veränderungen eingehen, die sich nach Corona sowohl positiv als auch negativ verfestigen könnten.

Anno Ledererprivat

Zuvor will ich aber eindeutig und unmissverständlich klarstellen, dass all diese Veränderungen verbunden sind mit verheerenden Geschehnissen, größten Belastungen, unvorstellbarem Leid und einem tiefen Einschnitt in unser aller Leben und das bis dato florierende Wirtschaftssystem. Also müssen auch die sich aus meiner Sicht positiv ergebenden und möglicherweise verfestigenden Entwicklungen immer vor diesem Hintergrund bewertet werden.

Gleichwohl scheint es sinnvoll, einige sehr interessante Punkte darzulegen, weil sie mit Sicherheit auch nach dem Ende der Corona-Pandemie von Bedeutung sein werden.

1. Zukunft des Bargelds

Die „Welt“ schrieb am 09.04.2020 „Das Bargeld verschwindet“. Es wird berichtet über Bäckereien in Heilbronn, Dorfläden in Wiesenfeld bei Würzburg, verschiedene Einzelhändler in der gesamten Republik oder Ketten wie EDEKA, ALDI Süd und REAL, wo der Anteil der Kartenzahlung dramatisch zunimmt, z.T. bis zu einem Drittel der gesamten Bezahlvorgänge.

Besonders beliebt sei das kontaktlose Zahlen, da es – wenn überhaupt – aus hygienischen Gründen den größten Vorteil böte. Sogar über eine Erhöhung der Obergrenzen werde nachgedacht, was bei Zahlungen über ApplePay bzw. GooglePay freilich eh keine Rolle spiele.

Die Unternehmensberatung Oliver Wyman glaubt, dass diese Veränderung auch nach der Pandemie anhält und sagt ein exponentielles Wachstum des bargeldlosen Zahlens voraus.
„Wenn die Leute aber erste Erfahrungen gemacht und gemerkt haben, dass alles problemlos funktioniert, dann halten sie daran fest.”

Ich würde mich freuen, wenn der Trend zum bargeldlosen Bezahlen auch nach der großen Krise anhielte.

2. Arbeiten im Home Office

War das Arbeiten im Home-Office bisher nur in einigen zumeist sehr innovativen bzw. fortschrittlichen Unternehmen wie z. B. Agenturen, IT-Dienstleistern oder Start-ups denkbar, so ist es aktuell für viele Firmen und deren Angestellte oft die einzige Chance, diese Krise zu überstehen.

Häufig standen arbeitsrechtliche und technische Aspekte dagegen, aber auch fehlende kommunikative Regelungen sowie eine erforderliche Unternehmenskultur erschwerten den Weg hin zum Arbeiten von zuhause. Schließlich war und ist z. B. das Thema „Vertrauensarbeitszeit“ ohne die klassische Zeiterfassung für viele Unternehmen noch mehr oder weniger Neuland.

Corona hat uns keine Zeit gelassen, ein brauchbares Home Office einzurichten ...
Corona hat uns keine Zeit gelassen, ein brauchbares Home Office einzurichten …Massimo Parisi/bigstock.com

Auch die Arbeitsumgebung zuhause muss passen, was sich vor allem unter dem Aspekt des aktuellen Shut-Down oft dann als besonders schwierig erweist, wenn z. B. kleine und schulpflichtige Kinder im Haushalt sind und die Wohnverhältnisse ein ungestörtes Arbeiten kaum oder gar nicht zulassen.

Voraussetzung für ef­fek­ti­ves Ar­bei­ten von zu­hau­se ist das Vor­han­den­sein ei­ner aus­rei­chend schnel­len In­ter­net­ver­bin­dung vor al­lem dann, wenn ne­ben rei­nem Da­ten­trans­fer auch Te­le­fon- und Vi­deo­kon­fe­ren­zen er­for­der­lich sind, um die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Kol­le­gen oder so­gar Kun­den aufrechtzuerhalten.

Neben der Frage der Kostenbeteiligung der Unternehmen für die Bereitstellung des Home-Arbeitsplatzes durch den Mitarbeiter sind es auch versicherungstechnische Fragen, die geklärt sein müssen.

In Krisenzeiten – das ist meine Beobachtung und das finde ich sehr positiv – können manche früher häufig unüberbrückbare Hürden offensichtlich schneller und pragmatischer überwunden werden.

Man darf sich wünschen, dass dieser Pragmatismus auch in der Post-Corona-Zeit erhalten bleibt.

3. Online-Conferencing

Auch Videoconferenzen hat Corona deutlich beflügelt ...
Rawpixel.com/bigstock

Audio-basierte Konferenzen und Audio-Video-Konferenzen sind eigentlich nichts Neues. Neu ist in der Corona-Krise, dass hiervon aktiv Gebrauch gemacht wird und zwar in einer Form, wie man es sich ebenfalls vor Corona nicht hätte ausmalen können.
Ob einfachste Projektmeetings, Führungskräfte-Meetings, Konferenzen mit Kunden und/oder Geschäftspartnern oder sogar politische Veranstaltungen wie Kabinettssitzungen, Treffen der Ministerpräsidenten bis hin zu europäischen bzw. internationalen Gipfeltreffen, all das ist plötzlich möglich geworden.

Ob Audio- oder Videoformate, für beides gilt, die Technik muss stimmen, die unterstützenden Softwarelösungen müssen zu den jeweiligen Anforderungen passen und es ist erforderlich, alle Sitzungsteilnehmer mit bestimmten Spielregeln vertraut zu machen. Bild und Ton sollten hochwertig sein, wer wann redet, muss festgelegt sein und wenn auf gemeinsame Dokumente zugegriffen werden soll, müssen diese für jeden entsprechend eindeutig identifizierbar sein.

In Zeiten der Corona-Pandemie kann und muss ausprobiert und optimiert werden, was auch später zumindest teilweise aufwändige Meetings und Dienstreisen ersetzen bzw. ergänzen kann.”

Die Kolumne von Anno Lederer
Anno Lederer war über 35 Jahre in der Informationstechnologie für Banken tätig und von 1997 bis 2014 Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzender der GADeG mit Sitz in Münster – dem IT-Dienstleister für über 400 Volks- und Raiffeisenbanken vornehmlich im Nordwesten Deutschlands.

Er trieb fe­der­füh­rend die Ent­wick­lung in­no­va­ti­ver Lö­sun­gen für Kre­dit­in­sti­tu­te voran und hat ge­mein­sam mit seinem Team eine Vielzahl von IT-Pro­duk­ten für Banken erfolgreich zum Einsatz gebracht. Auch nach seinem Eintritt in den Ru­he­stand ist er wei­ter­hin auf­merk­sa­mer Be­ob­ach­ter ak­tu­el­ler Ent­wick­lun­gen in der Ban­ken­land­schaft und ver­folgt in­ten­siv Ver­öf­fent­li­chun­gen und Dis­kus­sio­nen rund um das The­ma Di­gi­ta­li­sie­rung in der ge­sam­ten Fi­nanz­bran­che.

4. Banking

Alle Wirtschaftsbereiche erfahren derzeit massive und gravierende Veränderungen. Trotz milliardenschwerer Hilfsprogramme wird es für einige Wirtschaftsbereiche schwer oder fast unmöglich, das alles zu überstehen.

Banken und Finanzunternehmen spielen dabei eine besondere Rolle. Einerseits sehen sie sich ebenfalls riesigen wirtschaftlichen Herausforderungen in nie dagewesener Form gegenüber, andererseits bieten sich ihnen Chancen, die engen Bindungen zu ihren Kunden zu intensivieren, indem sie ihnen mit Rat und Tat im besten Sinne des Wortes zur Seite stehen.

Bei der Bewilligung von KfW-Schnellkrediten und -Fördermitteln unterschiedlichster Ausprägungen oder Kreditbürgschaften sind die Banken erste Ansprechpartner für Unternehmen jeglicher Größenordnung, Freiberufler und andere Kundensegmente.

Alle Banken sind hier gefordert und engagiert, verantwortungsvolle dauerhafte Unterstützung zu geben.

Es besteht die große Chance, langfristige Kundenbeziehungen zu erhalten, auszubauen und sogar das schon als etwas veraltet geglaubte Hausbank-Modell zu „reaktivieren“.

5. Online-Unterricht und Online-Vorlesungen

Schulen, Universitäten und Bibliotheken sind bis auf Weiteres geschlossen. Trotzdem soll und muss das Unterrichten von Schülern und Studenten irgendwie aufrechterhalten und weitergeführt werden.

Einige Schulen und Universitäten mit ihren jeweiligen Lehrkörpern sind bereits jetzt gut aufgestellt, andere haben erheblichen Nachholbedarf.

Wichtig ist, dass die Notwendigkeit solch digitaler Möglichkeiten auch über die Corona-Krise gesehen wird und der Ausbau der dazu notwendigen Voraussetzungen vorangetrieben wird.

6. Virtuelle Kommunikation

Besonders betroffen und getroffen von den Auswirkungen der Corona-Pandemie sind wir alle als Individuum, als Menschen gleich welchen Alters, welcher Herkunft und welchen Geschlechts. Menschen brauchen soziale Kontakte, Nähe zu ihren Liebsten, Verwandten, Freunden und Bekannten. Wenn Social Distancing verordnet und aus medizinischer Sicht alternativlos zu sein scheint, müssen andere Wege gefunden werden, um dem Alleinsein und der Vereinsamung entgegenzuwirken.

Auch hier gibt es neben den üblichen negativen Begleiterscheinungen, die über einige Medien die Verbreitung von Fake News u.a. zur Panikmache beschleunigen, überwiegend positive Entwicklungen.”

Was wären die vielen alten und kranken Menschen in Pflegeeinrichtungen, die keinen Kontakt mehr zu ihren Anverwandten haben dürfen, ohne Smartphones und Tablets, mit denen sie zumindest über WhatsApp, Skype, Facetime oder andere Lösungen virtuelle Kontakte pflegen können.

Anbieter von Live-Streams und Kollaborations-Plattformen stellen mittlerweile auch Angebote zur Verfügung, die nicht nur von Firmen genutzt werden können.

Houseparty hat sich in der Corona-Pandemie blitzartig zum Quasi-Standard entwickelt.
Google-App-Store

Sogar Tools wie die Videochat-App „Houseparty“ tragen dazu bei, dass vor allem junge Menschen, die sich an die Vorgaben der Kontaktbeschränkungen halten, wichtige Kontakte zu ihren Freunden und Bekannten aufrechterhalten können. Mit dieser App lassen sich virtuelle Hauspartys mit bis zu acht Personen abhalten, an denen nicht nur eigene Freunde, sondern auch Freunde von Freunden teilnehmen können.

All das wird uns auch nach Corona erhalten bleiben und hoffentlich in sinnvoller Weise die Mensch zu Mensch Kommunikation ergänzen.

Das Fazit

Wir befinden uns in der schwersten Krise seit Ende des 2. Weltkriegs. Die gesundheitlichen, menschlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen werden gravierender sein als alles, was wir bisher erlebt haben.

Aber es wird eine Zeit nach Corona geben. Und daher ist es wichtig, schon jetzt Lehren zu ziehen aus dem, wie wir vorbereitet waren, die Krise angegangen und am Ende gemeistert haben. Und da es sicher ist, dass wir auch zukünftig ähnlich große und größere Herausforderungen zu bestehen haben, müssen wir uns einen Plan machen, wie wir zukünftig vielleicht noch besser mit solchen Einschnitten fertig werden können.

Die Reihe der oben aufgeführten Bereiche, die schon jetzt deutlichen Veränderungen unterliegen, ließe sich beliebig fortsetzen. Allen ist eines gemeinsam, traditionelle Geschäftsmodelle sind in solchen Zeiten erheblichen Risiken ausgesetzt, aber es bieten sich eben auch Chancen, wenn flexibel, mutig und innovativ gehandelt wird.

Und wenn manche es vorher oft nur als Modewort oder Hype abtun wollten, der Schlüssel zum erfolgreichen Umgang mit derartigen Herausforderungen liegt im massiven und konsequenten Ausbau der Digitalisierung und zwar in allen Bereichen unseres Lebens ob Politik, Wirtschaft, Banken, Medizin, Bildung, Kommunikation oder vielen anderen.

Wir alle sind gefordert und sollten uns schon jetzt dieser Aufgabe zuwenden.Anno Lederer

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert